Lesereise Katalonien. Die ewige Suche nach des Esels Seele

von: Christian Leetz

Picus, 2011

ISBN: 9783711750532 , 132 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Lesereise Katalonien. Die ewige Suche nach des Esels Seele


 

Von Römern und Türmen (S. 77-78)

Die besonderen Traditionen und Ruinen in Tarragona

Heinz ist begeistert. Und ein wenig wehmütig ist er auch. Am liebsten würde der Mann aus Nürnberg in seinem Leben alle Stätten des Weltkulturerbes besuchen. Für den Studienreisenden ist das Altertum wie eine Sucht. »Leider allerdings«, sagt er, hat er »den Wert und die Schönheit dieser Sachen erst mit dem Älterwerden erkannt«.

Heinz wird es nicht schaffen, so viel ist sicher, selbst, wenn er vor dreißig Jahren schon damit begonnen hätte, die Welterbeliste rauf und runter zu fliegen. Knapp neunhundert Denkmäler in hundertfünfundvierzig Ländern hat das Welterbekomitee in Paris seit 1975 mit dem Titel geadelt, und jährlich werden es mehr. Kritiker sprechen inzwischen nicht zu Unrecht von einem Overkill, einer Überstrapazierung des Begriffs, wovon Heinz aber nichts hören möchte.

Muss er auch nicht. Der Achtundsechzigjährige ist in Tarraco, wie die Römer das heutige Tarragona nannten. Und wenn der Titel UNESCO-Weltkulturerbe irgendwo gut passt, dann hier. Denn das archäologische Ensemble und die Baudenkmäler der untergegangenen Weltmacht sind neben denen von Mérida in der Extramadura die bedeutendsten des ganzen Landes. Im Zweiten Punischen Krieg eroberten die Römer das damalige Dorf, dessen Anfänge bis ins 3. Jahrtausend vor Christus zurückreichen. Mit neuen Befestigungsmauern stieg Tarraco zum wichtigsten Stützpunkt in Spanien auf, Julius Cäsar ernannte die Stadt 45 vor Christus zur Kolonie, unter seinem Nachfolger Kaiser Augustus wurde Tarraco schließlich zur Hauptstadt der Provinz Hispania Citerior. Glanzvoll, reich und mächtig wie nur wenige Orte war die heute von Petrochemie geprägte Stadt eine der wichtigsten im Römischen Reich.

Mancher Besucher wird überrascht sein, wie die Stadt dieses Erbe annimmt. Um das Forum Romanum zum Beispiel hat man einfach herumgebaut. Würden nicht zwei Säulen etwas höher herausragen, man würde das Gelände im Vorbeigehen für einen Bolzplatz des Wohngebiets halten. Auf den Balkonen ringsum flattert bunte Wäsche, Kinder kreischen, ein paar Alte hocken auf Bänken im Schatten. Ganz normaler Alltag im Angesicht eines Weltkulturerbes.

Diese Unaufgesetztheit macht Tarragona sympathisch. Natürlich hätten die Stadtplaner manchmal feinfühliger sein können, man hätte die Eisenbahnlinie nicht unbedingt direkt hinter dem Amphitheater entlangführen müssen. Andererseits: Warum eigentlich nicht? Heinz stört es nicht, er hat sich den richtigen Winkel für sein Erinnerungsfoto profimäßig von den Postkarten abgeschaut, die überall in den Ständern der Souvenirläden stehen. Nicht von oben, vom Ende der Rambla Nova, muss man das Bild machen, sondern von weiter unten. Flach drüber über die alten Steinsitze, dann verschwindet die Hochspannungsleitung im Sucher, als gäbe es keine; nur noch die Mauern und Stufen sind zu sehen, nur das Mittelmeer blitzt schön blau im Hintergrund.