Der Archon (Projekt Stellar Buch 5): LitRPG-Serie

Der Archon (Projekt Stellar Buch 5): LitRPG-Serie

von: Roman Prokofiev

Magic Dome Books, 2022

ISBN: 9783754666883 , 348 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 7,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Der Archon (Projekt Stellar Buch 5): LitRPG-Serie


 

 

 

1


 

 

 

DAS, WAS PROMETHEUS mir mitgeteilt hatte, veränderte mein Verständnis dieser Welt grundlegend, aber noch viel mehr das meiner eigenen Identität. So viele Male hatte ich mein Leben aufs Spiel gesetzt, ohne zu wissen, dass ich damit auch viele andere in Gefahr brachte. Meine Anima – Prometheus' Seele – war zu einem Gefäß geworden, das die Seelen aller überlebenden Inkarnatoren der Ersten Legion in sich barg. Vermutlich war ich aus diesem Grund in der Lage gewesen, derart nahtlos in meine Rolle als Verzauberer zu schlüpfen, oder hatte den Flügelanzug so geschickt fliegen können. Darum hatte die sterbende Tara in ihrer Vision wahrscheinlich auch Engel statt mich gesehen. Zwar war es Prometheus' Identität, die alles zusammenhielt, doch die verschmolzenen Seelen so vieler Inkas mussten unausweichlich abfärben.

 

Nun wusste ich, warum Zack Carraghan seiner Intuition vertraut hatte. Ebenso begriff ich, was mir Arachne damals hatte sagen wollen. Und jetzt konnte ich auch verstehen, was Gnarl solche Angst eingejagt hatte und wieso er alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um mich auf seine Seite zu bringen: Er hatte zu große Angst vor den Konsequenzen gehabt, die von Stellar zu befürchten waren. Jetzt wurde mir bewusst, dass der alte Technomant bis zum bitteren Ende versucht hatte, mich nicht töten zu müssen.

 

Es war einleuchtend, warum Prometheus sich verpflichtet gefühlt hatte, das Ergebnis der Ziehung zu ignorieren und dennoch zum Schwarzen Mond zu fliegen. Prometheus war die einzige Person gewesen, die die Erste Legion im Fall einer Niederlage retten konnte. Und genau das hatte er dann auch getan.

 

Aber wie viele von ihnen befanden sich in mir?

 

Miko verdeckte ihr Hüsteln hinter ihrer Faust.

 

Aber natürlich! Die Antwort war die ganze Zeit direkt vor meinen Augen gewesen. Um die genaue Zahl der Ontoprionen in meinem Inneren herauszufinden, musste ich nur den Handschuh bei mir selbst einsetzen!

 

Ich drückte mir das kalte Metall ans Kinn und aktivierte Analyse.

 

Objekttyp: organisch (biologisch)

 

A-Mensch

 

Inkarnator

 

Klasse: ???

 

Analyse läuft …

 

Gesamtbiomasse: 105,69 kg (potenzieller Verlust: 30 %)

 

Anima: ??? (potenzieller Verlust: 0 %)

 

Ontologisches Prion: Alpha Plus, ??? (erfordert separate Analyse). Potenzieller Verlust: 0 %

 

Genetische Modifikationen:

 

??? (erfordert separate Biomasseanalyse). Potenzieller Verlust: 90 %

 

Gesamt-Azur: 34.200 (wird für Desintegrationszwecke verwendet)

 

Azur-Artefakte: 2 (separate Analyse erforderlich). Potenzieller Verlust: 0 %

 

Recycelbare Materialien: 7 kg (potenzieller Verlust: 100 %)

 

WARNUNG!

 

Die Desintegrationsanalyse führt zur völligen Zerstörung des Objekts. Einige Komponenten gehen dabei unwiderruflich verloren.

 

WARNUNG!

 

Einige Charakteristika des Objekts konnten nicht identifiziert werden.

 

WARNUNG!

 

Der Bauplan des Objekts kann nicht erstellt werden. Replizieren des Objekts unmöglich.

 

WARNUNG!

 

Das Objekt wurde als Teil des Stellar-Systems identifiziert. Keine aktiven Missionen gefunden. Jegliche feindseligen Aktionen gegen das Objekt, auch die Desintegration, werden als unbegründete Aggression eingestuft.

 

Desintegrationskosten: 69.000 Azur (inklusive des verfügbaren Azurs des Objekts)

 

Desintegration abgeschlossen in: 3,9 Sekunden

 

Möchten Sie das Objekt desintegrieren?

 

Es machte ganz den Anschein, als hätte mich Prometheus nicht angelogen. Er hatte auch nicht geblufft: Irgendetwas stimmte ganz eindeutig nicht mit mir. Weder meine A-Klasse noch die Zahl der Ontoprionen ließen sich feststellen. Die drei Fragezeichen konnten alles zwischen einhundert und eintausend bedeuten. Dasselbe galt für meine Anima: Der Handschuh konnte sie einfach nicht als einzelnes Objekt identifizieren. Würde er mich desintegrieren, müsste meine Seele dabei in eine Vielzahl von Komponenten aufgebrochen werden.

 

Somit hatte ich wenigstens eine Möglichkeit gefunden, die in mir gefangenen Seelen freizulassen, allerdings stellte sie den letzten Ausweg dar.

