Die Gräfin in mir

von: Niki Osl

hockebooks: e-book first, 2016

ISBN: 9783957511324 , 212 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 7,99 EUR

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Die Gräfin in mir


 

Den Rest der Nacht wälze ich mich unruhig von einer Seite auf die andere, nur Whisky scheint gut zu schlafen und zu träumen, er schmatzt vor sich hin. Wahrscheinlich ist er in seinen Träumen wieder bei der Köchin und bekommt die ganzen Probleme, denen ich mich stellen muss, gar nicht mit. Ich nehme ein Buch zur Hand und irgendwann falle ich dann doch wieder in einen traumlosen Schlaf.

Es ist Zeit, endgültig aus meinem Bett zu kriechen, denn Whisky sitzt wieder mal vor seinem Napf, erwartungsvoll, diesen mit Futter gefüllt zu bekommen.

»Du machst dich rar in meinen Träumen.«

Er grinst mich an. »Ich habe eine tolle Futterstelle gefunden, nur leider wache ich dann immer umso hungriger auf!«

»Ich habe den Wink verstanden!«

Auch ich spüre das Verlangen nach einem kräftigenden Frühstück und ziehe mich rasch an. Doch als ich auf der Frühstücksterrasse ankomme, bin ich nicht wie gewohnt mit Peter alleine, sondern auch Julian sitzt mit einer blonden, eleganten Frau an einem üppig gedeckten Tisch. Das hat mir gerade noch gefehlt!

»Guten Morgen!«, sage ich unwillig und setze mich möglichst weit weg von den beiden.

Julian lächelt mir kurz zu, macht aber keine Anstalten, sich zu mir zu begeben. Ist mir auch egal, soll er doch mit seiner Tussi bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich habe viel wichtigere Dinge zu tun! Dennoch versuche ich meine Ohren weit aufzusperren, um das Gespräch zu belauschen, was mir nicht gelingt, denn ich kann kein Wort verstehen. Ich betrachte sie eingehend, während ich so tue, als lese ich in der Morgenzeitung. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor. An ihrem Lächeln kann ich ablesen, dass Julian ihr gefällt, und die Art, wie sie sich durch die Haare streicht, lässt mich fast aus der Haut fahren. Nur nicht die Beherrschung verlieren, ich bin eine selbstständige, unabhängige Frau, die nicht auf der Suche nach einem Mann ist! Nur weil ich mit Julian aus war, bedeutet das gar nichts. Immer weiter lehne ich mich in dem Sessel zurück, um doch noch irgendwas erlauschen zu können. Nein, bitte niiicccchhht … Es macht einen lauten Platscher und ich falle mitsamt dem kleinen Tischchen, an das ich mich noch verzweifelt zu klammern versuche, um. Ich könnte im Erdboden versinken! Julian springt auf und will mir hochhelfen, aber ich schlage seine Hand aus und flüchte in die Villa. Peter kommt mir mit meinem Frühstück entgegen, fast renne ich ihn nieder.

»Na, na. Sie haben es aber eilig!«

»Entschuldigen Sie bitte!«, sage ich kleinlaut und lasse ihn einfach stehen. Vielleicht sollte ich zurück nach Wien fahren …

Aber als ich das Zimmer betrete, ist Whisky schon wieder verschwunden, und ohne ihn geht es vorerst einmal nirgendwo hin. Es wäre auch wirklich kindisch von mir. Zwischen uns beiden war ja nichts, wir haben uns gut verstanden, einen netten Abend verbracht, also was habe ich erwartet? Immer wieder sehe ich vor mir, wie Julian mit der Blondine vertraut plaudert. Meine Gedanken gehen natürlich sofort weiter: Die beiden küssen sich, halten Händchen, machen sich über mich lustig. Aus jetzt! Ich klappe meinen Laptop auf und versuche, weiter an meinem Konzept für die Internetseite zu basteln, aber so wirklich Lust dazu habe ich nicht. Was mache ich mit dem angebrochenen Tag? Ich habe doch gleich gewusst, dass es nur Ärger gibt, wenn Julian mir zu gut gefällt.

Es klopft an meiner Tür, vorsichtig öffne ich sie einen Spalt und er steht vor mir. »Jessy, ist alles in Ordnung bei dir?«

»Natürlich, was soll denn nicht in Ordnung sein?« Sehr unauffällig von mir.

»Nur, weil du eben, ich meine, du bist so schnell weggelaufen.«

»Mir ist nur eingefallen, dass ich fast vergessen hätte, meine morgendlichen Turnübungen zu machen.« Ich dehne mein Bein, um das Ganze realistischer wirken zu lassen, aber es wirkt weder sportlich noch sonst irgendwie sinnvoll.

»Ich wollte nur nach dir sehen.«

»Na, das hast du ja jetzt.«

»Wollen wir nachher einen Spaziergang machen?«

»Weißt du, ich bin sehr beschäftigt. Ich bin an einer großen Sache dran und habe wenig Zeit.«

Enttäuschung und Verwunderung stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Aha, so unwichtig bin ich ihm ja doch nicht.

»Verstehe. Ich dachte nur, wenn die Dame von der Vereinigung der Pensionen wieder weg ist, könnten wir uns einen schönen Nachmittag machen, aber wenn du keine Zeit hast, verstehe ich das natürlich!«

Jetzt fällt es mir wieder ein, woher ich die Frau kenne: Bei dieser Veranstaltung hat sie uns zu unserem Tisch geführt. Ich bin ein echter Trottel! Julian hat die Tür schon wieder geschlossen, ich reiße sie erneut auf.

»Warte! Ich hab dann später schon Zeit! Ich meine, ich kann das ja jetzt schnell machen. So viel ist auch nicht zu tun«, versuche ich mich in halbherzigen Erklärungen.

