Klitoral...vaginal...ganz egal! - Die sogenannten Orgasmusschwierigkeiten und wie Frauen mit ihnen fertig werden.

von: Hanjo Schmidt

Gatzanis, 2011

ISBN: 9783932855214 , 192 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Klitoral...vaginal...ganz egal! - Die sogenannten Orgasmusschwierigkeiten und wie Frauen mit ihnen fertig werden.


 

 

 

Was ist das Problem?


Lust ist etwas sehr eigenes. Wenn man sie aber nur für oder durch einen anderen haben soll, entsteht sehr schnell das eine oder andere Problem.

 

Helga ist mittlerweile Anfang Vierzig und hat trotz aller Anstrengungen noch niemals beim Sex mit einem Partner allein durchs Vögeln einen Orgasmus erlebt. Die attraktive promovierte Archäologin ist dabei alles andere als ein Sexmuffel oder das, was man sich allgemein unter einer frigiden Frau vorstellt, im Gegenteil. Sie interessiert sich sehr für Erotik und Sexualität und redet auch gerne darüber. Auch kennt sie die einschlägigen Hinweise der Psychobücher, wie entspannen etc. Trotzdem klappt's bei ihr nie, ohne daß sie mit der Hand „nachhilft“. Dieses Nachhelfen allerdings kommt ihr vor wie Onanie. Dazu braucht sie jedoch keinen Mann, meint sie, denn das klappt alleine besser und außerdem könnte sie sich so das ganze Beziehungsgezerfe ersparen. Sie möchte den Orgasmus jedoch sehr gerne als Folge des Zusammenseins erleben und nicht nur so, als ob sie eigentlich alleine war. Wozu, so fragt sie sich ständig, all das soziale und emotionale Durcheinander, die ganzen persönlichen Verwicklungen, wenn sie es sich am Ende doch immer selber machen muß.

Dazu kommt, daß sie durch ihre lange Ausbildung, die auch längere Auslandsaufenthalte mit einschloß, bisher noch keine rechte Gelegenheit für eine wirklich intensive und langandauernde Partnerschaft hatte. Ihre diversen Männerbekanntschaften waren alle mehr oder weniger flüchtiger Natur. Einige dieser Männer versuchten sie in gewohnter Weise zu dominieren, was sie nun überhaupt nicht verträgt, oder sie waren, wenn sie denn ihre intellektuellen Fähigkeiten anerkannten, körperlich nicht das, was sie sich vorstellte oder wünschte. So hatte sie im Bett bisher eigentlich nur frustrierende Erlebnisse. Selbst wenn ein Mann bereit war, es ihr mit der Hand zu machen, so traf er nicht die spezielle Art, die sie von sich selbst gewohnt ist. Dann kommt es ihr auch dabei nicht. Oft reiben die Männer verzweifelt an ihrer Klit herum – es muß doch gehen –, und es tut dann nur weh oder ist unangenehm. Jedenfalls führt es zu nichts. Manchmal denkt sie, daß es bei ihr nur deshalb nicht von alleine geht, weil sie die „Handarbeit“ gewohnt ist und sich vielleicht zu sehr auf diese Art fixiert hat. Dann fällt ihr aber wieder ein, daß es früher, in ihrer Jugend, auch nicht funktioniert hat. Mittlerweile ist sie richtig etwas verbittert und fühlt sich von der Natur betrogen. Wenn sie gerade wieder ein frustrierendes Erlebnis hinter sich gebracht hat, kommt ihr auch der Verdacht, daß die Sache mit dem Sex vielleicht doch nur ein Windei sei und daß sie's besser lassen sollte, weil es ihr das, was sie eigentlich will, doch nicht bringt.

