Was zu tun ist, wenn es so weit ist - Kapitalschutz in unsicheren Zeiten

von: Thomas Gebert

Börsenbuchverlag, 2016

ISBN: 9783864704178 , 176 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 17,99 EUR

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Was zu tun ist, wenn es so weit ist - Kapitalschutz in unsicheren Zeiten


 

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BONITÄT
HAT VORRANG


Bei einer festverzinslichen Anlage sollten die Sicherheit und die Bonität des Schuldners an erster Stelle stehen. Es lohnt sich in der Regel nicht, um ein paar Prozent-Bruchteile zu feilschen. Schon früh haben mir die Erzählungen von Altmeister André Kostolany eingeleuchtet. Er schilderte in einem seiner schönen Bücher, dass man vor dem Ersten Weltkrieg in Paris neben den französischen Staatsanleihen unter anderem Auslandsanleihen des Russischen Reiches kaufen konnte. Die Zaren-Bonds rentierten einen viertel Prozentpunkt höher als die französischen Anleihen. Dann kam die Oktoberrevolution. Das neue Regime sah sich nicht als Rechtsnachfolger des Zarenreichs. Es fühlte sich für die Schulden nicht mehr zuständig. Das Geld, das gutgläubige Anleger in die russischen Anleihen gesteckt hatten, um ein viertel Prozent mehr Zinsen zu kassieren, war futsch. Die französischen Staatsanleihen dagegen wurden pünktlich zurückgezahlt. Man hatte für einen viertel Prozentpunkt mehr den gesamten Einsatz riskiert. Ganz ähnlich erging es denjenigen, die im Jahr 2005 griechische Staatsanleihen kauften, nur um einen halben Prozentpunkt mehr Zinsen als bei Bundesanleihen zu kassieren. Auch sie waren wenige Jahre später fast ihren gesamten Einsatz los.

Die niedrigen Zinsen treiben Anleger in riskante Anlagen

Viele Anleger lassen sich leider zu riskanten Investments verleiten, weil sichere Anlagen wie etwa eine Bundesanleihe oder Festgeld bei der Bank kaum über null Prozent abwerfen. Sie meinen, früher habe es mehr Zinsen gegeben, und die wollen sie auch wieder haben. Doch das ist eine Milchmädchenrechnung. Inflationsbereinigt nach Steuern gab es in Deutschland so gut wie noch nie eine Rendite von nennenswert über null Prozent. Um dies an einem Beispiel zu erläutern, wähle ich einmal die Werte von 1980. Der Diskontsatz, der Eckzins für kurzfristige Ausleihungen, lag damals in der Spitze bei 7,5 Prozent. Der Satz für Tagesgeldanlagen oder Monatsgelder muss damit etwa in der gleichen Größenordnung oder leicht darunter gelegen haben. Die Inflationsrate im Jahr 1980 betrug 5,4 Prozent. Gut, könnte man denken, immerhin ein Realzins von 2,1 Prozent. Doch nach Steuern sieht die Lage anders aus. Damals mussten die Zinseinnahmen zum persönlichen Steuersatz versteuert werden. Ein Anleger, der durch seine berufliche Tätigkeit ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 29.000 DM erzielte, musste jeden zusätzlichen Euro wegen der Progression mit einem Satz von fast 50 Prozent versteuern. Nach korrekter Versteuerung wären von den 7,5 Prozent bei einem Durchschnittsverdiener 3,75 Prozent angekommen. Nach Abzug der Inflationsrate von 5,4 Prozent wäre somit ein Minus von 1,65 Prozent übrig geblieben. Weil dies verständlicherweise von den Anlegern als ungerecht beurteilt wurde, wurden die Zinsen in der Regel nicht in der Steuererklärung angegeben.

Früher wurden Zinsen in der Regel
einfach nicht versteuert

Die Deutsche Bundesbank konnte ja ziemlich genau angeben, wie viel Zinsen in einem Jahr insgesamt von Banken an ihre Kunden ausgeschüttet worden waren. Das Finanzamt konnte die Zahlen beitragen, welche Zinserträge von den Bürgern bei der Steuer angegeben worden waren. Beim Vergleich dieser beiden Größen klaffte regelmäßig eine Lücke von über 90 Prozent. Damals gab es in Deutschland ein funktionierendes Bankgeheimnis. Das Risiko, mit diesem Steuerbetrug aufzufliegen, lag also bei null. Dieser Steuerbetrug wurde stillschweigend geduldet und so gut wie von jedem Sparer auch begangen. Weniger als zehn Prozent der Sparer waren in jenen Jahrzehnten – ob aus Ängstlichkeit, doch irgendwann aufzufliegen, oder einfach aus Korrektheit – ehrlich.

Dieser Missstand hätte sich leicht beheben lassen. Eine Abschaffung des Steuergeheimnisses mit einer Kontrollmeldung jeder Zinszahlung an das Finanzamt, wie es zum Beispiel in den USA damals üblich war, hätte dieses Spielchen des massenweisen Steuerbetrugs beendet. Da die Mehrheit der Wähler auch Sparer sind, ging keine Regierung gegen diesen Steuerbetrug vor, aus Angst, bei der nächsten Wahl Stimmen zu verlieren. Im Jahr 2009 wurde dieser Missstand durch die Abgeltungsteuer behoben, bei der ein ermäßigter Zinssatz von 25 Prozent gleich an der Quelle bei der Zahlung der Zinsen von der Bank einbehalten wird. Davor hatten 50 Jahre lang 90 Prozent aller Sparer, die mit ihren Zinsen über dem Steuerfreibetrag lagen, Steuerbetrug begangen. Viele rechtfertigten diesen Tatbestand vor sich als Selbstverteidigung, denn nach Steuern und Inflation wäre fast in der gesamten Zeit ein Minus herausgekommen. Diese Rechtslage war vollkommen zu Recht als stille Enteignung aufgefasst worden.

