Surfing & Styles: Zur Bedeutung von Lebensstil für die Gemeinschaft der Wellenreiter

von: Oliver Ehlers

Bachelor + Master Publishing, 2015

ISBN: 9783863419165 , 36 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 14,99 EUR

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Surfing & Styles: Zur Bedeutung von Lebensstil für die Gemeinschaft der Wellenreiter


 

Textprobe: Kapitel 3, Die Gemeinschaft der Wellenreiter: Entlang seiner expressiven Körperpraktiken des Wellenreitens, im Rahmen der Gemeinschaft gegebener Möglichkeiten zur Umcodierung mitgebrachter Dispositionen zu einer surferischen Körper- und Lebensstilistik und seinem Modus sozialer Aggregation stellt Wellenreiten ein signifikantes Angebot im entstehenden Konvergenzbereich von Pop- und Sportkultur dar. Trotz seiner ungleich weit zurückreichenden Geschichte und Tradition, stellen u. a. LAMPRECHT/STAMM (vgl. 2002, 129) Wellenreiten in die Nähe sozial ähnlich kontextualisierter Bewegungskulturen und Szenen sogenannter Trend-, Mode- oder Risikosportarten wie Skateboarding, Snowboarding oder auch Kitesurfing. FORD/BROWN begründen die Nähe des Wellenreitens zu solchen lifestyle sports zudem auf Basis geteilter struktureller Elemente und Diskurse: '... concerns with authenticity, sensation and thrill-seeking, mediatization, widespread social debate regarding the place of professionalism and competition, and especially high levels of involvement in the practice by 'hardcore' participants.' (Ford/Brown 2006, 63) Als ein Vertreter der Aggregationsform Sportszene gründen die Rahmungen der Wellenreitgemeinschaft auf 'ähnlichen verkörperten Dispositionen der Teilnehmer und auf ein fremdorganisiertes, von der Sport- und Lifestyle-Industrie bereitgestelltes Angebot' (Gebauer et al. 2004, 63). Zugehörigkeit lässt sich in diesen sozialen Kontexten nicht schon formal via Mitgliedsausweis garantieren, sondern muss in einem 'doppelten Auswahlprozess des Präsentierens und Akzeptierens von Attributen' (ebd., 58) immer wieder aufs Neue performativ hergestellt werden. Die Möglichkeit einer Teilnahme an den Praktiken der Bewegungskultur findet sich nach GEBAUER ET AL. im Verweis auf BOURDIEU im Moment einer 'prästabilierten Harmonie zwischen dem einzelnen Stilisten und der Spielgemeinschaft' (ebd., 64) bedingt und benötigt zu ihrer Realisierung neben der Übereinstimmung äußerer Merkmale von Kleidung, Accessoires und Sportgeräten, vor allem eine Passung zum, 'im Habitus verankerten praktischen Umgangs mit den Attributen' (Gebauer et al. 2004, 64). Mit diesen Elementen verschlungene Aufführungen bieten den Akteuren Möglichkeiten des ostentativen Hervorbringens gemeinschaftlichen wie gleichsam individuellen Stils, der den 'Kern der kollektiven Identität' (Gebauer et al. 2004, 65) der Sozialform einer Szene bildet und dem einzelnen Akteur insoweit eine Mitgliedschaft versichert, wie er in der Lage ist, diesen mittels seiner individuellen Ästhetik und Stilistik glaubhaft aufzuführen: 'Es ist der von allen Beteiligten anerkannte Stil, der die Gemeinschaft zusammenhält, ihr Beständigkeit gibt und ihre zeitliche Kontinuität sicherstellt. Als ein solcher Stabilitätsgarant tritt in den neuen Spielgemeinschaften der Stil an die Stelle von Satzungen und Vereinsstrukturen.' (Gebauer et al. 2004, 65) Mit anderen Worten: Zur Teilnahme muss der Akteur die vorhandenen 'Gemeinschaftsmotoriken' (Vgl. Gebauer 2002, 162ff) der Szene und ihren Akteuren in seinen praktischen Hervorbringungen weitgehend reproduzieren können. 