Regelrecht als Hohn empfindet sie es, daß ihre Freundin noch nie Probleme mit dem Orgasmus gehabt hat. Der kommt's immer, ohne daß sie auch nur einen Handschlag dazu tut. Zu allem Überfluß ejakuliert sie auch noch fast jedesmal in hohem Bogen. Die Freundin allerdings hat das Problem, daß ihr Mann nicht mit ihr schlafen will, so daß sie von ihrem Glück auch wieder nichts hat. Helga findet das alles sehr absurd und wünscht sich eine Lösung, die wirklich funktioniert.

Unser letztes Treffen, bei dem ich sie zu dem Thema dieses Buches interviewte, war eigentlich recht lustig, denn es fand in einem Restaurant statt und wir mußten gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen, damit die anderen Gäste, die um uns herum saßen nicht aufhorchten. So sprachen wir anscheinend übers Kochen und nannten den Orgasmus „Omelett“, den vaginalen Orgasmus „in der Backröhre“ und den Handgebrauch „mit dem Handmixer“. Das war dann hin und wieder schon sehr komisch und erheiternd. Trotzdem hat mich ihre tiefe Mutlosigkeit und Verzweiflung regelrecht schockiert, und ich war tagelang wie blockiert davon.

Dies also ist das Thema von Orgasmusschwierigkeiten. Natürlich unterscheidet die Sexualwissenschaft zwischen verschiedenen Stufen dieser Erscheinung. Angefangen von totaler Sexunlust bis hin zu gelegentlichen Ausfällen reicht die Skala der Problembeschreibung. Den Extremfall der totalen Sexunlust wollen wir hier ausklammern, denn er ist eine tief in der individuellen Persönlichkeit und ihrer Entwicklungsgeschichte begründete Störung, die einer ebenso individuellen Analyse und Therapie bedarf und daher den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Dies ist, wie gesagt, kein Fachbuch im sexualwissenschaftlichen Sinn, sondern ein Buch für die Mehrheit der Frauen, die mit dem Orgasmus Schwierigkeiten haben.

Ganz eindeutig ist jener Fall, bei dem der Mann ein sexueller Holzkopf ist, nämlich, wenn ihm außer der faden RRR-Methode, also rein-raus-runter, nichts einfällt. Wer einen solch einfältigen Ficker im Bett hat, hat außer seinem Partner wirklich kein Problem. Da hilft nur, ihn entweder nochmals zur Schule zu schicken, in diesem Fall in die nächste Buchhandlung, damit er anhand der einschlägigen Literatur die Grundkenntnisse des Vögelns erlernt, oder aber, sich von ihm zu trennen. Nein, das Problem, das hier behandelt werden, dem hier nachgespürt werden soll, ist komplizierter. Es geht darum, daß die Frauen, und das sind wohl sehr häufig gerade jüngere Frauen, trotz eines liebevollen Partners, der sich wirklich Mühe gibt, es einfach nicht schaffen, sich von vorgegebenen Verhaltensmustern zu lösen und derart loszulassen, daß sie einem Orgasmus eine reelle Chance geben können.

Das Problem läßt sich vielleicht in einem Satz zusammenfassen: die Frau denkt beim Sex an etwas anderes als an ihre Lust, sie ist im Kopf und nicht im Körper. Sie spielt eine Rolle für den Mann, statt sich auf ihre ureigene Lust einzulassen. Wieso?

Zum einen liegt es an dem Bild, das viele Frauen von sich selber haben. Für sie scheint noch immer die Notwendigkeit, einen Mann zu ergattern, einen unangemessen hohen Stellenwert zu besitzen. Von allen Seiten werden sie ja auch mit Tips zu gerade diesem Thema überhäuft: „Wie angle ich mir einen Mann?“ Die Werbung für Kosmetik, Parfüms oder Dessous, verspricht ihnen allenthalben, daß sie mit gerade diesem oder jenem Produkt größere Erfolgschancen in ihrem Bestreben hätten. Sogar schon junge Mädchen in ihrer natürlichen Schönheit schminken sich das Gesicht zu einer Model-Maske zurecht, um ihre Chancen vermeintlich zu erhöhen und folgen damit eher einem Klischee als den tatsächlichen Wünschen der Männer. Denn wer küßt schon gerne dicke Schminkeschichten? Falls sie ihn überhaupt an ihre Maske heranlassen. Steckt hinter dieser Männersuchwut immer noch die uralte Vorstellung, daß eine Frau durch ihren Mann lebe? Daß sie ohne Mann nur ein halber Mensch sei? Vielleicht. Nicht umsonst hat die bekannte Feministin Gloria Steinern in den Sechzigern den überspitzten und provokativen ironischen Satz geprägt: „Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad.“

