Chronische Bauchschmerzen im Kindesalter - Das »Stopp den Schmerz mit Happy-Pingu«-Programm

von: Martina Groß, Petra Warschburger

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2011

ISBN: 9783840923791 , 165 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,99 EUR

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Chronische Bauchschmerzen im Kindesalter - Das »Stopp den Schmerz mit Happy-Pingu«-Programm


 

Kapitel 3 Diagnostik von CBS im Kindesund Jugendalter

Wie bereits erwähnt sind Bauchschmerzen im Kindesalter nicht nur sehr häufig, sondern können auch vielfältige Ursachen haben . Die Aufgabe der umfassenden medizinischen Diagnostik ist in erster Linie CBS von Bauchschmerzen mit organischen Ursachen zu unterscheiden . Die psychosoziale Diagnostik soll Hinweise auf auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen liefern . Anhand eines kurzen Fallbeispiels soll die Symptomatik nochmals verdeutlicht werden .

Fallbeispiel: Elisa
Elisa ist 10;2 Jahre alt und geht in die 5 . Klasse der Grundschule . Seit etwa zwei Jahren klagt Elisa über plötzlich auftretende, „sich einschießende“ Bauchschmerzen, welche von ihr als „tief drin und drückend“ beschrieben werden . Etwa 1bis 2-mal wöchentlich erlebt Elisa eine solche Bauchschmerzepisode, die dann in der Regel 60 bis 90 Minuten andauert . Bei Elisa wurde in der 4 . Klasse eine Rechenstörung (F81 .2 nach ICD-10) diagnostiziert, unter der Elisa sehr leidet . Nach Angaben der Mutter klagt Elisa besonders an jenen Tagen über Bauchschmerzen, an denen der Mathematikunterricht stattfindet . Dies setzt sich fort in den Hausaufgabensituationen, wo es gerade bezogen auf das Fach Mathematik zu Konflikten zwischen Mutter und Tochter kommt . Die Schwierigkeiten und Beeinträchtigungen durch die Rechenstörung weiten sich zunehmend auch auf andere schulische Bereiche aus . Elisas Bauchschmerzen stehen häufig in Zusammenhang mit schulischem Stress in Form von Klassenarbeiten, empfundenem ungerechten Lehrerverhalten sowie einer lauten Lernumgebung . Zudem berichtet Elisa über viele belastende Konflikte mit Freunden und Klassenkameraden im Vorfeld einer Bauchschmerzepisode . Ebenso treten Bauchschmerzen auf, wenn Elisa sich alleine fühlt und traurig ist . Hat sie Bauchschmerzen, wünscht sich Elisa vor allem zuhause zu sein und sich in die Kuschelecke legen zu dürfen . Sie sehe dann oft fern oder lese ein Buch . Elisa versucht sich bei Bauchschmerzen selbstständig abzulenken und an schöne Dinge zu denken, wobei die Eltern sie unterstützen . Außerdem versuchen die Eltern es einzurichten, dass Elisa in der Schmerzsituation nicht alleine ist, damit sie sie trösten und beruhigen können . Klagt Elisa am Morgen über Bauchschmerzen, darf sie der Schule fern bleiben, und auch die Mutter geht dann nicht zur Arbeit . Die Eltern machen sich große Sorgen bezogen auf die Bauchschmerzen von Elisa . Die Mutter gibt an, ebenfalls Beschwerden im Magen-Darm Bereich zu haben . Eine organische Ursache für die auftretenden Bauchschmerzen bei Elisa wurde sowohl vom Kinderarzt als auch vom Kindergastroenterologen ausgeschlossen . Hierzu liegen die Ergebnisse eines H2-Atemtests sowie einer Ultraschallund MRT-Untersuchung vor . Ihre Blutwerte sind normal und zeigen keine erhöhten Entzündungswerte an .

3.1 Ablaufplan und Flussdiagramm

Im Folgenden ist der ideale Ablauf der Diagnostik als Flussdiagramm dargestellt . Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Einhaltung dieses Ablaufs ein sinnvolles und gleichzeitig ökonomisches Vorgehen ist . Die Kooperation zwischen Trainer/Psychologe und Arzt ist wesentlich, um eine gesicherte Diagnose stellen zu können .

