Du bist, was du sagst - Was unsere Sprache über unsere Lebenseinstellung verrät

von: Joachim Schaffer-Suchomel, Klaus Krebs

mvg Verlag, 2006

ISBN: 9783864152412 , 368 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 12,99 EUR

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Du bist, was du sagst - Was unsere Sprache über unsere Lebenseinstellung verrät


 

2. Nomen est omen
Auf die Kulissen blicken


Die Dinge sind nicht, wie sie sind.

Sie sind, wie wir sind.

Aus dem Talmud

Der seit längerem nicht mehr florierende mittelständische Familienbetrieb eines Coaching-Klienten stand zum Verkauf. Kurz vor der entscheidenden Verhandlung mit dem französischen Interessenten war der Anbieter hochgradig nervös. Im deshalb anberaumten Coaching-Gespräch äußerte er mit angespannter Stimme: „Ich stehe mit dem Rücken an der Wand. Dies ist meine letzte Chance, die drohende Insolvenz abzuwenden und wenigstens einen Teil des Familienvermögens zu retten.“

Mit dem Rücken an der Wand

Im weiteren Gespräch wurde die Gefangenschaft des Mannes in diesem inneren Bild mehr als deutlich: Er fühlte sich stark überlastet und berichtete von Rückenschmerzen. Negative Bilder rauben Energie, sie machen schwach und belasten. Rückenprobleme sind also das Mindeste, was man erwarten kann. Mit dem Bild Rücken an der Wand wird üblicherweise Negatives assoziiert. Im negativen Denken sind wir gut trainiert und ketten uns schnell an ein Gefühl von Hilflosigkeit, als hätte uns tatsächlich jemand angeprangert, an die Wand gestellt und mit standrechtlicher Erschießung gedroht.

Die Aufforderung, aus dem negativen Bild ein positives zu entwickeln, machte den Klienten zunächst stutzig. Doch er konnte ihr bald folgen, das Training der eigenen Vorstellungskraft war ihm aus früheren Coaching-Gesprächen vertraut. Nach einigen Minuten des In-sich-Gehens und der Ruhe entdeckte er folgende Möglichkeiten: „Okay, ich stehe mit dem Rücken an der Wand. Im Grunde genommen kann mir von hinten nichts mehr passieren. Ich bin geschützt und habe Halt. Und nach vorne steht mir alles offen. Ich brauche nur vorwärts zu gehen. Meine Zukunft ist offen! Ich stehe am Anfang von etwas ganz Neuem.“ Mit diesem von Selbstbewusstsein geprägten Bild ging er in die Abschlussverhandlung und verkaufte am Ende sein Unternehmen zu einem guten Preis.

Worte als Kulisse


Hintergründe und Gefühlsbilder ähneln Kulissen

Sprache verweist auf persönliche Hintergründe und Gefühlsbilder, die unser Handeln leiten. Sie lassen sich mit den Kulissen eines Theaterstücks vergleichen. Die Kulisse gibt den Schauspielern einen Bezugsrahmen. Es macht einen Unterschied, ob der Regisseur einen romantischen Dialog zwischen zwei Liebenden vor einer Revolutionsszene mit Pariser Stadthäusern oder auf einer idyllischen Waldlichtung spielen lässt. Einige mögen einwenden: „Ja, aber das ist doch meist durch den Autor, dem Urheber des Stückes, vorbestimmt.“ Genau! Wir Menschen können „unsere Kulissen“ verändern. Das zeigt das Beispiel des Bildes Mit dem Rücken an der Wand. Kompliziert sind stets nur die Geschichten, die über das eigentlich Einfache gedeckt werden. Komplexes schafft Komplexe, die das Einfache kompliziert erscheinen lassen. So einfach ist das mit den Erscheinungen, die wir tagtäglich haben!

Worte entspringen unseren Kulissen

In diesem Buch sehen wir, wie wir den Worten auf den Grund gehen können, um Hintergrundbilder und Kulissen zu erschließen. Wir benennen Menschen und Situationen, geben den Dingen einen Namen. Dieser Prozess entspringt unserem Denken und Fühlen. Etwas oder jemanden zu benennen beinhaltet oft eine erste Wertung. Wir stellen es vor eine Kulisse. Je nachdem, wie wir zu einer ausländischen Regierung stehen, nennen wir bewaffnete Widerständler entweder Freiheitskämpfer oder Terroristen.4 Das Benennen folgt der Kulisse des jeweiligen Sprechers und damit seiner Sichtweise. Gleichzeitig verbindet der Gesprächspartner das Gehörte mit seinen eigenen Erfahrungen durch Assoziationen, entsprechend seinem Repertoire an Kulissen. Das Wort bewirkt eine Reaktion. Es wurde zum Vorboten. Nomen est omen.

4 Dieses Beispiel geht auf Vera F. Birkenbihl zurück: Alpha Video, Denken Spezial, TR Verlag.

Das Wesen(tliche) beim Namen nennen


Der uns am meisten vertraute Klang ist der unseres eigenen Namens. Ihr Name ist Ihr ganz persönliches Merkmal. Bereits bei der Geburt wurden Sie „nominiert“, Sie sind demgemäß von Anfang an ein Gewinner. Oder haben Sie schon einmal gehört, dass bei der Olympiade Verlierer nominiert wurden? Sie sind mit Ihrem Namen Träger einer ganz bestimmten Idee von sich und Ihren Möglichkeiten. Meist ist dies unbewusst. Nominiert bedeutet namentlich vorgeschlagen. Renommiertwieder benannt und bekannt – sind Sie, wenn Sie Ihrem Namen alle Ehre gemacht haben und wenn Sie Ihre Idee von sich verwirklicht, also Ihre Möglichkeiten gelebt haben. Auch bei Namen gilt: Nomen est omen. Ein Name ist gleichzeitig ein Omen, ein Zeichen also, und gemäß dem lateinischen ominosus „voll von Vorbedeutungen“. Ist das nicht ominös? Namenszeichen sind wie unsere Verkehrszeichen richtungsweisend. Sie können markante Wesenszüge kennzeichnen und auf Potenziale hinweisen.

