Geografie der Gesundheit - Die räumliche Dimension von Epidemiologie und Versorgung

von: Jobst Augustin, Daniela Koller

Hogrefe AG, 2016

ISBN: 9783456955254 , 296 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Geografie der Gesundheit - Die räumliche Dimension von Epidemiologie und Versorgung


 

2 Methoden der geografischen Gesundheitsforschung

Einführung

Einführung Raum und Gesundheit – raumbezogene Analysen
Werner Maier

Ein wesentlicher Aspekt der geografischen Gesundheitsforschung ist – neben der rein deskriptiven Beschreibung und Visualisierung – die Analyse räumlicher gesundheitsrelevanter Ereignisse. Wie zufällig ist die Verteilung der beobachteten Ereignisse im Raum? Lassen sich möglicherweise Muster erkennen und daraus eventuell Mechanismen ableiten, die für Epidemiologie oder Versorgungsforschung von Bedeutung sind? Welche quantitativen Methoden, welche Maßzahlen und Instrumente können bei der Beantwortung dieser essenziellen Fragen geografischer Gesundheitsforschung helfen? Die folgenden Kapitel sollen bei der Beantwortung dieser Fragen helfen und einen Einblick in wichtige Methoden und Verfahren raumbezogener gesundheitswissenschaftlicher Forschung geben.

Das Kap. 2.1 von J. Dreesman behandelt räumlich- statistische Verfahren, die insbesondere bei der Analyse epidemiologischer Daten Anwendung finden. Die Prüfung visualisierter, regional variierender epidemiologischer Maßzahlen auf Signifikanz (also auf eine nicht zufällige Variation), die Identifikation möglicher lokaler Risikofaktoren und die Modellierung solcher raumbezogener Ereignisse und Faktoren sind grundlegend für eine wissenschaftliche fundierte Beantwortung gesundheitsgeografischer Fragestellungen.

Im Kap. 2.2 stellt W. Maier das Konzept regionaler Deprivation, also gebietsbasierter materieller und sozialer Benachteiligung, und deren Messung durch Deprivationsindizes vor.

Welchen möglichen Einfluss hat der (Sozial-) Raum auf die Gesundheit der Bevölkerung, unabhängig von individuellen Ressourcen? Wie lässt sich der Einfluss regionaler Deprivation operationalisieren und in gesundheitswissenschaftlichen Analysen verwenden? Die Bildung eines Deprivationsindex für Deutschland und dessen Anwendung bei verschiedenen gesundheitsrelevanten Fragestellungen sind Gegenstand dieses Kapitels.

Das Kap. 2.3 von U. Stentzel, W. Hoffmann und N. van den Berg behandelt das Thema von Mobilitätsanalysen in der Gesundheitsforschung. Eine optimierte gesundheitliche Versorgung, setzt eine realisierbare Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen auch in ländlichen Regionen voraus. Hierfür sind die verkehrstechnische Mobilität und deren Analyse in Form von Netzwerkanalysen unter Einsatz von geografischen Informationssystemen (GIS) essenziell.

Im Kap. 2.4 von S. Buda werden schließlich Methoden und Verfahren der Surveillance und des Monitorings von Infektionskrankheiten mit Schwerpunkt Influenza vorgestellt. Wege der Datenerfassung (z. B. durch Sentinelpraxen oder über webbasierte Verfahren), die Analyse dieser Daten und die Kommunikation der Ergebnisse (auch in kartografischer Form), sind wesentliche Bestandteile dieses Kapitels.

2.1 Räumlich-statistische Analyse von epidemiologischen Daten
Johannes Dreesman

2.1.1 Motivation

Bei der Darstellung von regionalen Gesundheits- oder Krankheitsdaten mittels einer Karte handelt es sich scheinbar um eine rein beschreibende Visualisierung. Tatsächlich wirft eine solche Darstellung aber spezielle statistische Fragen auf. Zur Verdeutlichung kann eine typische Anwendung dienen, wie sie in einem Krebsatlas oder einem Infektionsbericht vorkommt. Dort werden häufig Inzidenzraten oder Prävalenzen von Krankheiten in Form von Choroplethenkarten dargestellt, also Landkarten, bei denen die Fläche jeder Region entsprechend der dargestellten Maßzahl eingefärbt sind (Abbildung 2-1a, Abbildung 2-2a). Die räumlichen Einheiten sind administrative Regionen, häufig Landkreise und kreisfreie Städte. Die Darstellung erfolgt i. d. R. normiert auf die Bevölkerung, z. B. die Fallzahl in der Region pro 100 000 Einwohner. Fast nie erscheinen in einer solchen Karte alle Regionen der Karte in derselben Farbe bzw. Schattierung, vielmehr zeigen die Karten nahezu immer Unterschiede zwischen den Regionen.

Daraus ergibt sich zwangsläufig die folgende Fragestellung: Lässt sich aus den in der Karte sichtbaren regionalen Unterschieden der dargestellten epidemiologischen Maßzahl folgern, dass auch tatsächliche Unterschiede des Erkrankungsrisikos zwischen den Regionen bestehen? Im ungünstigsten Fall wird diese Frage gar nicht erst gestellt, sondern die Schlussfolgerung einfach gezogen. Eine seriöse Beantwortung der Fragestellung ist aber nur mithilfe statistischer Überlegungen und Methoden möglich.