Studieren in Ruinen - Die Studenten der Universität Bonn in der Nachkriegszeit (1945-1955)

von: Christian George, Thomas Becker, Hans Pohl, Mathias Schmoeckel, Joachim Scholtyseck, Heinz Schott

Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2010

ISBN: 9783862341115 , 418 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 80,00 EUR

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Studieren in Ruinen - Die Studenten der Universität Bonn in der Nachkriegszeit (1945-1955)


 

4. Die Studiensituation in der Nachkriegszeit (S. 197-198)


Die Notsituation der Nachkriegszeit traf Studenten besonders hart. Nur notdürftig untergebracht, mit nur einer Garnitur Kleidung und leerem Magen begannen sie ihr Studium an einer Universität, die selbst gezeichnet war von den Folgen des Krieges. »Wahrscheinlich war niemals eine Studentengeneration so sehr von Nahrungsmangel, Kleidermangel und Wohnraumnot betroffen wie diese.« Die vom Mangel bestimmten Studienbedingungen prägten die Studenten, forderten und förderten bestimmte Verhaltensweisen und ließen ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen. Die Zeit des Mangels bildete den Erfahrungshorizont, der die erste Nachkriegsstudentengeneration deutlich von den nachfolgenden Studenten unterschied. Daher ist neben der Zusammensetzung der Studentenschaft die Studiensituation der Nachkriegszeit ein wichtiger Faktor für die Ausbildung eines Generationsbewusstseins der Nachkriegsstudenten. Wurden im vorangegangenen Kapitel die generationskonstituierenden Elemente der studentischen Biographien vor 1945 und die sich daraus ergebende Zusammensetzung der Studentenschaft analysiert, so wird der Blick nun auf die äußeren Einflüsse gelenkt, denen die Studenten nach Beginn bzw. Wiederaufnahme ihres Studiums in der Nachkriegszeit ausgesetzt waren.

Im Mittelpunkt stehen vor allem die von Not und Mangel geprägten Studienbedingungen der ersten Nachkriegssemester. Wohnungsnot, Hunger, Krankheit und Mangel an allen Gütern des täglichen Bedarfs charakterisierten die Studiensituation in unterschiedlicher Intensität und Rangfolge bis zum Beginn der 50er Jahre. Unabhängig voneinander und doch zeitlich parallel vollzogen sich in den Jahren um 1950 der Wandel der Lebensverhältnisse und der Generationswechsel in der Studentenschaft.

Im Folgenden wird zunächst die Studiensituation der ersten Nachkriegsjahre untersucht. Anschließend werden in einem weiteren Schritt die Maßnahmen beleuchtet, welche Studenten oder Universitätseinrichtungen ergriffen, um der Not zu begegnen. Die Nachkriegszeit ist oft als »Blütezeit der Improvisation« gekennzeichnet worden. Dies lässt sich auch im Hinblick auf die Studiensituation an den Universitäten der Nachkriegszeit bestätigen. Die akute Notlage in Fragen der Wohnung, Ernährung und des akademischen Alltags erforderte oft unorthodoxe Lösungen. In diesem Abschnitt stehen vor allem die verschiedenen universitären Hilfsinstitutionen, angeführt vom Verein Studentenwohl, im Vordergrund. Neben der sozialen Notlage der Studenten ist der akademische Alltag Thema dieses Kapitels.

In einem letzten Abschnitt wird der Frage nach der Situation der Lehre und der Diskussion um die Reform der Universität, die in den ersten Nachkriegsjahren intensiv geführt wurde, nachgegangen. Als besonderer Indikator des Wandels können die sich allmählichwieder ausbildenden Kontakte zumAusland gewertet werden, auf die der Blick abschließend gelenkt wird. Die Verbindung mit ausländischen Universitäten und Kommilitonen eröffnete den deutschen Studenten die Möglichkeit, ihren eigenen Horizont zu erweiten, eine fremde Sichtweise gerade im Hinblick auf den Nationalsozialismus kennen zu lernen und einen Beitrag zum Anschluss der deutschen Universitäten an die internationale akademische Welt zu leisten. Gerade die Beziehungen zum Ausland sind ein Gradmesser für die Normalisierung des Studienalltags an den Universitäten der Nachkriegszeit.