 

Ich brach die Desintegration ab und steckte den Handschuh weg. Die Energiestufen bewegten sich gefährlich nah am Nullbereich. Nur ein paar weitere Aktivierungen würde den Azur-Vorrat des Artefakts völlig aufbrauchen – und ich hatte noch nicht herausgefunden, wie es sich »wieder aufladen« ließ.

 

Beim verdammten Engel. Wer war ich denn eigentlich?

 

Als sie meine Unsicherheit spürte, meldete sich Miko leise, aber entschieden zu Wort.

 

»Du bist Grey. Einfach Grey. Du bist ein neues Wesen mit einer neuen Seele, die Prometheus auf seiner eigenen Anima aufgebaut hat, und darin wurden all die anderen verwoben wie die Fäden eines feinen Teppichs, wobei jede von ihnen dir ein anderes Geschenk gemacht hat. Ich bin bei dir, Inkarnator. Es gibt keinen Grund, warum du dich deshalb so aufregen solltest. Wir beide haben noch viel zu tun.«

 

»Und was wird passieren, wenn wir sie freilassen?«

 

»Es tut mir sehr leid, Grey, aber diese Vorgänge sind ungemein gefährlich. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass deine Enyo dabei zerfetzt wird. In diesem Fall werden wir wohl sterben.«

 

Das war keine Option. Es musste einen anderen Weg geben.

 

Völlig unerwartet ging mir auf, dass ich erst Frieden finden würde, wenn ich diesen Weg gefunden hatte. All jene, die in mir gefangen waren – sie mussten unbedingt zurückkehren. Das war meine Pflicht und auch unsere wesentliche Trumpfkarte. Selbst auf null zurückgesetzt wären mehrere Hundert Inkas der Ersten Legion genau die Art von Reservearmee, mit der die erschöpfte, im Bruderkrieg befindliche Stadt in die Knie gezwungen werden konnte.

 

»Miko? Was hältst du von alldem?«

 

Mein Cogitor seufzte schwer und synchronisierte sich mit meinen Emotionen. Sie schien von Prometheus' letztem Neuralsiegel auch alles andere als begeistert zu sein.

 

Dennoch blieb ihre Stimme fest.

 

»Ich bin sehr stolz auf dich, Grey. Und auch auf mich, zumindest ein bisschen, weil du das alles ohne meine Hilfe nicht geschafft hättest. Wenigstens wissen wir jetzt, wie alles angefangen hat und wie es enden soll. Nun müssen wir nur noch dafür sorgen, dass es auch passiert, Inkarnator.«

 

Trotzdem sorgte irgendetwas an der ganzen Sache dafür, dass meine Paranoia neuen Auftrieb bekam. In Prometheus' Nachricht gab es einige Inkonsistenzen, irgendetwas auf der instinktiven Ebene, das ich nicht genau zu benennen vermochte. Er hatte sich mir nicht einmal gezeigt. Und wenn all die anderen Inkas um ihn herum infiziert waren, dann musste er es ebenfalls gewesen sein. Der Körper im Sarkophag, den ich gesehen hatte, wies Anzeichen für eine Infektion auf. Konnte all das nur ein cleverer Trick sein, einer der hinterhältigen Pläne der Dunkelheit, um die Inkas von Stellar dazu zu bringen, den Schwarzen Mond mit einem neuen Nukleus auszustatten? War das nur eine Intrige, damit sie das, was sie angefangen hatte, zu Ende bringen und die Erde ein für alle Mal zerstören konnte?

 

»Ich bin ganz deiner Meinung, dass einige Details Fragen aufwerfen, Inkarnator. Es gibt gewisse Lücken in der Zeitlinie ihrer Mission zum Schwarzen Mond, über die wir rein gar nichts wissen. Beispielsweise haben wir keine Ahnung, was sie neunzig Jahre lang dort oben getrieben haben. Aber eine Sache steht fest: Deine Neuralsiegel wurden von einem aktiven Großlegaten eingerichtet. Und wir wissen ja, dass der Cogitor blockiert wird, sobald der Xenocyte einen Ontoprionen infiziert, sodass die betroffene Person keinen Kontakt mehr zum Stellar-System hat. Was demzufolge bedeutet, dass Prometheus zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Siegel aktiviert hat, sauber gewesen sein muss. Wie das möglich gewesen sein soll? Tja, da habe ich mehrere Theorien. In der Reihenfolge der Wahrscheinlichkeit könnte es entweder eine unbekannte Fähigkeit gewesen sein, die die Dunkelheit vertreiben kann, oder es lag an der Gabe des Daat. Alternativ wäre es auch denkbar, dass Prometheus die Siegel längst eingerichtet hatte, als er sich jenseits des Randes auf null zurücksetzte … Die Liste geht noch weiter, aber im Grunde genommen besitzt keine dieser Hypothesen noch einen praktischen Wert.«

 

»Wieso nicht?«

 

»Weil Stellar bereits neue Missionen erteilt hat, die wir ausführen müssen.«

 

Miko hatte recht. Mein VR-Interface zeigte mir neue blinkende Nachrichten an. Ich berührte eine, um sie aufzurufen.

 

Neue Mission verfügbar: Schwarzer Mond

 

ROTER ALARM

 

Neutralisieren Sie mit allen verfügbaren Mitteln die Auswirkungen des planetaren Xeno-Objekts SCHWARZER MOND auf dem PLANETEN ERDE.

 

Die weiteren Anweisungen sind geheim. Benötigte Freigabestufe: Legat.

 

Warnung! Ihre Freigabestufe wurde gewaltsam modifiziert und der Ausnahmeliste des Systems...