Frontiersmen: Blutfehde auf Alvarado

von: Wes Andrews, Bernd Perplies

beBEYOND, 2017

ISBN: 9783732556984 , 382 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 6,99 EUR

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Frontiersmen: Blutfehde auf Alvarado


 

– 1 –


Für eine Hand voll Dollar, so lautete eine weithin bekannte Wahrheit, bekam man auf Alvarado alles.

Die Welt lag an der Grenze der Kernwelten und galt als Sprungbrett zu den Randplaneten. Aus diesem Grund wurden am Raumhafen der planetaren Hauptstadt Zaragoza, dem Hauptumschlagsplatz für Waren auf Alvarado, Hightech-Waffen ebenso gehandelt wie guter alter Whiskey, Kernweltenmode ebenso wie Tierfelle, chemische Düngemittel und Steuerelektronik für Terraformer ebenso wie Peko-Schmuck und Getreide.

Auch lebende Tiere wurden regelmäßig nach Alvarado importiert und dort einem festen Abnehmer übergeben oder auf den Warenmärkten zum Verkauf angeboten. Hühner, Schafe, grauhäutige, sechsbeinige Kamas von Loredo oder auch Rinder wechselten hier mit schöner Regelmäßigkeit den Besitzer. Rinder wie die, die John Donovan im Gepäck hatte.

Eine ganze kleine Herde Longhorns von Purcell stand in den beiden Frachträumen seines in die Jahre gekommenen Raumfrachters Mary-Jane Wellington und starrte von Medikamenten benebelt ins Leere, während sie stoisch auf Heuballen herumkaute und stinkende Fladen auf den mit Industriefolie ausgelegten Boden fallen ließ. Sie hatten nur drei Transits von Purcell bis nach Alvarado durchführen müssen, trotzdem war John der Flug so lange wie selten vorgekommen. Tiere gehören einfach nicht in Raumschiffe, in denen man kein Fenster aufmachen kann, dachte er zum wiederholten Mal in den vergangenen Tagen.

»Wo bleibt der Bursche nur?«, fragte sich Pat Hobel, genannt Hobie, der genau wie John auf einem ausgeklappten Liegestuhl im Schatten des Steuerbordfrachtraums der Mary-Jane saß. Unter der zerknautschten roten Schirmmütze – ein Markenzeichen, genau wie seine taschenreiche Weste und der kalte Zigarrenstumpen im Mundwinkel – kniff Johns langjähriger Freund und Mechaniker die Augen zusammen. Suchend ließ er den Blick übers Landefeld des Raumhafens schweifen, eine riesige, betonierte Fläche mit eingezeichneten Landezonen für Schiffe unterschiedlicher Größe, zwischen denen breite Zufahrtsstraßen verliefen.

John zog die Goldimitat-Taschenuhr aus seinem knielangen, grauen Mantel und warf einen Blick darauf. Eigentlich gehörte die Uhr einem Freudenhausbetreiber in Williamsport auf Briscoll. Er hatte dem Mann sein Eigentum längst zurückschicken wollen, aber irgendwie war er noch nicht dazu gekommen.

»Hm«, brummte er. »Hadden-Paton ist schon drei Stunden überfällig. Seltsam. Bei unseren Gesprächen machte er auf mich den Eindruck, als sei er ein Mann, nach dem man die Uhr stellen könnte.«

Henry Hadden-Paton war ein Rinderbaron, der irgendwo außerhalb von Zaragoza eine Farm besaß. Er hatte John und seine Leute engagiert, um zweihundert Tiere einer Rasse, die er hier ansiedeln wollte, von Purcell nach Alvarado zu bringen. Eine Anzahlung hatte der steife und in Johns Augen überkorrekte Ex-Unionsoffizier selbstverständlich geleistet. Dennoch wollte John auch den Rest seines Geldes sehen. Vor allem wollte er die Tiere loswerden, deren Futter langsam knapp wurde.

