Der Seefalke - Sabatinis Piratenromane III. Sabatinis Piratenromane III

von: Rafael Sabatini

Unionsverlag, 2015

ISBN: 9783293306509 , 348 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Der Seefalke - Sabatinis Piratenromane III. Sabatinis Piratenromane III


 

1 


Der Schurke

Sir Oliver Tressilian saß behaglich in dem hohen Speisesaal seines schönen Hauses zu Penarrow. Er verdankte es dem Unternehmungsgeist seines Vaters sowie der Geschicklichkeit und Erfindungsgabe eines italienischen Ingenieurs, der vor einem halben Jahrhundert als Mitarbeiter des berühmten Messer Torrigiani nach England gekommen war.

Dieses Haus, dessen italienische Anmut so sehr von dem abgelegenen Winkel Cornwalls abstach, verdient ebenso wie die Geschichte seiner Entstehung ein kurzes Wort.

Bagnolo, der Baumeister, der mit seinem künstlerischen Talent Streitsucht und wilde Launen verband, hatte das Missgeschick, in einer Southwarker Schenke einen Mann im Zank zu erstechen. Er floh aus der Stadt und machte nicht eher halt, als bis er an der äußersten Spitze Englands angelangt war. Es ist nicht bekannt, wie er den älteren Tressilian kennenlernte. Aber dieses Zusammentreffen erfolgte für beide Teile zur rechten Zeit. Ralph Tressilian, der eine merkwürdige Vorliebe für Schurken aller Art hatte, bot dem Flüchtling Unterschlupf, und Bagnolo vergalt es ihm, indem er sich erbot, den halb verfallenen Ziegelbau zu Penarrow neu zu errichten. Er ging mit der ganzen Begeisterung eines wahren Künstlers ans Werk und schuf für seinen Beschützer einen Ansitz, ein anmutiges Wunder in rauer Zeit und in einem abgelegenen Bezirk. Unter der Leitung des begabten Italieners erhob sich ein edles zweistöckiges Herrenhaus von saftig rotem Backstein, dessen hohe, geteilte Fenster eine Flut von Licht und Sonnenschein einließen, reichten sie doch fast vom Erdboden bis unter das Dach, die pilastergegliederte Fassade belebend. Der Haupteingang war in einen vorspringenden Flügel verlegt, gedeckt durch einen wuchtigen Balkon; ein von Pfeilern getragener Giebel krönte das Ganze. Ein Mantel grüner Schlinggewächse hüllte einen Teil des Hauses ein. Über den roten Dachziegeln stiegen kräftige Rauchessen in den Himmel.

Doch den Ruhm von Penarrow, des neuen Penarrow, das der fruchtbare Geist Bagnolos geschaffen, bildete der Garten, den er aus wüster Wirrnis um das alte Haus auf der Höhe oberhalb Penarrow Point hervorgezaubert hatte. Natur und Zeit trugen zu seinem Werk ihr Teil bei. Bagnolo hatte die schönen Grasplätze ausgezirkelt und die edlen Balustraden errichtet, die drei Terrassen mit verbindenden Treppenfluchten einrahmten. Er selbst hatte die Fontäne entworfen und mit eigener Hand den steinernen Faun gemeißelt, der sie bewachte, hatte selbst das Dutzend marmorner Nymphen und Waldgötter gebildet, deren Gestalten aus dem dunklen Grün hervorschimmerten. Zeit und Natur aber hatten die Wiesen zu samtener Glätte gesänftigt, die hübschen Buchseinfassungen üppig gedeihen und die dunklen speerscharfen Pappeln aufstreben lassen, die dem Cornwaller Ansitz ein so italienisches Gesicht verliehen.

