Für das Herz ist Liebe genug

von: Cooper West

Cursed Verlag, 2019

ISBN: 9783958237780 , 218 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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Für das Herz ist Liebe genug


 

 

Kapitel 1


 

 

Hogan's Diner hatte sich nicht verändert.

Mit einem Stich Nostalgie schob Jesse Ford die Eingangstür zu dem ehrwürdigen Schnellimbiss auf. Sein erstes Date mit einem Jungen hatte bei Hogan's begonnen und mit siebzehn hatte er in der vierten Nische von hinten sitzend sein Aufnahmeschreiben aus Yale gelesen. Es war außerdem der Schauplatz seines ersten Sitzstreiks gewesen, der Beginn von Jesses langem, steinigem Weg zu politischem Aktivismus. Jesse hatte ein gebrochenes Herz, war entwurzelt, professionell angeschlagen und Hogan's war eine vertraute Konstante in einem Meer der Veränderung.

Jesse trat ein und begrüßte die Wärme nach den strengen Frühlingswinden an der Küste von Michigan, obwohl einem Teil von ihm bereits davor graute, sich den Veränderungen zu stellen, die Hogan's in den Jahren seiner Abwesenheit mit Sicherheit durchlaufen hatte.

Die Tür fiel hinter ihm zu und er sah sich überrascht um, als er entdeckte, dass der Ort sich kaum verändert hatte. Die vorherrschende Farbkombination war immer noch Rot und Weiß und der Aufbau beinahe genauso wie in Jesses Jugend. Die Kasse stand im Eingangsbereich, eine gelangweilt wirkende Kellnerin saß telefonierend dahinter und der Grill war immer noch im hinteren Bereich und wurde von einem Koch in langer Schürze bedient.

Der Koch schien tatsächlich das einzige Zugeständnis an die moderne Welt zu sein. Er war jünger als Jesse, möglicherweise Mitte zwanzig, und hinreißend. Er war fit und muskulös, mit einer schlanken Taille, stilisierten Tattoos auf beiden Armen und mehrmals gepiercten Ohren. Er sah sich um und nagelte Jesse mit seinen intensiven grünen Augen fest.

Der Mann war an allen objektiven Standards gemessen wunderschön, wenn auch schreiend unkonventionell, und Jesses Standards waren überhaupt nicht objektiv. Wenn er zehn Jahre jünger wäre, dachte er sich, würde er zuerst den Koch selbst bestellen. Über die Jahre hatten seine Gelüste sich geändert, aber er wusste Schönheit noch zu schätzen.

Der Kerl grinste ihn an. Jesse wusste, dass er auf frischer Tat dabei ertappt worden war, wie er den Kerl abgecheckt hatte, aber er hatte seinen Stolz und einen starken Sinn für Selbsterhaltung. Creston war immer noch eine Kleinstadt und Jesse wollte es nicht in der ersten Woche nach seiner Rückkehr in die Klatschblätter schaffen, daher wählte er den feigen Ausweg und wandte den Blick ab.

Während er sich im Diner umsah, statt den Koch zu betrachten, schwelgte Jesse in der zeitlosen Natur des Orts. Er roch immer noch nach Fett.

»Ändert sich nie, oder?« Eine raue, vertraute Stimme riss Jesse aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und fand sich Auge in Auge mit seiner Vergangenheit wieder.

»Davey!« Jesse streckte die Hand aus.

Davey Carlyle, ehemaliger Quarterback und Mädchenschwarm der Brantley High, schlug ein. Man könnte sagen, dass Davey nicht gut gealtert war, aber Jesse respektierte die grauen Haare und Krähenfüßchen. Er erinnerte sich, dass Davey nach dem Abschluss direkt den Marines beigetreten war, und das würde wohl jeden vorzeitig altern lassen. Davey war immer noch gut aussehend und strahlte noch den Charme des amerikanischen Bauernjungen aus, dem so viele Mädchen (und mehr als nur einige Jungen) in ihren glorreichen Tagen verfallen waren.

»Jesse Ford! Schön, dass du vorbeikommst!« Davey grinste.

»Ich konnte doch nicht in die Stadt kommen, ohne bei Hogan's vorbeizuschauen.« Jesse spürte, wie er Daveys Grinsen erwiderte. Bis zu diesem Moment hatte sich die Stadt nicht wirklich wie Heimat angefühlt. »Was führt dich hierher?«

»Meine Frau und ich wohnen hier.« Davey lächelte und zeigte nach oben.

»Wirklich? Ich dachte, das gesamte Gebäude wäre Hogan's

»Das ist es, Mann. Das ist es. Hey, komm rein, mach dich locker!« Davey gestikulierte ausholend. Jesse ging instinktiv zur Bar und zog einen Hocker heraus. Der wunderschöne Engel, der den Grill beherrschte, beobachtete ihre Bewegungen, als sie sich setzten, reagierte jedoch nicht auf sie.

»Also, was gibt's?«, fragte Jesse. Zwischen ihnen gab es keine Wie geht's dir?-Fragen; er wusste, dass sie dort weitermachen konnten, wo sie vor Jahren aufgehört hatten, und dass er ehrliche Antworten von Davey bekommen würde. Das war etwas, wonach Jesse sich sehnte, nach all den akademischen Intrigen und den Lügen, mit denen er gelebt hatte.

»Mann, ich bin im Ruhestand!« Davey grinste wieder, gab sich ganz gelassen und entspannt.

