Wie kam die Katze auf das Sofa - Eine Kulturgeschichte

von: Johanna Fürstauer

Residenz Verlag, 2011

ISBN: 9783701742387 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Wie kam die Katze auf das Sofa - Eine Kulturgeschichte


 

Das Paradies wird mir keines sein, wenn mich darin nicht meine Katzen erwarten.

Anonyme Grabinschrift

Kapitel 1


Göttin auf vier Pfoten


Etliche Jahrmillionen trennen den ersten Auftritt katzenähnlicher Wesen in der Arena der Evolution von der Entstehung des „Urmenschen“, Jahrmillionen, die sowohl in der körperlichen Konstitution als auch im Charakter der heutigen Hauskatze ihre Spuren hinterlassen und ihr eine Art von magischem Glanz verliehen haben. Manche Kenner meinen, sie sei das ausgereifteste Modell der gesamten Tierwelt. Die Wissenschaft ist den Urahnen unserer heutigen Hauskatze bisher noch nicht wirklich auf die Spur gekommen; da und dort ein paar Knochenfunde – es bedarf schon einiger Fantasie, um sich die Lebensweise und das Umfeld dieser ersten katzenartigen Tiere vorzustellen.

Immerhin hatte man für sie schon bald einen eigenen Namen: „Dinictis“ war zwar noch keine richtige Katze, aber immerhin von der Größe her einem heutigen Luchs vergleichbar, mit einem relativ kleinen Gehirn, dafür aber mit einem prächtigen Raubtiergebiss ausgestattet. Da sie klein und wendig war, schien sie für den Überlebenskampf in einer ganz und gar nicht freundlich gesinnten Umwelt bestens gerüstet und entwickelte sich zu einem Musterexemplar von Schönheit und Lebenstüchtigkeit: Vor rund fünf Jahrmillionen betrat die Nubische Falbkatze (felis silvestris nubica) den Schauplatz ihres künftigen Wirkens; ihre großspurigen Verwandten wie Löwe und Tiger folgten erst etliche Jahrmillionen später.

Vermutlich wäre es nie zu der Symbiose zwischen Mensch und Katze gekommen, wenn Ersterer in seiner Entwicklung ein nomadisierender Jäger geblieben wäre. Die Katze wäre in diesem Fall wohl eher als Jagdkonkurrent betrachtet worden, was ihr nicht zu ihrem Vorteil gereicht hätte. Doch die Menschen wurden sesshaft, sie verließen sich nicht mehr auf die zufälligen Erträge der Jagd. Mit der Erfindung des Feuers und des Ackerbaus nahm der Mensch sein Schicksal in die eigenen Hände. Er begann mit dem Bau von Ansiedlungen und der Vorratshaltung für schwierige Zeiten.

Die Katze, hübsch anzusehen in ihrem goldgelben oder silbergrauen Fell und von graziösem Körperbau und geschmeidigen Bewegungen, beobachtete die Vorgänge rund um die entstehenden Menschensiedlungen mit Neugierde und erheblichem Misstrauen. Natürlich war den robusten Zweibeinern, die mit so tückischen Hilfsmitteln wie Fallen und allem möglichen Hieb- und Stichgerät selbst größere Tiere zur Strecke bringen konnten als die, welche dem Beuteschema der schönen „Mau“ entsprachen, nicht zu trauen. Andererseits zeigte es sich, dass ihre Vorratskammern jede Menge von Kleingetier anlockten, das durchaus dem Fressgeschmack der Katze zusagte. Außerdem boten diese Menschensiedlungen eine ganze Reihe von nicht zu unterschätzenden Vorteilen: Schutz vor den Unbilden der Witterung, ein in kalten Nächten wärmendes Feuer, gelegentlich ein von Menschenhand gespendeter Leckerbissen oder ein Schälchen Milch für eine dürstende Streunerin. Und überhaupt, war da nicht etwas wie eine geheime Anziehung zwischen Mensch und Katze, ein Band der Empathie zwischen beiden, ein Funke, der von einem zum andern übersprang?

Vorsichtig riskierte die Katze erste Annäherungsversuche. Das soll in Jericho geschehen sein, jener biblischen Stadt, deren Mauern unter dem Schall von Trompeten zusammengebrochen waren, wie der Chronist im Alten Testament berichtet. Archäologen fanden die Knochen von Mensch und Katze friedlich vereint unter dem Schutt der Geschichte. Ob zufälliges Zusammentreffen oder erste Anzeichen einer frühen Symbiose, das ist eine Frage, die weder Historiker noch Biologen bisher klar entscheiden konnten.

Anders in Ägypten, dem sagenumwobenen Land, in dem die Totenstädte an Prunk jene der Lebenden bei Weitem übertrafen, und deren imaginäre Götterwelt den gesamten Mittelmeerraum inspirierte. Ägypten war mehr als alle übrigen Gebiete des so genannten Fruchtbaren Halbmonds von den Launen der Natur abhängig. Das Schicksal des Landes stand und fiel mit den jährlichen Regenfällen am oberen Nil. Selbst ein so ausgeklügeltes Bewässerungssystem wie das der Ägypter, die ein Netz von Kanälen über das gesamte Land zogen, reichte nicht aus, um Dürrezeiten zu verhindern. Wenn der Nil nicht ausreichend anschwoll, war die Katastrophe vorgegeben. Die biblischen Reichen und Mageren Jahre waren durchaus eine historische Realität. Um letztere zu überstehen, war Vorratshaltung eine Lebensnotwendigkeit. In den alten Königsstädten Memphis und Theben hütete die Priesterschaft großer Himmelsgötter wie Ra und Isis die riesigen Vorratskammern an Getreide, aus welchen die Lebensadern der Bevölkerung gespeist wurden.

