MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter - Roman

von: Robert McCammon

Luzifer Verlag, 2019

ISBN: 9783958354050 , 546 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter - Roman


 

Kapitel 2


 

Mit Verstand oder ohne – Greathouses Augen glitzerten und in seiner Stimme schwang Stolz mit, als er sich an den Sklaven wandte: »Aber hallo! Wenn du nicht ehrbar aussiehst!«

Ob Zed das Lob verstand, wusste niemand. Der Sklave blieb mit dem Rücken an die Tür gedrückt stehen. Seine breiten Schultern waren leicht gebeugt, als fürchtete er, den seltenen Frieden in der Schänke aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Blick seiner schwarzen, unergründlichen Augen wanderte von Greathouse zu den anderen Gästen und dann wieder zu Greathouse. Auf Matthew wirkte er fast flehend. Zed wollte genauso wenig hier sein, wie er willkommen war.

»Das ist der Neger vom Leichenbeschauer!«, kreischte die Schlampe. »Ich hab gesehen, wie der ’n toten Mann getragen hat, als wär der ein Sack Federn!«

Das war nicht übertrieben. Zu Zeds Aufgaben unter Ashton McCaggers gehörte der Abtransport Toter von der Straße. Matthew hatte die ungeheure Kraft des Sklaven im Kühlzimmer des Rathauskellers im Einsatz gesehen.

Zed war kahlköpfig und massiv gebaut, fast so groß wie Hudson Greathouse, aber mit breiterem Rücken, Schultern und Brustkorb. Ihn anzusehen war, als werfe man einen Blick auf die mysteriöse Kraft des Schwarzen Kontinents. Er war so schwarz, dass seine Haut im gelben Lampenlicht bläulich zu schimmern schien. Seine Wangen, Stirn und Kinn waren von den Tätowierungsnarben seines Stammes bedeckt, in die ein Z, E und D eingeschnitten worden waren – die Buchstaben, nach denen McCaggers ihn benannt hatte. Der Leichenbeschauer hatte ihm ein paar rudimentäre Brocken Englisch beigebracht, damit er seine Arbeit ausführen konnte. Das Reden konnte er ihm allerdings nicht lehren, denn Zeds Zunge war bereits herausgeschnitten gewesen, bevor das Sklavenschiff New York erreicht hatte.

Skelly dagegen hatte seine Zunge noch und grölte wie aus tiefstem Höllenschlund: »Schafft den Neger raus!«

»Das ist gegen das Gesetz, dass der hier reinkommt!«, schrie Baiter, kaum dass Skellys Stimme nicht mehr die Sägespäne von den Dachsparren rüttelte. Sein rotgeflecktes Gesicht war von selbstgerechter Wut verzerrt, als hätte ihn jemand beleidigt. »Schafft ihn raus oder wir schmeißen ihn raus! Was, Bonehead?«

»Das Gesetz? Gegen welches Gesetz? Ich bin hier der Wachtmeister, Herrgott noch mal!« Nack hatte sich wieder gerührt, aber in seiner Verfassung war es vom sich Rühren bis zum Aufstehen noch ein langer Weg.

Bonehead hatte auf die Drohung, die sein Kamerad gerade von sich gegeben hatte, nicht reagiert. Matthew schien es, als würde Bonehead die massive Statur des Neuankömmlings beäugen, und Bonehead war kein Holzkopf, der seinen Schädel an derartigen Muskeln ramponieren wollte. Allerdings war auch er ein Mann, und wie viele Männer wurde auch er umso streitsüchtiger, je tiefer der Pegel in seinem Trinkbecher sank. Bonehead trank einen mächtigen Schluck flüssigen Mutes und sagte, wenn auch eher in seinen Becher hinein: »Stimmt, verdammt noch mal!«