Sir Oliver genoss diesen Anblick behaglich von seinem Speisesaal aus, freute sich der milden Septembersonne und fand das Leben sehr lebenswert, teils aus Optimismus, teils aus anderen Ursachen. Deren erste – er mag sich ihrer am wenigsten bewusst gewesen sein – war seine Jugend, dann sein Reichtum und seine gute Verdauung; ferner hatte er Ehre und Ruhm sowohl auf dem spanischen Festland sowie erst kürzlich bei der Vernichtung der unüberwindlichen Armada gewonnen und in seinem fünfundzwanzigsten Jahre von der jungfräulichen Königin den Ritterschlag empfangen; und drittens trug zu seiner vergnügten Stimmung – ich habe diesen Grund als wichtigsten für zuletzt aufgespart – Gott Amor bei, der eitel Wohlwollen vortäuschte und die Dinge so gelenkt hatte, dass Sir Olivers Werbung um Fräulein Rosamunde Godolphin einen glücklichen, ungetrübten Verlauf zu nehmen schien.

So saß denn Sir Oliver behaglich in seinem hohen geschnitzten Stuhl, das Wams aufgeknöpft, die langen Beine ausgestreckt, ein gedankenvolles Lächeln um die festen Lippen, die ein schmaler dunkler Schnurrbart überschattete. (Lord Henry überliefert uns sein Bild aus viel späterer Zeit.) Es war Mittag, er hatte soeben gespeist; Gedeck, Speisereste und die halb geleerte Flasche standen neben ihm auf dem Tisch. Aus einer langen Pfeife schmauchend – er huldigte dieser neuen Sitte –, träumte er von seiner Herrin. Er fühlte sich dem Schicksal gegenüber geziemend dankbar, dass es ihm gestattete, seiner Rosamunde einen adeligen Namen und Kriegsruhm in den Schoß werfen zu können.

Sir Oliver besaß von Natur aus Scharfsinn (»verschlagen wie zwanzig Teufel« meinte Lord Henry) und eine durchaus nicht unbedeutende Bildung. Jedoch weder sein Mutterwitz noch seine erworbenen Talente schienen ihn gelehrt zu haben, dass es keine spöttischere und boshaftere Gottheit gebe als Cupido, zu dessen Ehre er jetzt den Weihrauch seiner Pfeife aufsteigen ließ. Die Alten kannten den unschuldig dreinschauenden Knaben als grausamen, boshaften Schelm und misstrauten ihm. Sir Oliver war diese weise Erkenntnis der Antike entweder fremd, oder aber er kehrte sich nicht daran. Sie sollte ihm erst durch böse Erfahrung bekannt werden.

Jetzt, während er heiter in den Sonnenschein hinausblickte, legte sich ein Schatten über die Terrasse. Ein Sinnbild des Schattens, der auf den Sonnenschein seines Lebens fiel.

Dem Schatten folgte seine körperliche Ursache, eine Gestalt, groß und schmuckfroh gekleidet unter einem breiten schwarzen, spanischen Hut, den blutrote Federn deckten. Einen langen, bändergeschmückten Stock schwingend, schritt sie an den hohen Fenstern vorbei, bedächtig wie das Schicksal.

Das Lächeln erstarb Sir Oliver auf den Lippen. Sein gebräuntes Gesicht wurde nachdenklich, die schwarzen Brauen zogen sich zusammen, bis eine einzige tiefe Falte steil dazwischenstand. Dann kehrte das Lächeln langsam wieder, aber nicht mehr das nachdenklich-sanfte Lächeln von vorher. Jetzt war es ein entschlossenes, bestimmtes Lächeln, das die Lippen zusammenpresste, selbst als die Brauen sich wieder glätteten, und in seine Augen trat ein spöttischer, verschlagener und fast bösartiger Ausdruck.

