Madame Hemingway - Roman

von: Paula McLain

Aufbau Verlag, 2011

ISBN: 9783841203069 , 464 Seiten

2. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 8,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Madame Hemingway - Roman


 

"Siebenundzwanzig (S. 241-242)

»Ich weiß, dass wir ein Jahr fortbleiben wollten«, erklärte Ernest Gertrude bei unserem ersten Besuch nach unserer Rückkehr. »Aber vier Monate sind ein Jahr in Kanada.« »Du bist fertig mit dem Journalismus, das ist die Hauptsache «, erwiderte Gertrude. »Nun ist es Zeit, aufs Ganze zu gehen und das zu schreiben, wozu du berufen bist.« »Bei Gott, ich bin bereit«, rief er und schenkte sich ein weiteres Glas Birnenschnaps ein. Während die beiden so fortfuhren, sich an der Gewissheit und Begeisterung des anderen zu nähren, beobachtete ich Alice.

Sie schien angespannt und nach innen gekehrt, und ich fragte mich, ob sie unglücklich über Ernests Rückkehr war, ob sie sich während unserer Abwesenheit daran gewöhnt hatte, Gertrude wieder für sich allein zu haben. Natürlich suchten viele Menschen Gertrudes Nähe, wollten ihre Aufmerksamkeit und ihren guten Rat, doch die Beziehung zwischen ihr und Ernest war von besonderer Intensität. Es schien fast, als wären sie Zwillinge, die eine Geheimsprache teilten und alles andere ausblenden konnten, wenn sie miteinander redeten.

Ich spürte ihre starke Verbindung, doch auch wenn diese mich früher oft verletzt hatte, konnte ich mich nun kaum noch daran erinnern, wie sich Einsamkeit anfühlte. Unser Sohn war vollkommen auf mich angewiesen und reagierte auf jede meiner Handlungen. Er drehte sich nach meiner Stimme um, der Rhythmus meiner wiegenden Arme war ihm am liebsten, und wenn er nachts wach wurde, beruhigten ihn meine Hände am schnellsten, die sanft über seinen Rücken streichelten. Für ihn und auch für Ernest war ich unentbehrlich. Ich hielt alles am Laufen. Selbstverständlich konnte Mutterschaft auch äußerst anstrengend sein.

Ich war chronisch übernächtigt und hatte oft nicht einmal mehr die Kraft, mir die Haare zu waschen oder etwas Aufwändigeres als Butterbrot zu essen. Aber wenn ich Bumby stillte, seine kleine Faust sich um den Stoff meines Kleides schloss und sein sanfter, unergründlicher Blick auf mich gerichtet war, als wäre ich das Zentrum seines Universums, dann war ich einfach nur hingerissen von ihm. Und wenn Ernest nach einem langen Arbeitstag nach Hause kam und diesen bestimmten Gesichtsausdruck hatte, der mir sagte, dass er sich zu lange allein in seinem Kopf aufgehalten hatte, dann fühlte ich mich genauso wichtig.

Er brauchte mich, und er brauchte auch Bumby, ohne uns konnte er nicht aus sich selbst herausklettern und sich wieder ganz fühlen. Das Familienleben funktionierte bei uns eindeutig am besten, wenn wir am Ende des Tages allein waren, uns gegenseitig stützten und miteinander in Einklang brachten. Diese Abende standen jedoch sehr im Widerspruch zum Paris der Bohème. Gertrude und Alice konnten ganz wunderbar mit Bumby umgehen. Sie schenkten ihm eine glänzende silberne Rassel und gestrickte Babyschuhe.

Als er getauft wurde, brachten sie einen exzellenten Champagner mit, den wir zu Rosinenbrötchen, getrockneten Früchten und kandierten Mandeln aßen. Gertrude war sogar bereit, seine Taufpatin zu werden. Doch nicht alle unsere Freunde wussten noch etwas mit uns anzufangen, nachdem wir stets ein Baby im Schlepptau hatten. Pound und Shakespear kamen uns auf einen späten Drink besuchen oder trafen sich mit uns im Café, wenn wir einen Babysitter für Bumby fanden, doch Pound machte unmissverständlich klar, dass er keine Kinder in seiner Wohnung duldete. Und zwar nicht etwa wegen des Lärms oder des Durcheinanders, das sie womöglich anrichteten, sondern allein aus Prinzip. »Ich glaube einfach nicht an Kinder«, erklärte er. »Nichts für ungut, Hadley.«"