Ihm scheint etwas zu dämmern und er lächelt mich an. »Gut, dann hole ich dich nachher ab!«

Männer haben aber manchmal schon eine lange Leitung.

»Das sieht ja nach etwas Ernsterem aus!«

»Whisky, dich habe ich gar nicht bemerkt! Ich dachte, du hängst schon am Strand herum!«

»Falsch gedacht! Ich habe mir noch mein Fell geputzt, siehst du nicht, wie es glänzt?«

»Na klar, du musst dich ja auch für Milly hübsch machen!«

»Also, wie gehst du es mit Julian an?«, fragt er spitzbübisch.

»Gar nichts gehe ich an.«

»Das sind ja ganz neue Töne! Sonst siehst du doch immer schon die Hochzeitskutsche vorfahren, wenn du mit einem Mann nur einmal aus warst!«

»Du findest dich wohl sehr komisch?«

Aber es stimmt, normalerweise kann ich es gar nicht locker sehen, egal wie sehr ich mich bemühe. Jeder Mann, der nur halbwegs passen könnte, kommt in einen Scanner und wird sofort überprüft, ob er als Ehemann und Vater meiner Kinder infrage käme. Und gut, ich gebe es zu, kurz habe ich auch Julian diesem Prozedere unterzogen. Aber wirklich nur ganz kurz.

»Naja, es ist so viel wirklich Lebensveränderndes in letzter Zeit geschehen, ich will mich nicht selbst unglücklich machen, indem ich mir etwas vormache.«

»Ich glaube, er mag dich!«, sagt Whisky unvermittelt.

»Ich glaube auch!«, gebe ich zufrieden zurück. »Und mehr brauche ich vorerst einmal nicht zu wissen.«

»So, jetzt aber genug von deinem verkorksten Liebesleben! Es ist an der Zeit, meines zu pflegen und meine anbetungswürdige Milly aufzusuchen!«

»Genau!«

Mit seiner Schnauze und mithilfe einer Pfote stößt er die Balkontür auf und klettert gekonnt an der Wand in den Garten hinunter. Diesmal aber auf der sicheren Seite, nicht auf der, die mit Heckenrosen bewachsen ist.

Fellpflege ist auch bei mir angesagt. Ich bürste mein Haar, zupfe meine Augenbrauen, schminke mich dezent und kann es kaum erwarten, mit Julian den Nachmittag zu verbringen. Im Ort habe ich mir noch ein blumiges Sommerkleid gekauft, mit einem schwingenden Rock, und drehe mich damit begeistert vor dem Spiegel. Da ist er auch schon, mein Begleiter für heute Nachmittag – vielleicht fürs ganze Leben. Ich muss über mich selbst lachen, ich wollte doch alles auf mich zukommen lassen!

Im wahren Leben läuft es eindeutig leichter als in meinen Träumen! Wir verbringen einfach einen wunderschönen Nachmittag. Julian erzählt mir von seiner Kindheit, die er im Sommer immer hier verbracht hat. Wir suchen all die Plätze auf, die er schon damals als unerlässlich empfunden hat. Wir befinden uns gerade in einem wunderschönen tropischen Garten, den ein Industrieller zur Jahrhundertwende für seine Frau angelegt hat. Das waren noch richtige Geschenke, nicht eine mickrige Packung Merci.

»Das hier sind Stechäpfel!«, erklärt mir Julian fachmännisch die üppigen Sträucher vor uns. Sie blühen wunderschön weiß und haben eine trompetenartige Form. »Aber Vorsicht, sie sind giftig!«

»Keine Sorge, ich hätte sie schon nicht gegessen!«, gebe ich lachend zurück.

Überall blüht und verströmt es einen intensiven Geruch, der die Luft fast greifbar erscheinen lässt.

»Hierher habe ich mich immer zurückgezogen, wenn ich alleine sein wollte.«

»Aber es ist ein Park! Es gibt sicher bessere Plätze, wo man ungestört sein kann.«

Er lächelt mich verschmitzt und wissend an: »Ja, aber ich bin ja auch nicht dann gekommen, wenn alle hier waren, sondern in der Nacht! Es gab damals eine undichte Stelle im Zaun und durch die bin ich hineingeschlüpft!«

»Nicht schlecht! Machst du das immer noch?«

»Ich glaube, ich bin schon etwas zu groß, um mich durch das Loch zu zwängen, aber vielleicht sollte ich es wieder mal versuchen!«

Wir amüsieren uns köstlich und tauschen unsere Kindheitserlebnisse aus. Immer wieder erinnert er mich an Wilhelm und das Gefühl, das ich als Gräfin für ihn habe. Mir kommen die seltsamsten Gedanken in den Sinn, die ich mich gar nicht traue zu denken. Vielleicht war Julian in seinem Vorleben Wilhelm und wir müssen uns in jedem Leben wieder treffen, weil wir einfach zusammengehören? Vielleicht wandern unsere Seelen immer wieder in andere Körper, aber es ist trotzdem unvermeidlich, dass wir zueinander finden? Wer weiß, wie oft wir uns schon getroffen haben? Wie oft wir uns schon geliebt haben? Aber wie gesagt, ich habe mir vorgenommen, mich nicht Hals über Kopf in eine ungewisse Sache zu stürzen. Vorerst ist es einmal wichtig, mein Leben in neue Bahnen zu lenken. Außerdem macht er keine Anstalten, mir näherkommen zu wollen, er ist einfach nett und freundschaftlich.

»Hast du Geschwister?«, erkundige ich mich.

»Nein, leider nicht. Und du?«

Ich denke an Louise. »Nicht wirklich.«

»Komische Antwort. Was meinst du damit?«

Kurz...