Vor- und Nachnamen können auf Charakterzüge deuten

Betrachten wir die Vornamen, so können wir zuweilen bestimmte Charaktereigenschaften erkennen. Durchforsten Sie einmal Ihren Verwandtenund Bekanntenkreis nach Menschen mit dem Vornamen Peter. Ähneln sich die Peters nicht in ihrer Führungsqualität? Einen Peter wirft so schnell nichts um. Es wundert nicht, dass Peter, griechisch petros, Felsblock bedeutet. Auf ihm wollte Gott bekanntlich seine Kirche errichten: „Denn du bist Petrus, der Fels …“ Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist Petra, das weibliche Pendant zu Peter.

Trotz aller gebotenen Vorsicht bei derartigen Typisierungen: Betrachten Sie einmal Menschen mit dem Vornamen Klara. Oft können Sie feststellen, wie sehr diese Charaktere mit dem Thema Klarheit befasst sind oder bereits in ihrer Art und Weise Klarheit verkörpern. Alles Klärchen?

Und was ist mit dem Namen Hans? Schnell wird eine Wurst daran gehängt und der Hanswurst ist geschaffen. Auch das Märchen vom „Hans im Glück“ lässt einen unklugen Menschen vermuten, insofern die Philosophie des Märchens nicht verstanden wird. Denn Hans im Glück ist glücklich! Der innere Wert der momentanen Freude über das eingetauschte Gut zählt, zumindest im Märchen, mehr als der kollektive „objektive“ äußere Wert. Also schwingt in diesem Namen auch gute Ethik mit und verleiht ihm eine gewisse Beständigkeit. So ist es nicht verwunderlich, wie häufig besonders in vergangenen Generationen der Name Hans vergeben wurde.

Jeder lebt in seinen Kulissen


Menschen nehmen selektiv wahr

Gedachte und gefühlte Kulissen gehen auf die Wahrnehmung eines Menschen zurück. Wir können nur die Dinge, Situationen und Menschen benennen, die wir wahrnehmen. Gleichzeitig ist es unmöglich, alles, was ist, wahrzunehmen. In seinem Buch „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“ schreibt der amerikanische Philosoph Robert M. Pirsig: „Wir nehmen eine Handvoll Sand aus der endlos weiten Landschaft, die uns umgibt, und nennen diese Handvoll Sand ‚Welt‘.“5 Die Welt ist das, was wir von ihr denken.

Standardisierte Szenen werden reinszeniert

Wahrnehmung und Interpretation orientieren wir an Stücken, die wir kennen und die auf unserer Festplatte im Kopf gespeichert sind. Wie bei einem Theaterstück fahren wir Kulissen auf, die wir in der Vergangenheit konstruiert haben. Diese symbolisieren einen bestimmten Schauplatz aus Gedanken und Gefühlen. So schaffen wir den Bezugsrahmen für unsere gegenwärtige Lebenssituation. Vor dieser Hintergrundkulisse spielen sich vorprogrammierte Szenen ab. Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie, spricht von Reinszenierungen. Altes wird wieder und wieder in Szene gesetzt. Entweder weil wir es als gut und Gewinn bringend identifiziert haben und das „gute Stück“ wieder holen wollen oder weil es so schlecht und unverdaulich war, dass wir getrieben sind es wiederzukäuen. Der Täter kehrt an den Tatort zurück. Erinnern Sie sich an das Phänomen der Wiederholung von Problemen im ersten Kapitel. Wir konstruieren unsere Welt kulissenartig und richten uns so im Leben ein, wie wir glauben, dass es gut für uns ist. Oder wir konstruieren unbewusst und automatisiert.

5 Robert M. Pirsig: Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten. Fischer 1986, S. 84.

Wenn wir Kulissen auf den Leim gehen


Problematisch wird es, wenn wir mit unseren Kulissen verkleben. Gerade problembehaftete Hintergründe werden gerne als feststehende Kulisse genommen: Ein Programmablauf automatisiert sich, die Wiederholungstaste ist eingerastet. Wir schaufeln immer und immer wieder Negatives aus der Vergangenheit in die Zukunft. Wer nur eine Kulisse hat, wird immer wieder dasselbe Stück spielen. Doch auch mit mehreren Stücken bleibt das Leben gestückelt, und das Gefühl der Zerrissenheit dominiert. Der Hintergrund ist nicht im Fluss.

Beispiele für solche Negativkulissen sind:

  • „Immer bin ich das Opfer“ oder: „Warum immer ich?“
  • „Niemand sieht mich“ oder: „Ich werde nicht gehört“
  • „Ist es richtig, was ich tue, und werde ich gemocht?“ oder: „Habe ich etwas falsch gemacht und werde nicht mehr geliebt?“
  • „Gehöre ich dazu?“
  • „Seht mich an, bin ich nicht toll?“ – Ja, auch das ist eine Negativkulisse, mit der Sie sogar Topmanager werden können. Im Grunde genommen...