Seewölfe - Piraten der Weltmeere 583 - Kundschafter des Königs

von: Fred McMason

Pabel eBooks, 2020

ISBN: 9783954399901 , 115 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,49 EUR

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 583 - Kundschafter des Königs


 

1.


„Ein Schiff ohne Anker ist wie ein Teufel ohne Hörner“, sagte der Profos Edwin Carberry an diesem Morgen im Februar 1598, als die südliche Küste von Mallorca achteraus im morgendlichen Dunst versank.

Die Schebecke segelte, mit Steuerbordhalsen auf Backbordbug liegend, bei halbem Wind auf südwestlichem Kurs.

Der Seewolf lachte über diesen Vergleich.

„In etwa hast du recht, Ed. Ohne Anker sind wir schlecht dran, und der Ersatzanker ist nur eine Notlösung. Also müssen wir uns zwei neue Anker besorgen.“

Der Profos sah seinen Kapitän an und grinste unmerklich. Ansonsten war der „Sir“ immer glattrasiert, aber seit knapp vier Tagen traf das nicht mehr zu. Er hatte Stoppeln im Gesicht, kräftige schwarze Bartstoppeln, die zu beiden Seiten des Kinns mit feinen Silberfäden durchwirkt waren. Diese Silberfäden und die leicht angegrauten Schläfen ließen ihn noch kühner und verwegener erscheinen. Sie rundeten sein Bild sozusagen vollendet ab.

„Ist was?“ fragte Hasard, dem das Grinsen nicht entgangen war, auch wenn der Profos es zu verbergen suchte. „Du grinst über meinen Bartwuchs, oder täusche ich mich?“

„Ich doch nicht, Sir“, sagte der Profos, und er hatte wieder seinen unschuldigen Blick drauf. „Na ja“, gab er gleich darauf zu, „es ist einfach ungewohnt. Aber der Bart steht dir verdammt gut, Sir. Ich überlege gerade, ob ich mir nicht ebenfalls einen Bart wachsen lassen soll. Aber bei mir wird das nur wieder ein wildes Gestrüpp, und dann kennt mich keiner mehr, und jeder glaubt, ich wollte mich hinter dem Gebüsch verstecken. Willst du in England der königlichen Lissy mit Bart unter die erlauchten Augen treten?“

„Nicht unbedingt, es ist für mich auch eher so eine Art Versteckspiel. Wir haben an Steuerbord die spanische Küste und müssen wohl oder übel an ihr entlangsegeln, bis wir Gibraltar hinter uns haben und den Atlantik erreichen.“

„Ah, jetzt begreife ich“, sagte der Profos nachdenklich. „Fast jeder Don kennt dich hier und ist wild auf die Kopfprämie, die Seine Allerkatholischste Majestät ausgesetzt hat. Man soll dich nicht gleich erkennen, falls wir auf die ehrenwerten Señores stoßen.“

„Sehr richtig“, gab Hasard zu. „Man muß ihnen ja nicht auf die Nasen binden, daß El Lobo del Mar in ihren Gewässern kreuzt. Sie würden uns mit allen verfügbaren Schiffen jagen, wenn sie das wüßten. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß wir mit einer ihrer Kriegsgaleonen zusammentreffen, oder daß sie Kontrollen vornehmen. Wenn sie mich erkennen, dann sind wir alle geliefert.“

„Man würde uns an den nächsten Galgen hängen, aber alle“, meinte der Profos stirnrunzelnd.

„Das ginge wenigstens noch schnell“, sagte Don Juan de Alcazar und lächelte dünn. „Viel wahrscheinlicher bringt man uns mit der Garotte um, jener kühlen Würgeschraube, mit der die Todesstrafe langsam durch Erdrosseln vollstreckt wird. Es soll ein sehr unangenehmer Tod sein.“

„Jedenfalls befinden wir uns in des Teufels Gewässern“, ließ sich Dan O’Flynn vernehmen. „Wir haben eine kritische Strecke vor uns, die wir am besten in einem Rutsch unter vollem Preß durchsegeln. Wir können unsere Schnelligkeit gegen die Dons ausspielen.“

„Falls es nicht gleich etliche Kriegsschiffe sind“, bemerkte Hasard trocken. „Dann nutzt uns das auch nicht mehr viel.“

„Wenn wir in einem Rutsch durchsegeln, brauchen wir auch keinen Anker“, tönte Carberry, „den besorgen wir uns dann woanders.“

„Vielleicht in Marokko an der Barbareskenküste, was?“ fragte Hasard lachend. „Da können wir uns mit der Schebecke noch weniger blicken lassen. Für die Kerle wären wir ein gefundenes Fressen. Die würden uns mit tausend Freuden die Haut abziehen.“

„In Streifen, von unseren Affenärschen“, mußte der Profos natürlich noch hinzufügen, weil er seinen Lieblingsspruch schon lange nicht mehr gebraucht hatte.