3.2 Indikation und Kontraindikation

Kinder, die die folgenden Kriterien erfüllen, können am Training teilnehmen:
• Chronische Bauchschmerzen nach Rome-III bzw . ICD-10 (v .a . Zusammenarbeit mit dem Kinderarzt und/oder Kindergastroenterologen zum Ausschluss einer organischen Ursache) .
• Alter: 7 bis 12 Jahre.
• Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache .
• Ausreichende kognitive Fähigkeiten, um den Inhalten des Trainings zu folgen (Ý kann auch als Kriterium für die Entscheidung Einzelvs . Gruppentraining relevant sein) .
• Ausschluss einer psychischen Störung, die die Symptomatik besser erklären kann bzw . bezogen auf den Leidensdruck im Vordergrund steht, z .B . affektive Störung oder stark ausgeprägte Angststörung (Ý kann auch als Kriterium für die Entscheidung Einzeloder Gruppentraining genutzt werden (hier vor allem ADHS)) .
• Gruppenfähigkeit (Ý nur als Kriterium für die Entscheidung Einzeloder Gruppentraining relevant) . Wie aus der Auflistung bereits hervorgeht sind einige der Kriterien (wie z . B . psychische Störung) keine absoluten Ausschlusskriterien, sondern es muss sorgfältig in Kooperation mit Kindern und Eltern überlegt werden, ob eine Behandlung der chronischen Bauchschmerzen als erste Intervention sinnvoll ist oder inwieweit diese in anderweitige Behandlungskonzepte integriert werden kann . Bei Auffälligkeiten aus dem externalisierenden Störungsbereich (wie Aggression oder Hyperaktivität) steht vor allem die Frage nach der Gruppenfähigkeit im Vordergrund und ob nicht ein Einzeltraining eher indiziert ist . Als wesentliches Ausschlusskriterium gelten Bauchschmerzen mit organischen Ursachen, da in diesem Fall vor allem die psychoedukativen Inhalte angepasst werden müssten . Es liegen noch keine Erfahrung mit der Vermittlung der Schmerzbewältigungsstrategien für diese Gruppe vor; allerdings ist davon auszugehen, dass diese hilfreich sein könnten .

3.3 Ärztliche Diagnostik

Zur Abklärung gastrointestinaler Schmerzen sollten je nach Bedarf unterschiedliche Fachrichtungen miteinbezogen werden: allgemeinmedizinische, kinderärztliche Praxen oder im Krankenhaus die pädiatrische, internistische, chirurgische, psychiatrische oder psychosomatische Abteilung . Eine gründliche Diagnostik durch den Kinderarzt und/oder Kindergastroenterologen sollte dabei im Vordergrund stehen, da chronische Bauchschmerzen als Symptom unterschiedlichster organischer Grunderkrankungen auftreten können: Refluxösophagitis, Gastritis, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Nierenerkrankungen, rezidivierender Pankreatitis und Befall mit Parasiten . Auch Systemerkrankungen außerhalb des Gastrointestinaltraktes können sich als Bauchschmerzen präsentieren, wie Erkrankungen der Milz, der Niere, der Lunge oder der Harnwege . Die sogenannten „red flags“ als relevante Warnzeichen für das Vorliegen einer organischen Ursache müssen dabei besonders berücksichtigt werden (Berger & Damschen, 2000) und zu einer weitergehenden Diagnostik führen (vgl . Kasten) . Im Zuge der pädiatrischen Differenzialdiagnose können nach Ermessen des behandelnden Arztes aufwändige Laboruntersuchungen stattfinden (Blutbild, c-reaktives Protein, Urinstatus, Leberenzyme, Kreatin, Elektrolyte und Lipase) . Weitere medizintechnische Abklärungen können indiziert sein (mittels Sonographie, pH-Metrie, Endoskopie mit Probeentnahmen, Computertomographie, Magnetresonanztomographie) . An spezieller Labordiagnostik sind gegebenenfalls Atemtests, Harnstofftests, bakteriologische und virologische Stuhluntersuchungen, parasitäre Stuhluntersuchung sowie Pankreas-Elastase im Stuhl durchzuführen .

Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, dass der Umfang der Differenzialdiagnostik sich an verschiedenen Informationsquellen (z . B . Warnhinweise aus Fremd-/Eigenanamnese) orientieren sollte und dabei stets von der Entscheidung des Arztes abhängt . Eine enge Zusammenarbeit des Trainers mit dem behandelnden Kinderbzw . Facharzt ist demzufolge notwendig . Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass viele Kinder bereits eine solche Ausschlussdiagnostik bei der ersten Vorstellung hinter sich haben . Mit Hilfe eines Konsiliarberichtes können die Ergebnisse der ärztlichen Diagnostik erfasst werden (vgl . Material D 1) . Liegt eine Fructosemalabsorption oder Laktoseintoleranz vor, ist abzuklären, ob dies die Beschwerden umfassend erklären kann oder ob die Schmerzen zum Beispiel auch zeitlich unabhängig von der Nahrungszufuhr von Fruchtoder Milchzucker auftreten . Als absolute Kontraindikation halten wir dies nicht für sinnvoll, da auch diese Kinder lernen müssen, mit ihren chronischen, wiederkehrenden Schmerzen umzugehen .

3.4 Psychosoziale Diagnostik und Erstgespräch

Im Folgenden wird verdeutlicht, welche diagnostischen Prozesse und Verfahren bei Kindern zur Abklärung des Störungsbildes im Rahmen von probatorischen Sitzungen oder einem Erstgespräch eingesetzt werden sollten, um einen umfassenden Überblick zur Schmerzproblematik zu erhalten . Hierfür sind verschiedene Methoden und Informationsquellen zu berücksichtigen . Im Vordergrund steht eine ausführliche …