Das Zauberwasser - Karl May´s Gesammelte Werke Band 48

von: Karl May

Karl-May-Verlag, 2013

ISBN: 9783780215482 , 495 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Das Zauberwasser - Karl May´s Gesammelte Werke Band 48


 

"AN DEN UFERN DER DWINA (S. 268-269)

Diamanten

Es war das prächtigste Haus von Ustjug Weliki1, das die alte fromme Gräfin Briatoff mit ihrer schönen Toch- ter Paulowna bewohnte, und die gediegene Einrichtung dieses gräflichen Hauses war ganz geeignet, ein sprechendes Zeugnis von dem unerschöpflichen Reichtum der beiden Damen zu geben. Der Sommer neigte sich zur Rüste und der Herbst begann mit seinem Früchtesegen die Äste und Zweige der Obstbäume zu beschweren, sodass sie sich tief herab zur Erde beugten und, um nicht zu brechen, fester Stüt- zen bedurften. Paulowna erging sich in den Laubwegen des hinter dem Haus gelegenen Gartens.

An ihrer Seite schritt ein Mann, der sich bemühte, sie mit einem ange- legentlichen Gespräch zu fesseln. Er mochte in den Dreißigerjahren stehen, war groß, kräftig und schlank gebaut, hatte eine Adlernase, einen etwas scharfen Blick, eine hohe, breite Stirn, frische volle Lippen, aber er machte keinen angenehmen Ein- druck. Man konnte sich nicht klar werden, ob ein gewis- ser allzu stark hervortretender Zug des Bewusstseins geistiger Überlegenheit oder ein nicht zu verkennender Ausdruck von Spott oder ein zugleich lauernder und durchbohrender Blick der schwarzen Augen seinem Gesicht etwas Unbehagliches, ja fast Unheimliches verlieh.

Es war der Oberst Graf Milanow, von dem man sich erzählte, er sei ein Günstling des Zaren, aber in seinen Vermögensverhältnissen so zerrüttet, dass er Mühe habe, sich dem Drängen seiner unzähligen Gläubiger zu entziehen. Wäre seine fromme Tante, die Gräfin Briatoff, ohne Erbin gewesen, so hätte ihm deren Hinterlassenschaft einst zufallen müssen; da dieser Weg der Rettung ihm aber nicht zu Gebote stand, so befand er sich gegenwär- tig auf Urlaub bei ihr, um seinem Glück auf eine andere Weise unter die Arme zu greifen:

Er bemühte sich, Pau- lowna zu erklären, dass er ohne sie und ihre Gegenliebe nicht zu leben vermöge. Sie hatte ihr kleines, weißes Händchen auf seinen Arm gelegt und hörte ihn mit einer Miene an, die so still, so unbeweglich war, dass man hätte meinen sollen, der Gegenstand ihres Gesprächs sei ein so alltäglicher, dass es sich nicht der Mühe verlohne, darüber auch nur eine Wimper zu zucken. „Wie gesagt, teures Cousinchen, ich sterbe vor Begierde, dich als mein ewiges Eigentum betrachten zu dürfen. Soll ich mit Mama sprechen?“ „Sage vorher, mein teurer Cousin, wie viele Minuten die Ewigkeit eines Offiziers zu dauern pflegt?“

„Du scherzt bei einer so hochwichtigen Veranlassung, Paulowna?“ „Sind deine Ewigkeiten wirklich so sehr wichtig? Mir scheinen sie, aufrichtig gestanden, weniger wertvoll. Ich kenne dein bewegtes Leben am Hof und fühle in mir nicht die geringste Begabung für das Interessante und Abenteuerliche. Ich werde deinen Liebhabereien nie genügen können und trete das Glück, das du mir bietest, an eine Würdigere ab.“ „Ist dies dein endgültiger Entschluss, Paulowna?“ „Mein endgültiger. Es wäre mir lieber gewesen, du hättest ihn erraten, statt mich zu dieser Äußerung zu ver- anlassen.“ Er antwortete nicht, aber aus seinen dunklen Augen zuckte ein drohender, wenngleich von ihr nicht bemerk- ter Blitz auf sie hernieder."