Die für das Gedeihen des Volkes wichtige Götterwelt war von einer verwirrenden Vielfalt, doch spiegelt sich darin in jedem Fall der Ablauf der Jahreszeiten wider. In Ägypten waren es deren drei: Überschwemmung, Aussaat und Ernte. Auch der Kreislauf von Tag und Nacht, Licht und Finsternis, Geburt und Tod fand sich in den Gottheiten des Himmels, wie der Himmlischen Dreieinigkeit von Isis, Osiris und deren Sohn Horus sowie in Ra, dem großen Sonnengott, verkörpert. Dessen ewiger Widersacher war der Totengott Seth, der in den Jenseitsstädten der Nekropolen über die Abgeschiedenen herrschte. Der findige Toth wurde als Beschützer der Künste angerufen, die zwielichtige Hathor als Göttin der Geschlechtslust wie auch des männermordenden Krieges verehrt. Neben diesen „Himmelsgottheiten“ zeigen sich Elemente des Göttlichen noch in vielen Formen und Masken, wobei Tiergestalten eine wichtige Rolle spielen. Unter ihnen fand sich die katzenköpfige Göttin Bastet oder Bast, die vor allem in der ihr geweihten Stadt Bubastis ihre Kult- und Weihestätte hatte. Damit kommen wir wieder zur Katze, die vor etwa 5.000 Jahren ihren spektakulären Einzug ins Land der Pharaonen hielt. In einem beispiellosen Aufstieg auf der Karriereleiter brachte sie es bis zum Rang einer veritablen Gottheit.

Zunächst war es wohl eine Art von Zweckgemeinschaft, die Menschen und Katzen miteinander verband. Die Katzen entdeckten, dass die Vorratskammern und Häuser der Menschen ihre liebste Beute, Ratten, Mäuse und sonstiges Getreide fressendes Kleingetier, in Scharen anzogen. Sie brauchten sich also nur vor deren Schlupflöchern auf die Lauer zu legen, und schon wuchs ihnen Nahrung in Fülle zu, ohne dass sie sich lange auf die Suche nach Beute begeben mussten. Die Menschen wieder sahen, dass diese seltsamen Geschöpfe, die den Kampf mit den unliebsamen Nagern mit so viel Lust und Ausdauer auf sich nahmen, sich als äußerst nützlich erwiesen. Es lag also durchaus im allgemeinen Interesse, mit den emsigen Mäusefängern eine nähere Beziehung einzugehen und sie durch eine freundschaftliche und aufmerksame Behandlung häuslich werden zu lassen. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die erfolgreichen Jäger plötzlich wieder in der Wildnis verschwunden wären! Also versuchte man, sie mit allen möglichen Zuwendungen an die menschliche Gesellschaft zu gewöhnen und an „ihr Haus“ zu binden, was umso leichter fiel, als „Mau“ oder „Miu“, wie sie genannt wurde, durch ihre graziöse Erscheinung und ihren raffinierten Charme dem stark ausgeprägten ästhetischen Empfinden der Ägypter sehr entgegenkam.

So konnte es nicht ausbleiben, dass die Priesterschaft, die in den heiligen Städten ihre Verantwortung für die riesigen Vorratshäuser wahrzunehmen hatte, ihre so erfolgreichen Helferinnen bald in den Rang einer Gottheit erhoben. Der Kult der Bastet oder Bast entstand etwa im 9. vorchristlichen Jahrhundert, zu einer Zeit, als man mit „Heiligsprechungen“ in der ägyptischen Sakralwelt etwa so locker umging wie mehr als eineinhalb Jahrtausende später im mittelalterlichen Rom.

Ähnlich wie die als „Himmelsgöttin“ ranghöhere Hathor verkörperte Bastet eine Geschlechts- und Fruchtbarkeitsgottheit, was bei dem ungestümen Paarungsverhalten ihrer irdischen Vertreter, der Katzen, nicht weiter verwunderlich ist. Darüber hinaus wurde sie auch als eine Art Mondgöttin verehrt; auch dies in voller Übereinstimmung mit den Wesenszügen der Katze, deren Vorliebe für nächtliche Streifzüge und „Mondgesänge“ allgemein bekannt ist. Allerdings wurde in der ägyptischen Mythologie die Katze gelegentlich selbst dem Sonnengott Ra zugeordnet. Der tritt dann als der „Sonnenkater“ zu seinem Kampf mit der todbringenden Aphophis-Schlange an.

In Bubastis, der Stadt der tausend Katzen, verehrte man Bastet in Gestalt einer großen Frauenfigur mit dem Kopf einer Katze, die, mit kostbaren Ohrringen und sonstigem Schmuck versehen, gebieterischen Blicks auf ihre ehrfürchtigen Anbeter herabschaute. Umgeben von Weihrauchschwaden und Votivgaben aller Art, für die der Fantasie keine Grenzen gesetzt waren, stand sie gleichsam als...