Star Wars? Der Vergessene Stamm der Sith - Storys

von: John Jackson Miller

Blanvalet, 2013

ISBN: 9783641110468 , 512 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Star Wars? Der Vergessene Stamm der Sith - Storys


 

1. Kapitel


5000 JAHRE VOR DER SCHLACHT VON YAVIN

»Lohjoy! Geht denn hier gar nichts?« Captain Korsin rappelte sich in der Dunkelheit auf und reckte den Hals, um das Hologramm anzustarren. »Triebwerke, Lageregelung … ich gebe mich sogar mit den Landedüsen zufrieden!«

Ein Raumschiff ist eine Waffe, doch tödlich wird sie erst durch die Besatzung. Eine alte Raumfahrer-Weisheit – abgedroschen, ja, aber sie hinterließ genug Eindruck, dass sie einem eine gewisse Autorität verschaffte. Korsin hatte selbst gelegentlich darauf zurückgegriffen. Heute jedoch nicht. Sein Schiff war schon von Natur aus tödlich – und seine Besatzung nicht mehr als eine Beigabe.

»Wir haben aber nichts mehr in der Hinterhand, Captain!« Die schlangenhaarige Ingenieurin Lohjoy flackerte vor dem Schiffskapitän auf. Der Ton war nicht synchron zum Bild, und die Darstellung war unscharf. Korsin wusste, dass die Lage unter Deck bescheiden sein musste, wenn sein wackeres, geradliniges Ho’Din-Genie derart außer sich war. »Die Reaktoren sind ausgefallen! Und wir haben Strukturversagen in der Außenhülle, sowohl an achtern als auch …«

Lohjoy kreischte vor Pein. Ihre Kopfranken verwandelten sich in eine Mähne aus Flammen, die sie außer Sicht taumeln ließ. Korsin gelang es kaum, ein erschrockenes Lachen zu unterdrücken. In ruhigeren Zeiten – kaum eine halbe Standardstunde zuvor – hatte er noch darüber gescherzt, dass die Ho’Din zur Hälfte Bäume waren. Allerdings war das kaum angemessen, wenn das ganze Maschinendeck zur Hölle ging. Die Hülle war beschädigt. Schon wieder.

Das Hologramm erlosch – und überall um den gedrungenen Kapitän herum tanzten die Warnleuchten, blinkten und gingen dann aus. Korsin ließ sich wieder in seinen Sessel fallen und umklammerte die Armlehnen. Tja, zumindest der Sitz funktioniert noch. »Ist da jemand? Irgendjemand?«

Schweigen – und das ferne Knirschen von Metall.

»Gebt mir einfach irgendwas, auf das ich feuern kann.« Das war Gloyd, Korsins Geschützoffizier, dessen Zähne in den Schatten schimmerten. Das starre Halbgrinsen war ein Andenken an den Hieb eines Jedi-Lichtschwerts, das dem Houk Jahre zuvor beinahe den Kopf von den Schultern getrennt hätte. Wie als Reaktion darauf hatte Gloyd als Einziger an Bord einen Witz entwickelt, der genauso schneidend war wie der des Kommandanten – allerdings hatte der Schütze heute nur wenig Anlass zu Späßen. Man konnte es förmlich in den winzigen Augen des animalischen Kerls lesen: Im Kampf zu sterben, das ist eine Sache. Aber so abzutreten ist das Letzte.

Korsin machte sich nicht die Mühe, zur anderen Seite der Brücke hinüberzusehen. Dass man ihm von dort aus frostige Blicke zuwarf, war gewiss. Selbst jetzt, wo die Omen außer Gefecht und außer Kontrolle war. »Irgendjemand?«

Selbst jetzt. Korsins buschige Augenbrauen verzogen sich zu einem schwarzen V. Was stimmte mit ihnen nicht? Das Sprichwort stimmte. Ein Schiff brauchte eine Mannschaft, die geschlossen einem gemeinsamen Ziel folgte – bloß, dass das Ziel, ein Sith zu sein, das Ich zu etwas Größerem erhob. Jeder Fähnrich war ein potenzieller Imperator, der Fehltritt jedes Rivalen eine Gelegenheit. Nun, dies ist eine Gelegenheit, dachte er. Wer auch immer uns aus dieser Lage rettet, kann diesen verdammt bequemen Sessel sofort übernehmen …

Sith-Machtspielchen. Allerdings hatte das im Augenblick nicht sonderlich viel zu bedeuten – nicht angesichts der hartnäckigen Anziehungskraft des Planeten unter ihnen. Wieder hob Korsin den Blick zum vorderen Sichtfenster. Die riesige azurblaue Kugel, die man vorhin dort noch sehen konnte, war verschwunden, ersetzt durch Licht, Gas und Trümmer, die nach oben strömten. Er wusste, dass die letzten beiden Dinge aus den Eingeweiden seines eigenen Schiffs stammten, das den Kampf gegen die fremdartige Atmosphäre verlor. Was für ein Planet auch immer dies war, er hatte die Omen jetzt in seinem Griff. Der unkontrollierte Sinkflug aus dem Orbit dauerte lange, überraschend lange. Mehr Zeit, um sich mit dem eigenen Untergang anzufreunden, pflegte sein Vater stets zu sagen. Doch so, wie das Schiff durchgerüttelt wurde, war es durchaus möglich, dass Korsin und seine Mannschaft selbst dieses zweifelhaften Privilegs beraubt werden würden.

