Fälschung und Instrumentalisierung antifaschistischer Biographien - Das Beispiel Halle / Saale 1945-2005. E-BOOK

von: Frank Hirschinger, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V.

Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2007

ISBN: 9783862340361 , 175 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,00 EUR

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Fälschung und Instrumentalisierung antifaschistischer Biographien - Das Beispiel Halle / Saale 1945-2005. E-BOOK


 

"5. Die Geschichtspolitik der Antifa-Verbände und PDS (S. 137-138)

Wie anhand der in den vorigen Kapiteln dargestellten Beispiele gezeigt werden konnte, setzten SED-Funktionäre biographische Fälschungen nicht nur zur Vertuschung dunkler Punkte in ihrer Vita und zur Selbststilisierung als unbeugsame antifaschistische Kämpfer ein, sondern die SED nutzte Fälschungen vor allem zur kommunistischen Traditions- und Identitätsstiftung sowie zur Gewinnung politisch-moralischer Autorität, um sich die Deutungshoheit über die Geschichte des 20. Jahrhunderts anzumaßen.

Die dabei angewandten Fälschungsmethoden waren vielfältig und gingen oft fließend ineinander über: Belastende biographische Details wurden entweder verschwiegen oder in anderen, nachträglich konstruierten Zusammenhängen dargestellt. Biographien wurden der jeweils herrschenden offiziellen Darstellung der Parteigeschichte angepasst und durch reine Erfindung gefälscht. Im Hinblick auf die Urheberschaft biographischer Fälschungen kann man unterscheiden zwischen

– posthumen Fälschungen (Martha Brautzsch, Kurt Wabbel),
– vom Parteiapparat ausgehenden Fälschungen, die von den Betroffenen mitgetragen wurden (Otto Kipp),
– in eigener Sache betriebenen Fälschungen (Jupp Gerats, Paul Albrecht, Kurt Kuhles, Karin Mylius).

Die aktuellen Auseinandersetzungen um Sachsen-Anhalts IVVdN-Vorsitzenden Jupp Gerats zeigen, dass biographische Fälschungen auch heute noch von der VVN-BdA und PDS gedeckt werden, um das politisch bedeutsame Terrain des Antifaschismus besetzen zu können. Zu eng sind die personellen und ideologischen Verflechtungen zwischen der PDS und ihren kommunistischen Vorfeldorganisationen, um Gerats fallen lassen zu können.

1989/90 zog sich die politisch und moralisch diskreditierte SED auf den antifaschistischen Gründungsmythos der DDR zurück, um als Partei zu überleben und eine erneuerte DDR auf antifaschistischer Grundlage propagieren zu können. Als im Herbst 1989 überparteiliche antifaschistische Basisgruppen entstanden, die sich mit dem doktrinären DDR-Antifaschismus, mit rechtsextremistischen Erscheinungen in der DDR und Analogien zwischen Faschismus und Stalinismus auseinandersetzten, verlor auch das der SED treu ergebene »Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer« (KAW) seinen bisherigen Alleinvertretungsanspruch.

Um im Wettbewerb mit neu entstandenen Antifa-Gruppen konkurrenzfähig zu bleiben, musste sich das KAW personell und ideologisch öffnen: Am 25. Januar 1990 gestand die Zentralleitung des KAW die Mitwirkung von Antifaschisten am Aufbau der SED-Diktatur ein und bekundete ihre »tiefe Achtung vor den Opfern des Stalinismus«. Es wurde ein provisorischer Vorstand gebildet und der Beschluss gefasst, das Komitee »als Partner aller Antifaschisten umzubilden « und die Gründung eines »Bundes der Antifaschisten« anzustreben.

In einem Aufruf zur Gründung einer »überparteilichen und überkonfessionellen demokratischen Mitgliederorganisation der Antifaschisten«, an dem sich im April 1990 der provisorische Vorstand des KAW maßgeblich beteiligte, wurde die Rehabilitierung aller Opfer des Stalinismus gefordert. Der »Bund der Antifaschisten« (BdA), der daraufhin am 12./13. Mai 1990 gegründet wurde, verurteilte in seinem Programm die Ritualisierung und den Missbrauch des Antifaschismus »als Deckmantel für Machtmißbrauch, Willkür und Ausgrenzung«. "