Stift Stams - Ein Tiroler Juwel mit wechselvoller Geschichte

von: Michael Forcher

Haymon, 2016

ISBN: 9783709937594 , 352 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 24,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Stift Stams - Ein Tiroler Juwel mit wechselvoller Geschichte


 

II.


Geschichte seit der Wiedererrichtung 1816 bis heute


Ansicht des Klosters Stams auf einem Holzstich aus dem Jahr 1890

 

Wäre Stams ein bayerisches Kloster gewesen, so existierte es heute nicht mehr; in den ehemaligen Klostergebäuden wäre eine weltliche Einrichtung untergebracht. So aber kam Tirol nach der Niederschlagung Napoleons 1814 wieder zu Österreich zurück. Und schon 1816 erwachte das Stift zu neuem Leben. Die kaiserliche Regierung in Wien war, anders als die des Königreichs Bayern, längst von der aufklärerischen Kirchenpolitik abgerückt, die unter Josef II. auch in Österreich als fortschrittlich galt und zum obersten Prinzip erhoben worden war. So war es für die Tiroler Stände nicht allzu schwer, die Wiedererrichtung der unter Bayern aufgehobenen Klöster und Stifte zu erreichen.

Die neue Epoche der Geschichte von Stift Stams sollte zwei Weltkriege, das Verschieben von Landesgrenzen und eine weitere Aufhebung bringen, die jedoch genauso wenig das Ende bedeutete wie jene von 1807. Im Unterschied zu der Zeit zwischen 1938 und 1945, als die Mönche aus dem Kloster vertrieben waren und kaum jemand zu hoffen gewagt hätte, dass es jemals wieder einen Stamser Abt geben würde, wohnte in der Bayernzeit Abt Sebastian Stöckl mit einigen alten und kränklichen Mönchen in den Stiftsgebäuden, wenn auch unter äußerst armseligen Verhältnissen. Ob sie sich als Garanten der Kontinuität ihrer Gemeinschaft gesehen haben, ist angesichts der traurigen Umstände und der Erfolglosigkeit des Tiroler Aufstandes im Jahre 1809 eher unwahrscheinlich.

 

Der Kreuzgang im Kloster Stams war 1816 weniger gepflegt, er hat aber nicht viel anders ausgeschaut. 1816 kamen die im ganzen Land verstreuten Mönche wieder zurück.

Neubeginn mit Schwierigkeiten


Die Enttäuschung muss groß gewesen sein für den Stamser Abt, als mit der Niederwerfung des Tiroler Aufstandes die Hoffnung auf eine baldige Änderung der politischen Verhältnisse zerstört war. Die letzten unruhigen Wochen des Jahres 1809, als Fanatiker immer noch nicht Schluss mit dem Kämpfen machen wollten, verbrachte Abt Sebastian bei Pater Augustin Handle in Burgeis im obersten Vinschgau. Die sonst von Geistlichen des Stifts Marienberg betreute Pfarre gehörte wie der gesamte Vinschgau und Meran kirchlich zum Bistum Chur, dessen Bischof sich mit der bayerischen Regierung überworfen hatte und deshalb diesen Teil seiner Kirchenprovinz nicht mehr betreten durfte. Da die Augustiner von Marienberg ihm die Treue hielten, mussten andere Orden ihre Pfarren übernehmen. Pater Augustin, der später einmal Abt werden sollte, war zum Zeitpunkt der Auflösung des Stifts Stams als Prior der Stellvertreter von Abt Stefan, musste wie die meisten anderen Konventualen eine Seelsorgstelle übernehmen und wurde nach Burgeis »ausgesetzt«, wie man in der Ausdrucksweise des Ordens sagt, wenn ein Mönch außerhalb seines Stammklosters tätig ist.

Bis Mitte Dezember 1809 bleibt Abt Stefan in Burgeis, dann kehrt er nach Stams zurück. Ungern, wie man seinen Briefen dieser Zeit entnehmen kann, aber seiner Pflicht gehorchend: »Wie soll es mir in die Länge nicht verleiden zu seyn, was ich bereits schon durch 6 Jahre der Aufhebung bin ?« Er ist enttäuscht, ohne Hoffnung auf eine Änderung der Verhältnisse. Mit seinen ausgesetzten Konventualen in den über ganz Tirol verstreuten, zum Teil sehr entfernten Pfarreien wie Erl oder Toblach hält er regelmäßigen Briefkontakt. Mit den wenigen alten und kränklichen Mitbrüdern, die in Stams bleiben durften, bemüht er sich um einen Rest an klösterlichem Leben. Es fällt ihm immer schwerer, weil Strenge seinem Wesen widerspricht. Außerdem ist seine Gesundheit nicht mehr die beste, wozu all der Kummer und die aufgezwungenen Lebensumstände wesentlich beitragen. Beim bischöflichen Konsistorium in Brixen sucht er um die Erlaubnis an, die Messe im bevorstehenden Winter in seiner beheizbaren Zelle lesen zu dürfen. Dafür lässt er sich Ende August 1812 von seinem Arzt Dr. Josef Braun, königlich-bayerischer Rat und Professor, eine Bestätigung seines schlechten gesundheitlichen Zustandes ausstellen.

