Demenz - Eins nach dem anderen - Texte und Zeichnungen eines Menschen mit Demenz

von: Franz Inauen

Hogrefe AG, 2016

ISBN: 9783456955759 , 208 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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Demenz - Eins nach dem anderen - Texte und Zeichnungen eines Menschen mit Demenz


 

Wie alles begann (S. 8-9)

Zu Beginn des Februars 2013 – es war an jenem Freitagabend vor den Fasnachtsferien – saßen meine Frau Bernadette und ich beim gemütlichen Feierabend zu Hause und tranken ein Glas Wein. Irgendwie erfüllte mich ein Gefühl des Glücks. Denn vier Wochen zuvor musste ich mich im Spital Wolhusen einer Hüftgelenk-Operation unterziehen.

Die Botschaft beim Arztbesuche an jenem Freitagmorgen, dass ich in einer Woche auch meine zweite Krücke weglegen darf, verstärkte mein Hochgefühl noch. So sprachen wir miteinander über unsere kommenden Ferien und über unsere Vorhaben während der kommenden Arbeitswoche. Plötzlich unterbrach in mir etwas meinen Redefluss und mein Hörvermögen. Ich wollte auf Bernadettes Worte reagieren, aber ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte und «staggelte» dann stammelnd ungefähr folgende Worte heraus: «ja, man müsste halt – ja, man könnte doch – ich sage ja immer – nein, das nützt ja gar nichts...» Dann schwieg ich. Eine seltsame ungewisse Stimmung erfüllte bedrohlich unsere Stube. Ich fühlte mich verunsichert. Angst und Trauer überfielen mich. Plötzlich stand Bernadette auf mit der Bemerkung: «Jetzt brauche ich eine Auskunft von concordiaMed». Zehn Minuten später stand das Taxi vor dem Haus. Die Auskunft, welche Bernadette erhielt, lautete: «Diese Symptome benötigen eine differenzierte Abklärungen». Im Spital wurde ich vom Personal der Notfallabteilung freundlich aufgenommen. Sechs Tage lang wurde ich differenziert untersucht mit bildgebenden Verfahren (MRI), verschiedenen Labortests und weiteren Abklärungen. Dann eröffneten mir die Neurologen die Diagnose im Zimmer; gegen Mittag kamen dazu drei Oberärzte und einer sagte mit klarer Stimme: «Das MRI-Bild ergab Folgendes: Bei ihnen sind schon ganz viele Hirnzellen kaputt. Wie es dazu kam, können wir ihnen nicht sagen. Ihr Gehirn ist jetzt stark eingeschränkt. Das Gehirn eines Menschen mit Demenz ist eingeschrumpft». [Dies ist die Wahrnehmung und Erinnerung von Franz. Ich erinnere mich an die Ärzte-Gruppe an Franz’ Bett, die vom Chefarzt instruiert wurde. Seinen Ausführungen entnahm ich Begriffe wie «Atrophie», «Alzheimer». Auf meine Nachfrage erhielt ich nur knapp Antwort. Dem Austritts-Bericht entnahmen wir dann den Begriff «demenzielle Entwicklung ». Anm. v. B Inauen]. Unter meiner Bettdecke begann ich zu zittern. Ich schaute den Assistenzarzt an und merkte, dass er sichtbar mit mir litt. Meine Frau wagte ich nicht mehr anzuschauen. In meiner Unbeholfenheit fragte ich die Ärzte: «Wie sieht es jetzt mit meinem Arbeitspensum aus? Wie weit darf man da mit einem Heilungsprozess rechnen?» Die Antworten waren kurz und sachlich. Einer schaute dann auf die Uhr und sagte: «So, jetzt haben wir genug Zeit aufgewendet. Sie können das Spital verlassen. Mehr können wir jetzt nicht mehr tun. Den Spital- Bericht geben wir ihnen noch mit». Und so verließen wir danach das Spital. Zu Hause erzählte mir Bernadette später, wenn sie etwas nüchtern überlege, bringe ihr diese Diagnose auch etwas Befreiung. Denn während der letzten Jahre habe sie sich immer wieder die Frage gestellt: «Was ist nur mit Franz los? Du hast dich einfach ganz stark verändert.

Du bist mit deinen Gedanken sehr oft an einem ganz anderen Ort. Ich will dir nicht wehtun, aber oft scheint es auch so, als würde es dich gar nicht interessieren, was wir dir sagen». Ich hatte bei mir schon bemerkt, dass mein Erinnerungsvermögen sehr zurückgegangen war. Auch fiel mir auf, dass ich alltägliche Dinge – wie Dinge ordnen, Pflanzen gießen usw. anfing, aber nicht mehr abschloss. Das behielt ich aber für mich, weil ich mich schämte.