»Ach, Gentlemen, nehmt doch Vernunft an!« Greathouse hob die Hände und Matthew sah die zahlreichen kleinen Narben und Knötchen auf den viel benutzten Knöcheln des Mannes. »Und Ihr, Sir«, wandte er sich an Baiter, »werdet doch nicht im Ernst jeden Erlass respektieren, den Lord Cornbury unter seinem Kleid hervorzieht?«

»Ich sagte«, ertönte die Stimme des Wirts, die jetzt weniger nach Bullfrosch, sondern mehr nach dem Klicken einer soeben gespannten Pistole klang, »schafft mir das Vieh aus den Augen!«

»Und weg von unsern Nasen«, fügte einer der Gentlemen hinten im Schankraum hinzu, womit Matthew wusste, dass ihnen in diesem Wirtshaus keine einzige Person wohlgesonnen war.

»Na gut.« Greathouse zuckte mit den Schultern, als wäre alles zur Zufriedenheit geregelt. »Dann nur einen guten Tropfen für ihn und wir gehen wieder.«

»Der kann meine Pisse trinken, bevor ich dem einen Tropfen von meinem Brandy einschenke!«, brüllte Skelly, und über Matthews Kopf schwankten die Lampen an ihren Ketten. Skellys Augen waren weit aufgerissen und wild. Sein roter Bart, in dem der tausendfältige Dreck von New York klebte, zuckte wie der Schwanz einer Klapperschlange. Matthew hörte draußen den Wind heulen, hörte ihn kreischen und durch die Ritzen zwischen den Brettern pfeifen, als wollte er das Wirtshaus zersplittern. Die beiden Dockarbeiter waren aufgesprungen. Einer von ihnen ließ seine Knöchel krachen. Warum tun Männer das?, fragte sich Matthew. Um ihre Fäuste größer zu machen?

Greathouse hörte keine Sekunde lang auf zu lächeln. »Also wie wär’s – ich bezahle einen Brandy für mich, und dann lassen wir alle in Ruhe. Passt Euch das?« Zu Matthews Entsetzen war der große Mann – der große Idiot! – bereits auf dem Weg zum Tresen, hielt genau auf die Stelle zu, wo Bonehead und Baiter offensichtlich nur darauf warteten, ihn zusammenzuschlagen. Skelly blieb mit spöttisch verzogenem Mund bewegungslos hinter der Theke stehen, und als Matthew einen Blick auf Zed warf, sah er, dass der Sklave keinerlei Interesse an einem weiteren Schritt auf einen Eklat zu hatte, geschweige denn an einem verschmutzten Trinkbecher.

»Er wird dem Neger zeigen, was ihm passt!«, protestierte die Frau, aber Matthew dachte bereits Ähnliches.

Wir erwarten einen Mann, den ich möglicherweise für unsere Herrald Vertretung anheuern werde, hatte Greathouse gesagt.

Bis dahin hatte Matthew davon noch nichts gehört. Zed einstellen? Einen Sklaven, der lediglich ein paar Brocken Englisch verstand und kein einziges Wort von sich geben konnte? Greathouse brauchte hier keinen Brandy zu kaufen, denn er hatte einen reichlichen Vorrat an hirntötendem Gebräu in seinem Zimmer in Mary Belovaires Gasthaus.

Als Greathouse den Tresen fast erreicht hatte, wichen ihm Bonehead und Baiter wie zwei vorsichtige Wölfe aus. Matthew stand auf, befürchtete eine plötzliche Schlägerei. »Meint Ihr nicht, dass wir …?«

»Hinsetzen«, gab Greathouse mit fester Stimme und einem schnellen Warnblick zurück. »Achtet auf Eure Manieren, wir befinden uns in guter Gesellschaft.«

Gute Gesellschaft am Arsch, dachte Matthew. Zögernd setzte er sich wieder hin.

Die beiden Dockarbeiter schlichen näher. Greathouse beachtete sie nicht. Nack rieb sich die Augen und blinzelte in Richtung der hünenhaften schwarzen Gestalt an der Tür.

