Was kostet Kunst? - Kunst einordnen, bewerten und taxieren

von: Daniela Baumberg, Dirk Boll, Henrik Hanstein, Christian Knebel, Dr. Florian Mercker, Andreas Schalhorn, Wolfram Völcker, Isabel von Klitzing u.a., Wolfram Völcker

Hatje Cantz Verlag, 2011

ISBN: 9783775731423 , 152 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 9,99 EUR

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    Das Rätsel eines Tages und andere surreale Geschichten
    Art for Sale - A Candid View of the Art Market
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Mehr zum Inhalt

Was kostet Kunst? - Kunst einordnen, bewerten und taxieren


 

Christian Knebel

Navigation im Datendschungel

Segmentierung des Kunstmarktes, Vergleichswerte und Preistrends

Jeder Akteur im Kunstmarkt – egal ob kunstverliebter Sammler oder geldgetriebener Spekulant – kommt früher oder später zur Frage des Preises für ein Kunstwerk. Welche Faktoren des Kunstwerkes nun dessen Wert bestimmen, erklären die nachfolgenden Artikel dieses Sammelbandes ausführlich. Nur mit dem Blick auf ein Werk kann man allerdings nicht dessen vollständigen Marktwert bestimmen. Hierzu ist es vielmehr notwendig, sich den Zustand des Kunstmarktes an sich und auch die Preise vergleichbarer Werke anzuschauen.

Unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe

Warum braucht man überhaupt Informationen über (Vergleichs-)Preise auf dem Kunstmarkt, um ein einzelnes Kunstwerk korrekt bewerten zu können? Die Preisbildung für ein Kunstwerk basiert auf drei Säulen:

Die sich auf das Kunstwerk und dessen Zustand beziehenden Faktoren sowie jene, die durch den Künstler und kunsthistorische Aspekte erklärt werden, sind in diesem Sammelband umfassend erläutert. Es gibt allerdings allgemeine Faktoren, wie zum Beispiel die gesamtwirtschaftliche Lage, Geschmäcker und Präferenzen, die Kunstmarktsituation und die Preise von vergleichbaren Werken, die auch eine Rolle in der Bewertung spielen.

Bei der gesamtwirtschaftlichen Lage besagt der Stand der Forschung aktuell, dass Kunstmärkte mit einem Zeitversatz von drei bis sechs Monaten auf Schwankungen an den Aktien- und Immobilienmärkten reagieren. Schwieriger sind diese Erkenntnisse in Bezug auf die Stärke dieser Parallelbewegungen zu beurteilen. Es ist nicht klar, ob der Kunstmarkt entsprechenden Einbrüchen ebenbürtig stark folgt oder ob sich hier durch den zeitlichen Abstand eine Beruhigung oder eine Überreaktion einstellt. Dies scheint vielmehr durch weitere überlagernde Effekte bestimmt zu werden, die bisher noch kein Forscher systematisch erfasst hat.

Unter dem Stichwort »Geschmäcker und Präferenzen« ist dem Paradigma des Homo oeconomicus folgend festzuhalten, dass ein Kunstwerk nach vier ökonomischen Nutzendimensionen bewertet wird. Es gibt dabei materielle und immaterielle Nutzendimensionen:

1. Der materielle Wert wird zuerst einmal durch den Aufwand bei der Produktion des Werkes bestimmt. Auch dieser Wert kann bei einzelnen Kunstwerken bereits immense Summen erreichen, wenn man sich die aufwendigen Produktionsschritte vor Augen führt.

2. Ebenfalls ist der materielle Wert durch den finanziellen Profit bestimmt, den man mit dem Werk erzielen kann. Hierbei kann es zum einen um die Wertaufbewahrung gehen, um sich zum Beispiel ähnlich wie bei Gold oder Immobilien vor Inflation zu schützen. Aber auch der Spekulationsnutzen ist nicht zu verachten, denn mit dem richtigen Gespür für aufstrebende Kunstgattungen oder Künstlergruppen lassen sich innerhalb weniger Jahre große Dividenden erzielen.

3. Es existieren aber auch immaterielle Faktoren, die den Wert eines Kunstwerkes bestimmen können. Beim Konsumnutzen nimmt man an, dass der Besitzer eines Kunstwerkes beim Betrachten eine »ästhetische Dividende« erfährt und allein diesem Erlebnis einen Wert beimisst. Die Höhe der Wertschätzung hängt dabei immens von den eigenen Präferenzen für Stilrichtungen, Farben oder Formen ab. Die ästhetische Dividende ist zusätzlich auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Kunsterfahrungen zu evaluieren. Kunstgenuss entsteht erst durch häufiges Betrachten von Kunst und mit steigendem Bildungsniveau.

4. Ein weiterer immaterieller Faktor ist der Statusnutzen von Kunst. Dieser Aspekt zielt auf den Besitz von Kunst ab, wenn man damit seinen sozialen oder ökonomischen Status in der Gesellschaft darstellen kann. Damit wird Kunst zum Kommunikations- und Ausdrucksmittel für das persönliche Selbstbild.

Insgesamt sind die Bewertungsmaßstäbe für Kunst – egal ob auf Aspekte des Künstlers, des Kunstwerkes oder der allgemeinen Marktlage bezogen – schwer zu beurteilen und zu messen. Auf der Suche nach greifbaren Informationen wird man also zwangsläufig auch die Marktsituation zu Rate ziehen wollen.

