Winnetou III - Karl May´s Gesammelte Werke Band 9

von: Karl May

Karl-May-Verlag, 2001

ISBN: 9783780217097 , 559 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 6,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Winnetou III - Karl May´s Gesammelte Werke Band 9


 

16. Wieder am Nugget Tsil Winnetou tot! (S. 427-428)

Diese beiden Worte genügen, um die Stimmung zu kennzeichnen, in der ich mich damals be- fand. Es war, als könnte ich mich von seinem Grab gar nicht trennen. In den ersten Tagen saß ich schweigend daneben und sah dem Treiben der Menschen zu, die an der neuen Niederlassung arbeiteten. Ich sage, ich sah zu, eigentlich aber sah ich nichts. Ich hörte ihre Stimmen und dennoch hörte ich nichts. Ich war geistesabwesend.

Mein Zustand glich dem eines Mannes, der einen Hieb auf den Kopf bekommen hat und, nur halb betäubt, alles wie von weitem vernimmt und alles wie durch eine mattgeschliffene Glasscheibe sieht. Es war ein wahres Glück, dass die Ro- ten unsere Spur nicht gefunden hatten und unseren der- zeitigen Aufenthalt nicht entdeckten. Ich war jetzt nicht der Mann, es mit ihnen aufzunehmen. Oder wäre es viel- leicht doch möglich gewesen, dass mich eine solche Ge- fahr aus meiner Selbstversunkenheit aufgerüttelt hätte? Vielleicht! Die guten Leute gaben sich Mühe, mir Teilnahme für ihr Tun und Treiben abzugewinnen, aber der Erfolg trat nur langsam ein. Es verging eine halbe Woche, bis ich mich aufraffte und ihnen bei der Arbeit half.

Die wohltätige Wirkung ließ dann allerdings nicht auf sich warten. Man musste mir zwar noch jedes Wort abkaufen, doch stellte sich die alte Tatkraft wieder ein und ich war bald wieder der, nach dessen Rat und Ansicht sich die anderen richte- ten. Das währte zwei Wochen, dann sagte ich mir, dass ich nicht länger bleiben dürfe. Das Testament des Freundes zog mich fort, zum Nugget Tsil, wo wir Intschu tschuna und seine schöne Tochter Nscho-tschi begraben hatten. Auch war es meine Pflicht, zum Rio Pecos zu reiten und die Apatschen vom Tod des berühmtesten und besten ih- rer Häuptlinge zu unterrichten.

Zwar wusste ich, wie schnell die Kunde von einem solchen Ereignis über die Prärie zu laufen pflegt – sie konnte schon vor mir dort eintreffen –, doch ich musste trotzdem selber hin, weil ich als Augenzeu- ge der traurigen Begebenheit der sicherste Berichterstatter war. Die Ansiedler brauchten mich nicht notwendig, und wenn sie ja einen erprobten Westmann nötig hatten, so konnten sie sich an Spürauge wenden, der entschlos- sen war, einige Zeit bei ihnen zu bleiben. Es gab einen kurzen, herzlichen Abschied. Dann trat ich auf meinem Schwarzschimmel, der sich gut ausgeruht hatte, den weiten Ritt an.

Ein anderer an meiner Stelle wäre wohl bemüht gewe- sen, auf seinem Weg recht viele Punkte zu berühren, wo es Menschen gab. Ich dagegen mied nach Möglichkeit solche Orte. Ich wollte mit meiner Trauer allein sein. Dieser Wunsch wurde mir bis zum Beaver Creek des Nord-Canadian erfüllt, wo ich ein gefährliches Zusammen- treffen mit dem Komantschenhäuptling To-kei-chun, der mir schon seit langem feindlich gesinnt war, hatte. Wäh- rend wir uns im Norden mit den Sioux herumgeschlagen hatten, war im Süden von den Komantschen wieder ein- mal das Kriegsbeil ausgegraben worden und To-kei-chun hatte sich mit siebzig Kriegern zum Makik-Natun1 aufge- macht, um dort an heiliger Stätte bei den Häuptlings- gräbern den Kriegstanz aufzuführen und die ‚Medizin‘ zu befragen. Dabei waren ihm mehrere Weiße in die Hände gefallen, die am Marterpfahl sterben sollten. Es gelang mir aber, sie ihm zu entreißen. Dieses Erlebnis übergehe ich jedoch hier, weil es in keiner Beziehung zu Winnetou steht, und werde es bei einer späteren Gelegenheit erzählen.