Da erschien schon sein Diener Nikolas, um Herrn Peter Godolphin zu melden; dem Lakaien folgte, auf den bebänderten Stock gestützt, seinen Hut in der Hand, Herr Godolphin selber. Er war groß, schlank, glatt rasiert, gut aussehend, mit hochmütiger Miene. Gleich Sir Oliver hatte er eine hochrückige kühne Nase; dem Alter nach mochte er um zwei bis drei Jahre jünger sein. Sein kastanienbraunes Haar trug er etwas länger, als die damalige Mode es vorschrieb, doch sein ganzer Aufzug zeigte nicht mehr Geckenhaftigkeit, als sie bei einem jungen Herrn seines Alters schicklich war. Sir Oliver erhob sich und neigte sich zur Begrüßung. Eine Wolke von Tabakrauch geriet seinem anmutigen Besucher in die Kehle und machte ihn husten und das Gesicht verziehen. »Oh«, würgte er hervor, »wie ich sehe, habt Ihr diese gemeine Gewohnheit angenommen.«

»Ich kenne gemeinere«, sagte Sir Oliver gelassen.

»Das will ich nicht bezweifeln«, erwiderte Herr Godolphin und ließ solchermaßen bald Schlüsse auf seine Laune und den Zweck seines Besuches zu.

Sir Oliver unterdrückte eine Entgegnung, die seinem Besucher zur Erreichung seines Zieles dienen mochte. Dies war keineswegs seine Absicht. »Ich hoffe daher, dass Ihr«, er lächelte ironisch, »Nachsicht mit Mängeln üben wollt. Nick, einen Stuhl für Herrn Godolphin und ein Glas! Ich heiße Euch auf Penarrow willkommen.«

Ein höhnisches Lächeln flackerte über das weiße Gesicht des Jüngeren. »Ihr erweist mir eine Ehre, Herr, die zu erwidern ich, fürcht ich, nicht in der Lage bin.«

»Dazu ist Zeit, wenn ich darum bitten werde«, meinte Sir Oliver mit gut gespielter Leichtigkeit.

»Wenn Ihr darum bitten werdet?«

»Um die Gastfreundschaft Eures Hauses«, erklärte Sir Oliver.

»Just über diese Angelegenheit möcht ich mit Euch sprechen.«

»Wollt Ihr nicht Platz nehmen?«, lud Sir Oliver ihn ein und wies mit der Hand auf den Stuhl, den Nikolas herbeigerückt hatte.

Herr Godolphin ließ die Aufforderung unbeachtet. »Ihr wart, hörte ich, gestern auf Godolphin Court.« Er hielt inne, dann, als Sir Oliver nichts entgegnete, fuhr er hartnäckig fort: »Ich bin gekommen, um Euch mitzuteilen, dass wir auf die Ehre Eures Besuchs gern Verzicht leisten.«

Bemüht, seine Selbstbeherrschung vor einem so unmittelbaren Angriff zu bewahren, wurde Sir Oliver unter seiner Bräune ein wenig bleich. »Ihr werdet verstehen, Peter«, versetzte er langsam, »dass Ihr zu viel gesagt habt, wenn Ihr nicht noch etwas hinzufügt.« Er schwieg einen Augenblick, sah seinen Besucher an. »Hat Rosamunde Euch nicht gesagt, dass sie mir gestern die ehrenvolle Zusage gab, meine Gattin werden zu wollen …«

»Sie ist ein Kind, das nicht weiß, was es will«, fiel der andere ihm ins Wort.

»Wisst Ihr einen hinlänglichen Grund, warum sie ihren Willen geändert haben sollte?«, fragte Sir Oliver leicht herausfordernd.

Herr Godolphin setzte sich, kreuzte die Beine und legte den Hut auf sein Knie. »Ich weiß deren ein Dutzend«, erwiderte er. »Aber ich brauche sie gar nicht geltend zu machen. Es mag genügen, Euch daran zu erinnern, dass sie erst siebzehn ist und dass ich und Sir John Killigrew ihre Vormünder sind. Weder Sir John noch ich werden dieser Verlobung unsere Zustimmung geben.«

»Herrgott!«,...