Kunstmarkt und Akteure

Um im Dschungel an Informationen zum Kunstmarkt Durchblick zu bekommen ist es hilfreich, sich zuerst die verschiedenen Segmente desselben anzuschauen. Hier halten sich die Ökonomen an die von David Throsby entwickelte Markthierarchie: Auf dem Primärmarkt tummeln sich als Käufer und Verkäufer hauptsächlich Privatpersonen, die keinen professionellen Handel mit Kunst betreiben. Als Anbieter findet man Künstler, die ihre Werke auf kleinen Kunstmärkten, Flohmärkten oder direkt aus dem Atelier verkaufen.

Es ist schwer, hier gehandelte Stücke von Dekorationsartikeln oder kunsthandwerklichen Erzeugnissen zu unterscheiden, da oft die künstlerische Qualität nicht stimmt. Das Angebot an Stücken auf dem Primärmarkt ist nahezu unendlich, was dazu führt, dass die Verkaufspreise sehr nah an den Produktionskosten für das jeweilige Werk liegen. Die Produktionskosten können dabei trotzdem sehr unterschiedlich sein: Kleine Aquarelle sind für unter 50 Euro und in kürzester Zeit zu produzieren; aufwendige Metallskulpturen erfordern da schon einen langwierigen Herstellungsprozess und auch einen deutlich höheren Material- und Werkzeugeinsatz und können leicht 1000 Euro übertreffen. Durch das Überangebot herrscht eine sehr große Konkurrenz. Trotz der zu vermutenden Größe des Primärmarktes ist es unmöglich, Aussagen über das genaue Transaktionsvolumen oder die realisierten Preise zu treffen, da die Käufe unbeobachtet bleiben. Es existieren nur grobe Schätzungen, dass im Jahr 2005 circa 80 Prozent des weltweiten Kunsthandels von circa 20 bis 30 Milliarden US-Dollar auf den Primärmarkt entfallen sind. Einen weiteren groben Anhaltspunkt kann allerdings eine Statistik des Hauses Artprice geben, die die Verteilung der Verkaufspreise am Kunstmarkt aufzeigt:1

Hier kann man deutlich erkennen, dass die Hälfte der Transaktionen auf dem sichtbaren Kunstmarkt den Wert von 1000 Euro nicht übersteigt. Der Gesamtkunstmarkt besteht also zu einem großen Teil aus finanziell geringwertigen Transaktionen. Durch das Internet hat der Primärmarkt in letzter Zeit noch an Gewicht gewonnen, da dort Transaktionen zwischen Privatpersonen deutlich erleichtert werden und auch durch entsprechende Marktplätze Unterstützung finden.

Der Sekundärmarkt ist in regionalen oder nationalen Clustern organisiert. Die Anbieter sind hier vorrangig organisierte Galerien oder Händler, die sich auf einige Künstler, spezielle Kunstgattungen oder Stilrichtungen spezialisiert haben. Käufer sind sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen und kleine Museen. Das Angebot auf dem Sekundärmarkt ist begrenzt. Die angebotenen Stücke können allerdings gut substituiert werden, das heißt der Käufer findet Alternativen am Markt, die seinem Kaufwunsch entsprechen. Daher spricht man hier von einem Markt mit monopolistischer Konkurrenz. Preise werden oft anhand einfacher Heuristiken, wie zum Beispiel Höhe mal Preis mal Multiplikator, ermittelt, was später noch genauer erläutert wird. Auf dem Sekundärmarkt treten erstmals Mittelsmänner auf (Galerien, Kunsthändler, Berater), die zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager für ein Kunstwerk vermitteln und auch daran verdienen. Es wird geschätzt, dass weltweit mehr als 70000 Händler und Galerien existieren. Davon sind wiederum circa 4000 für einen Umsatzanteil von 75 Prozent verantwortlich. Ein Kern von ungefähr 1000 Händlern und Galerien hingegen dominiert den Sekundärmarkt mit einem Umsatzanteil von nahezu 50 Prozent. Der gleichen Studie kann man entnehmen, dass 2006 ein Umsatz von circa 22,5 Milliarden Euro auf alle Kunsthändler entfallen sein soll. Man kann allerdings auch an der Art der Daten erkennen, dass sich die hier erhobenen Fakten fast ausschließlich auf Umfragen beziehen und daher mit Vorsicht zu genießen sind. In der Regel sind die Transaktionen auf dem Sekundärmarkt ebenfalls nicht für unbeteiligte Dritte beobachtbar.

Der Tertiärmarkt ist der Kunstmarkt, von dem man klassischerweise in der Presse liest: international agierende Auktionshäuser, Händler und Galerien. Hier werden Kunstwerke bekannter Künstler gehandelt, die sowohl kunsthistorisch relevant sind als auch den allseits bekannten Kunstgattungen und Stilrichtungen entsprechen. Die Akteure auf dem Tertiärmarkt sind die ebenfalls aus der Presse bekannten Gesichter. Wohlhabende Sammler, große Museen beziehungsweise deren Direktoren und das Who’s who des Kunstmarktes treffen sich zu den alljährlich wiederkehrenden Veranstaltungen in New York, London, Paris, Basel, Miami und so weiter. Transaktionen werden nahezu immer durch Profis arrangiert, die als Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage agieren und dafür auch entsprechend entlohnt werden. Das Angebot auf diesem Markt ist klar begrenzt, und es besteht fast keine Substituierbarkeit der Stücke, das heißt ein Interessent für ein spezielles Werk ist genau auf dieses Werk konzentriert und wird keine Alternative in Betracht ziehen. Es handelt sich um einen Markt, auf dem der Anbieter eines Werkes ein Monopol besitzt und dementsprechend auch die monopolistischen Preise im oberen Bereich rangieren. Preise werden hier durch sogenannte »Setzung« festgelegt, das heißt der Anbieter (Monopolist) setzt den gewünschten Kaufpreis als Wertbehauptung in den Markt und hofft auf einen...