»Vergesst nicht«, brüllte er und ließ den Blick zum ersten Mal, seit es angefangen hatte, über seine gesamte Brückenbesatzung schweifen. »Ihr wolltet hier sein!«

Sie wollten tatsächlich hier sein – jedenfalls die meisten von ihnen. Die Omen war das allgemein favorisierte Schiff gewesen, als sich die Sith-Bergbauflottille bei Primus Goluud gesammelt hatte. Die Massassi-Stoßtrupps im Laderaum kümmerte es nicht, wohin die Reise ging – die Hälfte der Zeit wusste ohnehin niemand, was die Massassi dachten, vorausgesetzt, dass sie derlei überhaupt taten. Doch viele Wesen, die in dieser Angelegenheit eine Wahl hatten, hatten sich ganz bewusst für die Omen entschieden.

Saes, der Kapitän der Herold, war ein gefallener Jedi: eine unbekannte Größe. Man konnte einfach niemandem trauen, dem die Jedi nicht trauten, und die trauten immerhin praktisch jedem. Yaru Korsin hingegen kannten die Besatzungsmitglieder. Ein Sith-Captain, der lächeln konnte, war selten genug und erfüllte einen stets mit Argwohn. Korsin jedoch war bereits seit zwanzig Standardjahren dabei – lange genug, dass jene, die unter ihm gedient hatten, die Kunde von seiner Kompetenz verbreiteten. Auf einem Schiff, das unter Korsins Kommando stand, war man auf der sicheren Seite.

Heute allerdings sahen die Dinge anders aus. Voll beladen mit Lignan-Kristallen schickten sich die Herold und die Omen gerade an, Phaegon III den Rücken zu kehren, um die Front anzusteuern, als ein Jedi-Sternenjäger die Verteidigungsvorkehrungen der Bergbauflotte auf die Probe stellte. Während die sichelförmigen Klingen-Jäger dem Eindringling die Stirn boten, traf Korsins Crew die nötigen Vorbereitungen für den Hyperraumsprung. Die Ladung zu schützen hatte oberste Priorität – und wenn es ihnen gelang, sie vor dem Jedi-Abtrünnigen abzuliefern, nun, dann war das kein schlechter Bonus. Sollte die Herold die Klingen-Piloten doch anschließend einsammeln.

Gleichwohl, dummerweise war irgendetwas schiefgegangen. Eine Erschütterung durchlief die Herold, und dann noch eine. Die Sensordaten des Schwesterschiffs wurden widersinnig – und plötzlich steuerte die Herold gefährlich auf die Omen zu. Bevor der Kollisionsalarm auch nur ertönen konnte, aktivierte Korsins Navigator reflexartig den Hyperantrieb. Gerade noch rechtzeitig …

… vielleicht aber auch nicht. Nicht, wenn man bedachte, wie gerade die Systeme der Omen versagten. Sie haben uns erwischt, dachte Korsin. Wären sie imstande gewesen, auf die Telemetriedaten zurückzugreifen, hätten sie das vermutlich bestätigt. Das Schiff war um eine astronomische Winzigkeit vom Kurs abgebracht worden – aber das genügte.

Captain Korsin hatte es noch nie mit einer Gravitationsquelle im Hyperraum zu tun gehabt, was ebenso für seine gesamte Crew galt. Damit Geschichten von solchen Vorfällen die Runde machten, brauchte es Überlebende. Doch es war, als sei unweit der vorbeifliegenden Omen der Weltraum selbst aufgeklafft, um die stählernen Aufbauten des Schiffs durchzukneten wie Spachtelmasse. Das Ganze dauerte bloß einen Sekundenbruchteil, sofern Zeit hier überhaupt existierte. Der Austritt aus dem Hyperraum war sogar noch schlimmer als der Eintritt. Ein ungesundes Bersten, und die Schilde versagten. Schottwände gaben nach – und dann die Waffenkammer.

Die Waffenkammer war explodiert. Das ließ sich aufgrund des gähnenden Lochs im Rumpf des Schiffs ohne Probleme feststellen. Damit war klar, dass die Kammer im Hyperraum hochgegangen war, denn schließlich lebten sie noch. Im Normalraum wären all die Granaten, Bomben und anderen Spielereien, die die Massassi mit nach Kirrek nahmen, mit einer gewaltigen Detonation explodiert, und das Schiff mit ihnen. Stattdessen jedoch war die Waffenkammer einfach verschwunden – zusammen mit einem beeindruckenden Teil des Achterdecks der Omen. Per definitionem war die Physik im Hyperraum unberechenbar. Anstatt nach außen zu explodieren, riss ein seismischer Sog das beschädigte Deck einfach aus dem Schiff. Korsin malte sich aus, wie die hochgehende Munition Lichtjahre hinter der Omen irgendwo den Hyperraum verließ. Das würde irgendwem gehörig den Tag versauen!

Warum sollten eigentlich nur sie leiden …

Die Omen war bebend in den Realraum zurückgekehrt, hatte ruckartig abgebremst – und steuerte geradewegs auf eine blaue Blase zu, die vor einem pulsierenden Stern schwebte. War das vielleicht die Ursache des Masseschattens, der ihre Reise unterbrochen hatte? Aber selbst wenn: Wen kümmerte das? Gleich würde ohnehin alles vorbei sein. Gefangen im Sog der Gravitation, war die Omen über den Kristallozean aus Luft gehüpft und geholpert, bis der Sinkflug richtig einsetzte. Korsin hatte seine Ingenieurin verloren – vermutlich all seine Ingenieure –, doch noch hielt das Kommandodeck stand. Tapanische Handwerkskunst, staunte Korsin. Sie stürzten ab, aber vorerst lebten sie noch.

»Warum ist er nicht tot?«

Halb hypnotisiert von den Flammensäulen, die nach...