Zwei Jahre muss Abt Sebastian noch durchhalten, dann ist Tirol wieder österreichisch. Am 3. Juni 1814 unterzeichnen Kaiser Franz II. von Österreich und König Maximilian I. Joseph von Bayern den Vertrag, mit dem Tirol an Österreich zurückgegeben wird. Und am 26. Juni wird das österreichische Besitzergreifungspatent veröffentlicht. Schon einen Tag vorher werden die Äbte von Stams und Wilten bei Hofkommissar Anton von Roschmann vorstellig, der die österreichische Verwaltung in Tirol wieder aufbauen soll. Sie tragen ihm den Wunsch der Prälatenklöster nach möglichst baldiger Wiedererrichtung in ihrem alten Besitzstand und mit den früheren Rechten vor. Roschmann kann es ihnen im Namen des Kaisers versprechen.

In einem von Abt Markus Egle von Wilten im Namen »sämtlicher Prälaturen und Stiften in Tirol« verfassten und dem Kaiser am 12. August 1814 vorgelegten Schreiben wird der überstandenen Leidenszeit mit folgenden Worten gedacht und als ihre Ursache der »afterphiloso-phische und zerstörungslüstige Geist einer jugendlichen und unter dem Einflusse geheimer Verbrüderung stehenden Regierung« beschrieben. Der »unheilige Geist dieser Regierung, der alles Positive in politischer wie auch religiöser Hinsicht umstürzte, sich selbst aber auf den Trümmern alles Ehrwürdigen, Heiligen, Althergebrachten als die einzige Quelle des Rechtes betrachtete«, habe der Tiroler Bevölkerung sehr geschadet, wurde auch in zahllosen Predigten und Schriften beklagt. All die schlechten Grundsätze und üblen Gedanken seien von den Professoren der auswärtigen Universitäten an die dort ausgebildeten Tiroler Priester weitergegeben und so im Volk verbreitet worden.

Das Wappen von Abt Sebastian Stöckl im Gitter vor dem Altar (Speisgitter) derStifts kirche, geschaffen vom Klosterbruder und Schmied Ulrich Schilcher

Einer sofortigen Wiedererrichtung der aufgehobenen Klöster stand – entgegen den Versprechungen des Kaisers – neben dem Antiklerikalismus der höheren Beamtenschaft die in Regierungskreisen herrschende Angst im Wege, die nach den Kriegsjahren leere Staatskasse könnte belas tet werden. Denn sie würden finanzielle Mittel brauchen, um lebensfähig zu sein, und frühere Besitztümer waren zurückzuerstatten. Viele befürchteten, es wäre dann kein Geld mehr vorhanden, die von den Bayern 1810 in ein Lyzeum – also nicht viel mehr als eine höhere Schule – umgewandelte Universität wieder ins Leben zu rufen. Die Vertreter des Prälatenstandes vergaßen in ihren Vorsprachen und schriftlichen Eingaben nicht, darauf Rücksicht zu nehmen, und betonten, dass man sich um äußerste Sparsamkeit bemühen werde. Dennoch verzögerte sich die Herstellung der alten Verhältnisse im Klosterwesen.

Für Stams bestand die in der Bayernzeit eingerichtete Stiftungsadministration in Imst zunächst unverändert weiter. Sie erhielt im Sommer 1815 den Auftrag, sich auf die zu erwartende Wiedererrichtung des Stifts vorzubereiten und auslaufende Verträge mit den Pächtern früherer Stiftsgüter nur mehr für ein Jahr zu verlängern. Es sollte auch durch entsprechende Formulierungen ermöglicht werden, das Pachtverhältnis ohne Entschädigung schon früher zu beenden. Am 9. März 1816 wurde Abt Sebastian zusammen mit den anderen Äbten Tirols für den 26.März zu einer Konferenz nach Innsbruck geladen, um über die Details des unmittelbar bevorstehenden kaiserlichen Erlasses in der Klösterfrage und der praktischen Umsetzung desselben informiert zu werden, aber auch um »Anstände und Wünsche« zu äußern.

Am 1. April 1816 war es dann so weit: Ein kaiserliches Dekret verfügte die Wiederherstellung der Stifte von Wilten, Stams, Fiecht, Neustift und Marienberg. Eine Entschädigung für die von der bayerischen Stiftsadministration verkauften Kostbarkeiten an liturgischem Gerät und anderen Wertgegenständen wurde nur in geringem Umfang gewährt, vor allem mussten die Stifte nachweisen, was ihnen alles genommen worden war. Die Bücher der Stamser Stiftsbibliothek, die 1808 der damals noch bestehenden Universität übergeben worden und nach 1810 im »Lyzeum« verblieben waren, sollten – »soweit sie vorfindig sind« – zurückgegeben werden. Allerdings hatte Abt Sebastian Stöckl, dem die Rettung eines Großteils der 1808 von der Universität nicht übernommenen Bücher zu verdanken ist, selbst auf die ältesten und wertvollsten Bände schon auf der Konferenz vom 26.März 1816 verzichtet. In seinem Referat begründet er dies mit folgenden Worten: »Auf die Rückstellung der stiftischen Bücher verlangt man ab Seite Stams gar nicht zu dringen. Soviel es bewusst ist, waren die abgeführten meistens Manuscripten, die besser in einer öffentlichen Bibliotheke, als in der privaten...