„Ja, so ähnlich ganz bestimmt.“

Der Seewolf schien heute glänzender Laune zu sein. Immer wieder erschien ein undeutbares Lächeln auf seinem Gesicht, das sich die anderen nicht erklären konnten. Auch tanzten winzige Punkte in seinen Pupillen. Er schien sich insgeheim über etwas zu amüsieren.

Carberry hätte das zu gern herausgefunden. In einem solchen Fall begann ihn die Neugier ganz erheblich zu plagen. Aber fragen wollte er dennoch nicht.

„Trotzdem brauchen wir zwei neue Anker“, sagte Hasard nach einer Weile.

Er blickte Don Juan de Alcazar an, und dann grinsten alle beide – Hasard und der hochgewachsene sehnige Spanier.

Carberry räusperte sich, und weil er das Grinsen der beiden immer noch nicht zu deuten wußte, schlug er etwas boshaft vor, doch einfach einen spanischen Hafen, anzulaufen und dort bei einem Schiffsausrüster zwei Anker zu kaufen. Notfalls könnten sie ja auch ein anderes Schiff aufbringen und zwei Anker „beschlagnahmen“.

„Dann hat das andere Schiff aber keine Anker mehr und befindet sich ebenfalls in einer üblen Lage“, sagte Hasard. „Da halte ich deine erste Idee schon für wesentlich besser, einen spanischen Hafen anzulaufen, um dort das Erforderliche zu besorgen.“

Der Profos lachte pflichtschuldigst, als sei das ein guter Witz. Aber das Lachen blieb ihm dann doch gleich im Hals stecken, als Hasard wieder das Wort ergriff.

„Mit dem Gedanken spiele ich schon seit gestern abend, als ich mir überlegte, woher wir die Anker kriegen. Gleichzeitig wäre das eine Gelegenheit, einmal zu prüfen, ob mich ein Don erkennt.“

„Es gibt genaue Beschreibungen von dir, Sir“, wandte der Profos entsetzt ein. „Der Vorschlag war nur als Spaß gedacht. Wir können doch nicht im Süden von Spanien einen Hafen anlaufen.“

„Die Beschreibung von mir ist schon ein paar Jahre alt“, erwiderte Hasard. „In der Höhle des Löwen ist man immer am sichersten aufgehoben. Ich glaube nicht, daß mich jemand erkennt. Wir müssen ja nicht unbedingt Cartagena oder Malaga anlaufen, wo die Kriegsschiffe liegen. Ein anderer kleiner Hafen tut es auch.“

Carberry betrachtete seinen Kapitän eingehend. Dann kratzte er sich mit der Hand über das Kinn.

„Die Señoritas werden dir nachlaufen, Sir. Du siehst mit den Silberstreifen unheimlich interessant aus.“

„Das ist meine geringste Sorge“, sagte Hasard lachend. „Hauptsache, die Schergen laufen mir nicht nach. Ich bin aber sicher, daß man mich mit dem Bart nicht erkennt. Es würde mir jedoch eine diebische Freude bereiten, das zu tun.“

Jetzt grinsten auch die anderen Kerle bis zu den Ohren.

Carberry stellte sich das ebenfalls vor, und dann sah er die Sache auch schon ganz anders.

„Direkt in die Höhle des Löwen, was, wie? Das wäre natürlich der absolute Hammer. Mit spanischen Uniformen?“

„Das nicht gerade, aber mit spanischer Kluft. Dazu gehören ja auch Kürbishosen. Haben wir doch alles an Bord. Wir können den Dons ein prächtiges Theater vorspielen.“

Don Juan begann schallend zu lachen. Einstmals hatte ihn die Casa de Contratación ausgeschickt – im Range eines Generalkapitäns und Sonderbeauftragten der spanischen Krone – den Seewolf zu fangen, um ihn der spanischen Gerichtsbarkeit zu überstellen. Jetzt waren El Lobo del Mar und Don Juan de Alcazar die besten Freunde.

„Cartagena und Malaga können wir ausklammern“, sagte er, „ebenso Alicante, das ehemals römische Lucentum. Dort treiben sich zu viele Kriegsgaleonen und Bewaffnete herum. Aber wir könnten Denia anlaufen, eine kleine Hafenstadt im Norden der Weißen Küste. Sie war einmal die Hauptstadt eines kleinen maurischen Königreiches. Dort wird ganz bestimmt niemand Spaniens Erzfeind Nummer eins vermuten.“

Der einzige, der ernsthafte Bedenken anmeldete, war der Kutscher. Er schüttelte besorgt den Kopf.

„Soll man das Glück wirklich herausfordern? Sich in die Höhle des Löwen zu begeben, heißt nicht unbedingt, dort auch sicher aufgehoben zu sein. Der Löwe könnte aus einem Schlummer erwachen und einen guten Bissen wittern.“

„Keine Sorge“, sagte Hasard. „Juan hat mir versichert, daß die Leute in dem Ort noch fast hinter dem Mond leben. Die wissen vermutlich nicht einmal, wer ich bin, wenn man es ihnen erklärt. Außerdem brauchen wir die Anker ganz dringend.“

„Und wenn zufällig doch eine Kriegsgaleone der Dons...