Arbeiten für wenig Geld - Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland

von: Gerhard Bosch, Claudia Weinkopf

Campus Verlag, 2007

ISBN: 9783593413235 , 321 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 29,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Arbeiten für wenig Geld - Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland


 

4. Wo das Sparen am leichtesten fällt – Reinigungs- und Pflegehilfskräfte im Krankenhaus (S. 175-176)

Karen Jaehrling
1 Einleitung
Der Krankenhaussektor zählt nicht zu den typischen Niedriglohnsektoren. Vielmehr ist er traditionell durch eine geringe Lohnspreizung, ein Kernmerkmal des »German Capitalism« (Streeck 1997), gekennzeichnet. Selbst für die beiden Beschäftigtengruppen, die im Zentrum dieses Kapitels stehen, nämlich Pflegehilfskräfte und Reinigungskräfte, galten lange Zeit Tariflöhne, die ab einer gewissen Betriebszugehörigkeit nur wenig unter den Einstiegslöhnen für qualifizierte Krankenpflegekräfte lagen oder diese sogar überschritten. Das traf auch auf Krankenhäuser in privater oder freigemeinnütziger Trägerschaft zu, denn diese übernahmen in der Vergangenheit regelmäßig die Lohnabschlüsse für den öffentlichen Dienst.

Seit Anfang der neunziger Jahre haben Änderungen der Finanzierungsregeln die Krankenhäuser jedoch unter hohen Kostendruck gesetzt und diese informelle Tarifkoordination gelockert. Zudem hat sich der bereits zuvor beobachtbare Trend beschleunigt, das relativ hohe Lohnniveau im öffentlichen Dienst durch die Auslagerung insbesondere von hauswirtschaftlichen Dienstleistungen (Reinigung, Küche, Wäscherei) zu unterlaufen. Anders als beispielsweise in den USA oder auch in Frankreich (Appelbaum u.a. 2003, Méhaut u.a. 2008) wurde zum Zweck der Kostensenkung bislang nicht die Anzahl der Pflegehilfskräfte erhöht – im Gegenteil, ihr ohnehin kleiner Anteil am Pflegepersonal ist weiter rückläufig. Stattdessen werden die Tätigkeiten in der Grundpflege zunehmend in das Profil der dreijährig ausgebildeten Krankenpfleger/innen integriert.

Die Auswirkungen des zunehmenden Kostendrucks und weiterer branchenspezifischer Veränderungen auf Lohndifferenzierung und Arbeitsteilung unterscheiden sich mithin nach Tätigkeitsbereich: der Zunahme von Niedriglohnarbeit in der Reinigung steht ein verstärkter Rückgriff auf höher entlohnte Fachkräfte in der Pflege gegenüber. Was die Hintergründe für diese Unterschiede, aber auch für die Unterschiede zu den anderen Ländern sind, welche Rolle dabei insbesondere die Institutionen des Systems industrieller Beziehungen und das Berufsbildungssystem spielen, und wie sich Entlohnung, Arbeitsteilung und weitere Aspekte der Arbeitsplatzqualität in beiden Bereichen im Detail entwickeln, ist Thema des folgenden Kapitels.

Kasten 1: Betriebsfallstudien und Vorgehensweise

Im Mittelpunkt der Untersuchung standen Pflegehilfs- und Reinigungstätigkeiten. Es wurden Fallstudien in sechs Krankenhäusern durchgeführt – davon jeweils zwei öffentliche, private und freigemeinnützige. Das zweite Auswahlkriterium war die regionale Arbeitsmarktsituation, gemessen an der Arbeitslosenquote, die in den ausgewählten Regionen zwischen 6 und 19 Prozent liegt. Mit einer Bettenzahl zwischen 320 und 750 Betten handelt es sich bei den untersuchten Krankenhäusern um mittlere und große Häuser, die Beschäftigtenzahl reicht von 460 bis 1.350 (Vollzeitäquivalente).

In jedem Krankenhaus wurden – soweit dies möglich war – jeweils für beide Tätigkeitsbereiche (Reinigung und Pflege) Gespräche mit Beschäftigten, Beschäftigtenvertretungen, Vorgesetzten und der Krankenhausleitung geführt und ergänzend schriftliche Dokumente ausgewertet. Zusätzlich waren in zwei anderen Krankenhäusern Gespräche mit den Beschäftigtenvertretungen für Reinigungskräfte möglich. Insgesamt wurden 51 Interviews geführt, davon 25 mit Krankenhausleitung und Vorgesetzten, 19 mit Beschäftigten und acht mit betrieblichen Interessenvertretungen. Ergänzend zu den Fallstudien wurden auf regionaler und nationaler Ebene insgesamt 14 Gespräche bei Gewerkschaften, Berufsverbänden und Arbeitgeberverbänden geführt.