No, warum nicht? - Der jüdische Witz als Quelle der Lebenskunst

von: Elisabeth Jupiter

Picus, 2011

ISBN: 9783711750013 , 116 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 13,99 EUR

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No, warum nicht? - Der jüdische Witz als Quelle der Lebenskunst


 

7. Juden und Christen (S. 52-53)

Wie schon erwähnt, wird das Charakteristikum der Selbstironie des jüdischen Humors durch die Beschäftigung mit christlichen Sitten und Gebräuchen etwas aufgeweicht. Ist es ein Wunder, wenn man ans Anderl von Rinn denkt? Einen Meineid zu schwören, ist in jeder Religion eine schwere Sünde.

Im Schtetl rennt Istvan aufgeregt zum Dorfpolizisten und erzählt, dass im Hinterzimmer des Wirtshauses der katholische Pfarrer, der protestantische Pastor und der Rabbi pokern. Der Polizist macht sich auf den Amtsweg und als die drei hören, wie sich die Tür des Wirtshauses öffnet, lassen sie die Karten verschwinden. Der Polizist tritt ein, hat Angst, so honorige Personen zu durchsuchen, und sagt: »Sie sind alle Männer Gottes, daher frage ich Sie und bitte Sie mir zu schwören, dass Sie nicht gepokert haben!« [98]Der Pfarrer: »Ich schwöre!« Der Pastor: »Ich schwöre!« Der Rabbi: »No, kann man alleine pokern?«

*

Grüns ältester Sohn ist, um eine Katholikin heiraten zu können, zum christlichen Glauben konvertiert. Da einem frommen jüdischen Vater nichts Schlimmeres passieren kann, versinkt Grün in tiefe Depression und sperrt sich in seine Kammer ein. Plötzlich geht die Tür auf und ein alter Mann mit weißem Bart tritt ein. Es ist Gott: »Warum weinst du, Grün?« »Soll ich denn nicht weinen, mein Sohn hat sich taufen lassen!« »Aber Grün, meiner doch auch!«

»Ja, und was soll ich jetzt machen?« »Mach’s wie ich: Mach ein neues Testament!« * Moische ist ein wirklich sehr schwer erziehbares Kind. Eigentlich überhaupt nicht erziehbar; aus allen jüdischen Schulen ist er schon rausgeflogen, sodass den Eltern nichts anderes mehr überbleibt, als ihn in ein katholisches Internat zu stecken. Dort ist er wie ausgewechselt: [99]der beste Schüler, immer ganz brav, bei keinem Streich dabei. Weil die Mutter schon beginnt sich Sorgen zu machen, besucht sie ihn in seinem Zimmer im Internat. »Moischele, ja sag einmal, wie kommt es denn, dass du so brav bist?« Worauf der kleine Bub ins Zimmereck zeigt, in dem ein Kruzifix hängt und sagt: »No schau her, was sie mit den Juden machen, die nicht folgen!«

Aufzuwachsen mit viel Angst vor etwas, was kein Mensch, auch nicht mit noch so viel Intellekt, verstehen kann, ist natürlich eine schwere Bürde. Das Phänomen des Glaubens von irrationalen Dingen – in allen Religionen – ist nach wie vor von großem psychologischen Interesse. Wie schön wäre es gewesen, wenn die Menschheit diese Sehnsucht nach Irrationalem in Kreativität umgewandelt hätte. Und zwar flächendeckend!

Einmal bleibt Moische während des katholischen Religionsunterrichts in der Klasse sitzen. Der Lehrer fragt: »Wer kann mir sagen, was das ist, es ist klein, braun mit einem buschigen Schwanz und hüpft von Baum zu Baum?« Weil niemand Antwort gibt, wird Moische aufgerufen, der die Hand gehoben hat. [100]»No, Moische, weißt du die Antwort?« »Ich würde ja sagen a Eichkatzerl, aber wie ich Sie kenne, ist es wahrscheinlich das Jesukindlein!«