»Einen Brandy«, sagte Greathouse. »Euren besten, bitte.«

Skelly bewegte sich nicht.

»Ich zahle«, sagte Greathouse kühl und ruhig, »für einen Brandy.« Er griff in seine Tasche, holte eine Münze heraus und warf sie in den Schlitz der Geldkassette, die auf der Theke stand.

»Na los«, meldete Baiter sich finster zu Wort. »Lasst ihn schon was trinken und das schwarze Tier hinausschaffen, und dann sollen sie doch zur Hölle fahren.«

Greathouse ließ die Augen des störrischen Wirts keinen Moment aus dem Blick. »Genau«, sagte er.

Plötzlich lächelte Skelly, und es war kein erquicklicher Anblick: Er entblößte schwarze, abgebrochene Zähne, und es war ein Lächeln, als versuchte der Teufel, sich einen Heiligenschein zu verpassen. Matthew spürte in dem schrecklichen Lächeln, wie die gefährliche Spannung im Schankraum anstieg, als spannte jemand einen Bogen zum Schuss eines bösartigen Pfeils.

»Aber sicher, Sir, aber sicher doch!«, sagte Skelly und drehte sich um, nahm einen Becher vom Regal und entkorkte eine Flasche des üblichen widerwärtigen Brandys. Mit weit ausholender Geste schenkte er ein und knallte den Becher vor Greathouse hin. »Bitte sehr, Sir. Nun trinkt!«

Stattdessen schätzte Greathouse mit einem Blick seinen Abstand zu Bonehead, Baiter und zwei sich langsam nähernden Hafenarbeitern ab. Die drei gut gekleideten Gentlemen waren aufgesprungen, sogen an ihren Pfeifen und sahen aufmerksam zu. Trotz Greathouses Anweisung stand Matthew wieder auf. Er sah, dass selbst der Sklave sich einsatzbereit duckte – aber wie dieser Einsatz aussehen sollte, konnte Matthew sich nicht vorstellen.

Greathouse streckte die Hand aus und umschloss den Becher mit den Fingern.

»Moment noch, Sir«, sagte Skelly. »Wolltet Ihr nicht den besten Tropfen haben? Erlaubt mir, ihn Euch zu versüßen.« Und damit streckte er den Kopf vor und ließ einen abstoßenden braunen Spuckefaden in den Brandy fallen. »Bitte schön, Sir«, sagte er, wieder mit dem teuflischen Grinsen. »Und jetzt trinkt oder gebt es dem Neger.«

Greathouse starrte den Becher an. »Hm«, machte er. Seine linke Augenbraue, die mit der Teetassennarbe, begann zu zucken. Er schwieg. Bonehead fing an zu lachen und die Frau gackerte. Dippen Nack griff nach seiner Wachtmeisterlaterne und dem schwarzen Schlagstock, versuchte aufzustehen, aber mangels eines dritten Arms blieb ihm der Erfolg versagt.

»Hm«, machte Greathouse wieder und betrachtete den Schaum, der auf dem Brandy trieb.

»Na los, trinkt«, wiederholte Skelly. »Geht so geschmiert runter wie Scheiße, stimmt’s, Jungs?«

Immerhin stimmte ihm niemand zu.

Greathouse ließ den Becher los. Er starrte Skelly in die Augen. »Ich befürchte, Sir, dass der Durst mich verlassen hat. Entschuldigt die Störung. Ich möchte nur meine Münze wiederhaben, denn meine Lippen haben von Eurem … besten Tropfen nicht gekostet.«

»Nein, Sir!« Das Lächeln verschwand, als hätte es jemand weg geohrfeigt. »Ihr habt den Brandy gekauft! Das Geld bleibt da, wo es ist!«

»Aber ich habe keinerlei Zweifel daran, dass Ihr den Brandy zurück in die Flasche gießen könnt. Was Ihr sicher oft tut, wenn Eure Gäste ihre …...