John steckte die Uhr wieder in die Manteltasche, schlug den Saum etwas zurück und zog das Komm-Gerät vom Gürtel. Er rief Kelly, die gemeinsam mit Aleandro und Piccoli im Schiff geblieben war, um die Rinder zu versorgen.

»Was gibt es, John?«, wollte seine blonde Partnerin wissen.

»Hat sich unser Geschäftspartner Hadden-Paton bei euch gemeldet?«, antwortete John mit einer Gegenfrage.

»Nein.«

Er verzog das Gesicht. »Seine Verspätung beginnt mir mehr und mehr Sorge zu bereiten.«

»Soll ich ihn anrufen?«

»Das wäre fantastisch. Danke, Kelly.«

»Kein Problem, John.«

Kelly hatte ursprünglich in den Kernwelten Medizin studiert, doch kurz vor dem Abschluss alles hingeschmissen, um hinaus ins All zu ziehen und das echte Leben kennenzulernen. John hielt das bis heute für eine etwas fragwürdige Geschichte, aber er war froh darüber, dass er ihr begegnet war – und das nicht nur, weil sie ihm an jenem Abend vermutlich das Leben gerettet hatte, als sie in einer Gasse buchstäblich über ihn gestolpert war.

John beschattete die Augen und ließ seinen Blick über das Landefeld schweifen. Die übliche Mischung aus Passagierraumern, Konzernfrachtern und Freischaffenden hatte sich an diesem Nachmittag am Raumhafen von Zaragoza eingefunden. Die aggressive, stahlgraue Form eines Patrouillenschiffes des Unionsmilitärs fiel John ins Auge. Außerdem schien eine Vaudeville-Truppe vor Kurzem gelandet zu sein, denn eines der Raumschiffe wies eine schreiend bunte Lackierung auf und blinkte aufdringlich im vorderen Bereich des Raumhafens. Bekannte Schiffe fand er nicht. Obwohl Alvarado seit jeher ein Treffpunkt für Frontiersmen war, die sich bis in die Kernwelten vorwagten, schienen sich im Augenblick alle seine Freunde und Feinde an einem anderen Ort aufzuhalten.

Sein Komm-Gerät piepte. Er hob es an die Lippen. »Und, Kelly, wie sieht es aus?«

»Nicht gut«, erwiderte die junge Frau. »Ich erreiche Hadden-Paton nicht, weder auf seinem persönlichen Komm-Gerät noch auf dem offiziellen Anschluss seiner Farm, den Aleandro mir aus dem Netz besorgt hat.«

»Das wollte ich nicht hören.« John fluchte leise. Dann warf er Hobie einen Seitenblick zu. »Wie es scheint, muss ich dem Burschen wohl einen Besuch abstatten.«

Er wandte sich wieder dem Komm-Gerät zu. »Kelly, kopier mir die Adresse unseres Geschäftspartners auf einen Speicherstift. Seine Farm liegt doch irgendwo außerhalb von Zaragoza. Ich fahre mit dem Schweber mal hin und erinnere den guten Mann an unseren Handel.«

»Ist gut«, erwiderte sie. »Ich bringe dir den Zylinder gleich in den Frachtraum.«

John stand auf.

»Soll ich mitkommen?« Fragend blickte Hobie zu ihm hoch.

»Nein, hilf lieber den anderen, die Tiere zu versorgen. Mit unserem guten Rinderbaron komme ich schon klar.«

»Wie du meinst, John.« Hobie zuckte mit den Achseln, bevor er sich ebenfalls erhob und beide Klappstühle einpackte.

Unterdessen stiefelte John zur offenen Rampe des Backbordfrachtraums hinüber. Als er sie erklomm, schlug ihm der Gestank von zu vielen Tieren auf zu engem Platz entgegen. Aus großen, gleichgültigen Augen glotzten ihn die Longhorns an, die hinter einer Absperrung den Frachtraum ausfüllten. Johns zweisitziger Landgleiter, ein Fargo-Ti27, parkte quer davor am oberen Rand der Rampe. Auf der kleinen Ladefläche zwischen den kegelförmigen Außentriebwerken stapelten sich Kisten, die derzeit keinen richtigen Platz im Frachtraum hatten.