Für einen jungen Mann ist die Frage nach einer Frau eher zweitrangig. Eine Freundin, okay, aber eine Frau? Erst kommt der Beruf, dann die Hobbys. Frau, das heißt Familie, heißt Bindung. Das hat später noch Zeit. Für junge Frauen scheint das irrationalerweise immer noch anders zu sein. Heirat schwebt immer irgendwo im Kopf herum. Und dann soll es natürlich auch nicht irgendwer sein.

Unter dieser Voraussetzung wird natürlich auch die Sexualität weniger oder gar nicht zu einer Angelegenheit der Befriedigung körperlicher Gelüste, sondern zum gezielt eingesetzten Mittel, den Wunschmann zu betören und an sich zu fesseln. Mit der Folge, daß jedes intime Zusammensein zu einer stressigen Prüfungssituation, einem verbissenen Wettbewerb wird. Dem Auserwählten muß eine überzeugende Show geboten werden, damit er erkennt: halt, hier bin ich richtig, das ist sie, die nehm' ich. Selbstverständlich stehen bei diesen Veranstaltungen dann auch die Wünsche der Männer im Vordergrund, die wirklichen, aber auch die vermeintlichen. Hauptsächlich natürlich die vermeintlichen, denn sie kennt ihn ja noch gar nicht gut genug. Was der Mann als lustvoll erlebt, seine Vorstellung von Sex wird der alleinige Maßstab, dem sie sich unterwirft, damit er ihr nicht gleich wieder davonläuft. Das alte Motto: eine Frau soll vor allem den Mann befriedigen, zeugt sich so ununterbrochen fort. Die Frau definiert sich geradezu über ihre diesbezügliche Fähigkeit und gerät in tiefe Selbstzweifel, wenn es ihr nicht gelingt dem Mann das zu geben, was er offensichtlich von ihr will: ihre Lust, durch seinen Schwanz hervorgerufen und den Beweis für ihre Lust, den Orgasmus. Mehr und mehr wird sie von der Furcht beherrscht, er könnte ihr vorwerfen, sie sei frigide und sich von ihr abwenden.

Selbstverständlich hat diese Konstellation, in der die Frauen dann auch noch ein viel zu großes Gewicht auf ihre äußere Erscheinung legen, auf ihr „Ankommen“ beim männlichen Geschlecht, auch ihre Rückwirkungen auf das Seelenleben, die Empfindungen und Wahrnehmungen der Frauen. Aus lauter Frust beginnen sie ihre Enttäuschungen auf die Männer zu projizieren. Sie reagieren, gerade wenn sie hübsch sind, plötzlich empfindlich auf Komplimente oder Bewunderung ihres Äußeren, sie vermuten darin plötzlich, daß der betreffende Mann eben auch nur an ihrem Äußeren interessiert sei und ihre „inneren Werte“ übersehe. Das geht soweit, daß sie männliche Komplimente nur noch als zielstrebige und vorgetäuschte Sülzerei begreifen. Daß sie jedoch vorher alles unternommen haben, um die Männer gerade auf ihr Äußeres aufmerksam zu machen, ja sie geradezu mit der Nase drauf zu stoßen, fällt dabei dann oft durch ihr Wahrnehmungsraster.

Als Gelegenheiten, ihr wirkliches sexuelles Empfinden zu...