Nicht auf hohe Zinsen schielen.
Real nach Steuern gab es nie mehr

Da dieser Weg der Steuervermeidung mittlerweile verbaut ist und er ohnehin keinen Sinn mehr ergeben würde, da die Zinsen bei nahe null verharren, tendieren viele Anleger dazu, höhere Zinsen zu suchen, aber dabei eine schlechtere Bonität des Schuldners in Kauf zu nehmen. Doch Vorsicht, hier lauern Gefahren. Die Rückzahlungsversprechen sind oft nicht so sicher, wie sie sich bei Emission einer Anleihe anhören. Es gilt ein paar Regeln zu beachten. Zunächst darf man den Rat von Experten nicht außer Acht lassen.

Vier DAX-Anleihen werden als Junk eingestuft

Um die Sicherheit einer Anleihe zu prüfen, gibt es Ratingagenturen, die nichts anderes machen, als Schuldner auf ihre Rückzahlungsfähigkeit zu überprüfen. Diese Ratingagenturen wurden in den letzten Jahren in der Presse etwas schlecht behandelt, weil ihnen vorgeworfen wurde, die Kreditrisiken der US-Immobilienkrise nicht rechtzeitig vorhergesagt zu haben. Dennoch sollte man sie wegen dieser Fehleinschätzung nicht ganz außer Acht lassen. Auch bei einem Aktieninvestment lohnt es sich, nachzuschauen, wie die Anleihen der Aktienunternehmen „geratet“ sind. Dies liefert einem wertvolle Hinweise über die finanzielle Situation der betreffenden Unternehmen. Die Benotungen der Ratingagentur Moody’s laufen von AAA bis Aa3 für die investmentwürdigen Anleihen hoher Sicherheit, über die Ziffern A1 bis Baa3 für die Anleihen mit mittlerer Sicherheit, die ebenfalls noch als Investment geeignet erscheinen, bis zu den nicht mehr als Investment empfohlenen Noten Ba1 bis B3. Alles, was mit C beginnt, steht vor der Pleite.

Sicherster börsennotierter Schuldner in Deutschland ist die Allianz mit einer Note von Aa3

Die am höchsten bewerteten Anleihen eines DAX-Unternehmens sind die der Allianz mit einer Note von Aa3. Papiere der großen deutschen Firmen BASF, Daimler, Deutsche Post und Siemens liegen mit Bewertungen von A1 bis A3 in der Gruppe der Anleihen mit mittlerer Sicherheit. Im DAX befinden sich sogar vier Unternehmen – beziehungsweise drei, ein Wert davon ist nämlich gerade aus dem DAX abgestiegen und durch einen neuen ersetzt worden –, deren Anleihen nicht als investmentwürdig beurteilt werden. Sie sind als Junk eingestuft, also nicht als Investment geeignet. Hierbei handelt es sich um die Firmen Deutsche Lufthansa, Kali und Salz, Thyssen und Fresenius Medical Care. Bei Anleihen, die in diese Kategorie fallen, gibt es nach Angaben von Moody’s mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent in den nächsten 20 Jahren einen Zahlungsausfall. Wahrscheinlich werden also zwei dieser vier Firmen in 20 Jahren pleite sein. Ein großer Name allein reicht nicht, um finanziell auf Dauer erfolgreich zu sein.

Je höher der Zins, desto unsicherer die Rückzahlung

Je schlechter die Benotung einer Firma, desto höher ist in der Regel die Verzinsung der Anleihe. Das Risiko, dass man eventuell sein Geld am Ende der Laufzeit nicht mehr zurückbekommt, muss durch einen höheren Zins ausgeglichen werden. In den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts wurde es modern, mit schlecht benoteten Anleihen Projekte zu finanzieren, die sonst keinen Zugang zum Kapitalmarkt gefunden hätten.

Die Junk-Bond-Welle

Es wurden Junk-Bond-Fonds für nicht investmentwürdige Anleihen aufgelegt, um Kapital zu sammeln. Das Argument beim Vertrieb dieser Fonds lautete: Die Junk Bonds zahlen acht Prozent mehr als Staatsanleihen. Selbst beim Ausfall von fünf Prozent der Anleihen liegt der Gesamtertrag immer noch deutlich höher als der einer Staatsanleihe. Klingt vernünftig. Wenn fünf Prozent der Firmen pleitegehen, zahlen die anderen dann immer noch so viel mehr, dass es sich bei einer Streuung über mehrere solcher Ramschanleihen dennoch lohnt, in sie zu investieren. Eine Firma, die untrennbar mit diesem Junk-Bond-Boom verbunden ist, war Drexel Burnham Lambert und ihre herausragende Persönlichkeit Michael Milken. Es entstand eine wahre Junk-Bond-Manie. Es schien eine sichere Methode gefunden zu sein, den Zinsertrag zu erhöhen.

Der große Rechenfehler

Mir schien dieses Gedankengebäude schon damals suspekt. In einem meiner ersten längeren Beiträge für die Wirtschaftswoche schrieb ich damals den Artikel „Junk-Bonds: Der große...