»Aleandro«, rief John dem jüngsten Mitglied seiner Besatzung zu, einem zwanzigjährigen Vagabunden von Loredo, der ein wahrer Zauberer im Umgang mit Computern und anderer Feinelektronik war. »Komm mal her und hilf mir mit den Kisten.«

Der junge Mann mit dem schulterlangen Haar, dem weißgrauen Stirntuch und dem etwas gerupft wirkenden Bart lehnte seufzend die Schaufel an die Seitenwand des Frachtraums, mit der er soeben Exkremente in einen Eimer geschippt hatte. Vorsichtig schob er sich zwischen den Rindern hindurch. Er trug Gummistiefel und einen braunen Arbeitsoverall und sah damit aus wie ein jugendlicher Strafgefangener, den man zur Zwangsarbeit auf einer Farm verdonnert hatte.

»Ich bin so froh, wenn wir diese Mistviecher los sind«, stöhnte er, als er über das provisorische Gatter stieg.

»Ich gebe mein Bestes, damit dies noch heute geschieht«, erwiderte John. »Leider ist unser Kunde nicht aufgetaucht, sodass ich zu einem Hausbesuch gezwungen bin.« Er packte eine der klobigen Kisten am Griff.

»Wie unerfreulich.« Aleandro fasste die Kiste auf der anderen Seite und gemeinsam wuchteten sie sie zu Boden.

Kurz darauf hatten sie den Fargo frei geräumt. Sie stellten gerade die letzte Kiste ab, als Kelly aus dem Schiffsinneren durch die Luke in den Frachtraum trat. »John, deine Daten.« Sie wedelte mit einem kurzen, silbernen Speicherstift, während sie sich an den Rindern vorbeidrängte. Über das Gatter hinweg reichte sie ihn John. »Eine Stunde Fahrt etwa. Hadden-Paton lebt in den Sheridan Hills östlich der Stadt.«

»Danke, Kelly.« John nickte ihr zu, nahm den Stift und kletterte in den Fargo. Keine Minute später fuhr er mit dem Schweber schwungvoll die Frachtraumrampe hinunter. »Ich bin heute Abend wieder da«, rief er, bevor er beschleunigte und über das Landefeld davonschoss.

Etwas langsamer steuerte John den Fargo an den Raumhafengebäuden vorbei. Er passierte Ingberts Warenbörse, den verruchten Rocket-Girl-Club und die heruntergekommene, aber unter Frontiersmen legendäre Starship Cantina. John kannte keines der Etablissements aus persönlicher Erfahrung, doch Hobie erzählte immer wieder davon, wenn die Rede auf Alvarado kam. Früher, als die Mary-Jane Wellington noch unter dem Kommando des alten Sturges gestanden hatte, waren der Captain und seine Leute – darunter Hobie – häufiger an diesem Ort gewesen. Bevor John allerdings vor etwa zehn Jahren als junger Mann auf der Mary-Jane anheuerte, hatten sich Sturges’ Geschäfte bereits weiter randwärts verlagert. Es war erst das zweite Mal, dass John Zaragoza besuchte, und beim ersten Mal hatte er keine Zeit für heiße Mädchen und kühle Getränke gehabt.

Nachdem er den Raumhafenbezirk von Zaragoza hinter sich gelassen hatte, steuerte John den Schweber auf eine der Hauptstraßen, die ihn in östlicher Richtung aus der Stadt führte. Zahlreiche andere Gefährte waren unterwegs. Es handelte sich überwiegend um Radfahrzeuge und Fortbewegungsmittel, die auf Prallfeldern dahinglitten, aber auch vereinzelte Pferdegespanne fielen im...