»Was du nicht sagst! Also hat Hogan dir eine Wohnung vermietet?«

Daveys Gesichtsausdruck wurde ernst. »Tut mir leid, Mann, nein. Hogan selbst ist vor einer Weile gestorben. Ich hab meinen Kampflohn genommen, um den Betrieb zu kaufen, sobald ich bei den Marines fertig war.«

Jesse wollte nicht daran denken, wie viele Kämpfe Davey durchlebt haben musste, um einen halben Block in der Innenstadt von Creston kaufen zu können, daher nickte er stattdessen stumm bei der Nachricht von Hogans Tod. Der alte Mann war ein klassischer Dorfmogul gewesen, sehr großzügig, aber auch engstirnig und kleingeistig. Jesse war er immer unsterblich und unveränderlich vorgekommen und es war ein Schock zu erkennen, dass seine einzige Hinterlassenschaft aus Daveys Huldigung in Form des Diners bestand.

»Hey, Boss.« Der Koch knallte einen Teller mit Hogans berühmten Chili-Pommes auf die Theke und sein Gesichtsausdruck war weich, als er Davey einen vertrauten Blick zuwarf. Davey war sehr hetero, aber der Junge war einen Schritt davon entfernt, für ihn zu schwärmen, und Jesse war nicht sicher, was er davon halten sollte. Er war innerlich zerrissen zwischen Eifersucht und Missbilligung, da es Erinnerungen an seinen Ex Matthew heraufbeschwor. Das half seiner Stimmung nicht gerade, daher warf er dem Jungen einen bösen Blick zu und hoffte, ihn damit zu verjagen.

»Danke! Hey, Jesse, das ist Templeton, mein fantastischer Grillkoch!« Davey stellte sie einander vor, während er den Teller mit Pommes beschützerisch zu sich heranzog. Darüber lächelte Jesse, denn manche Dinge änderten sich nie.

»Nett, dich kennenzulernen.« Templetons Miene war neugierig, als er höflich die Hand ausstreckte. Jesse beschloss, sich nett zu geben, da Davey den Jungen mochte. Auf jeden Fall schätzte er das Gib Trinkgeld oder stirb!-T-Shirt, das er trug.

»Gleichfalls. Ich bin sicher, du bist der beste. Davey macht nicht oft Komplimente.«

Dafür erntete er ein überraschend schüchternes Grinsen. »Danke.« Templeton brach ab und ging in den Lagerbereich nach hinten.

»Er ist hübsch, nicht wahr?« Davey grinste, während ihm ein Stück Pommes aus dem Mund hing.

»Ich bin alt, nicht tot«, grummelte Jesse.

Davey lachte schallend. »Zum Teufel. Egal, ob tot oder lebendig, hetero oder schwul – du müsstest ein Idiot sein, um das nicht zu schätzen. Ich weiß, dass meine Frau gerne hinschaut.«

»Du solltest deine Angestellten nicht wie Objekte behandeln, mein Freund.« Jesse griff sich einige Pommes.

»Du protestierst immer noch gegen Big Brother, hm?« Davey verdrehte die Augen.

»Mmmh«, antwortete Jesse mit vollem Mund.

»Denk bloß nicht daran, meinen Diner zu bestreiken, wie du es bei Hogan gemacht hast.« Davey runzelte die Stirn, aber in seinen Augen stand Erheiterung.

»Wie du meinst. Du hast mich doch unterstützt.«

»Ach, neeeein. Ich hab nur geholfen, die Schilder zu malen.« Davey lachte.

Jesse lächelte und warf dann einen Blick zu Templetons Rücken hinüber. »Und die Wahrheit wäre?«

Davey seufzte dramatisch. »Die Wahrheit ist, er ist ein guter Junge, der nach ein paar schweren Schlägen wieder auf die Beine zu kommen versucht.«

»Das Gefühl kenne ich.« Jesse seufzte.

Davey runzelte die Stirn. »Du bist nicht zu Besuch hier, oder?«

»Nicht wirklich.«

Davey schob ihm den halb leeren Teller mit Pommes zu. »Rede.«

Es lag nicht in Jesses Natur zu reden, aber Davey war ihm, schon lange bevor sie in die Highschool gekommen waren, unter die Haut gekrochen. Er redete leise, damit die Kellnerinnen und Templeton nicht mithören konnten, denn er wollte seine schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit aushängen. Er gab Davey die Kurzversion der bösartigen akademischen Politik, die ihn von seiner Professur in Princeton vertrieben hatte. Es war eine beschämend weiche, kleine Angst, die er mit einem ehemaligen Marine teilte, der zweifellos wusste, wie die richtige Hölle aussah.

Aber Davey benahm sich wie immer, hörte zu und wirkte aufrichtig entrüstet für Jesse. Als er seine nicht gerade aufschlussreiche Geschichte beendet hatte, rieb Jesse sich die Schläfen und ächzte.

»Also wohne ich in der Wohnung über Moms Garage und ich hätte wirklich gehofft, mit vierunddreißig besser dazustehen.« Das war eine gewaltige Untertreibung, denn Jesse fühlte sich gründlich gedemütigt, weil er nach seinem triumphalen Auszug nach Yale vor fast zwanzig Jahren wieder in Creston gelandet war.

Davey summte und schnalzte mit der Zunge wie eine alte Frau. Jesse funkelte ihn an. »Was?«

»Das ist doch nicht alles, oder?«

Jesse schob sich ein Stück Pommes in den Mund.

»War es irgendein herzloser Mistkerl, der dein Herz gebrochen hat, oder hast du wieder Streuner aufgenommen?« Daveys Stimme war so leise, dass niemand ihn hören konnte, nicht einmal der stets aufmerksame Templeton.

»Du musst gerade reden«, flüsterte Jesse und sein Blick huschte zum Koch hinüber.

»Nicht ganz...