'Im Zusammenspiel von Bewegungsmustern, Zeichen, ritualisierten Handlungen, Gesten und Symbolen formieren sich kollektive Repräsentationen und ein gemeinsamer Glaube .... In den körperlichen Aufführungen im Spiel modelliert die Gemeinschaft ihre Gestalt; sie wird erkennbar und beginnt für sich und andere sozial zu existieren.' (Gebauer et al. 2004, 65) Das nachfolgende Kapitel widmet sich daher den stilistischen Idealvorstellungen des Surfens und deren Verschränkung mit dem gemeinsam geteilten, körperpraktisch fundierten Glauben seiner Gemeinschaft. 3.1, Der gemeinsam geteilte Glaube: Die Wellenreitszene wird wesentlich durch eine eigenlogische Ordnung bestimmt. 'The joy, peak experience and sheer pleasure of ... surfing has prompted a cultural process of reflections and storytelling, through which practitioners have sought to make sense of their obsession and passion.' (Ford/Brown 2006, 166) In ihren Darstellungen konturiert sie sich gegenüber anderen kulturellen Feldern, beispielsweise dem politischen oder dem ökonomischen als relativ autonomes Feld. '... status through economic capital is probably not a high priority for most surfers.' (Ford/Brown 2006, 76) Dies zeichnet sich auch in nahezu allen Idealisierungen eines surferischen Lebensstils ab. Es wird das Ideal eines Vollzeitakteurs sichtbar, der sich - BOURDIEUS Beschreibung eines freien Künstlers sehr ähnlich - seiner surferisch praktischen Tätigkeit total und ausschließlich widmet, der gesellschaftlichen Anforderungen und Ansprüchen und den Imperativen bürgerlicher Moral gegenüber gleichgültig bleibt und keine andere Bewertungsinstanz anerkennt als die spezifische Norm seiner Bewegungskunst und seines Umfelds (vgl. Bourdieu 1999, 127). '... surfing subculture articulates a middle class myth of holiday leisure time spent in relaxation. The 'surfie' appears to live a life of escape in the eyes of the individual trapped in a 48-hour-a-week job, and is given a certain status by his/her position as myth.' (Ford/Brown 2006, 66) Surferische Stilisierungen und Ritualisierungen führen sich dementsprechend als möglichst direkt und permanent auf den Ozean bezogen und an dessen Veränderungen angepasst sowie dessen Surfpotential optimal und möglichst virtuos ausnutzend auf (vgl. Ford/Brown 2006, 74). Akteure, die einen solchen hardcore surfing lifestyle in ihrem Alltag glaubhaft als eine die gesamte Lebensführung einbindende Form hervorbringen, genießen im Rahmen der Szene höchstes Renomé als ernstzunehmende Surfer (vgl. Ford/Brown 2006, 76). Derartiges Ansehen in der Szene kann mit PIERRE BOURDIEU als symbolisches Kapital des Hervorbringenden verstanden werden. Es 'besteht aus einem beliebigen Merkmal, ... das wie eine echte magische Kraft symbolische Wirkung entfaltet, sobald es von sozialen Akteuren wahrgenommen wird, die über die zum Wahrnehmen, Erkennen und Anerkennen dieser Eigenschaft nötigen Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien verfügen: Ein Merkmal, das, weil es auf sozial geschaffene 'kollektive Erwartungen' trifft, auf Glauben, eine Art Fernwirkung ausübt ....' (Bourdieu 1985, 173) Diese als Glaube bezeichnete, kollektiv geteilte Erwartung innerhalb eines Feldes bezeichnet BOURDIEU an anderer Stelle mit dem Begriff der illusio als das, 'um was es bei diesem Spiel geht (also die illusio im Sinne von Spieleinsatz, Spielergebnis, Spielinteresse, Anerkennung der Spielvoraussetzungen - doxa)' (Bourdieu 1987, 122). Als praktischer Glaube der Feldakteure bezeichnet die doxa ein körperliches Verhältnis, eine leibliche Haltung des Glaubens gegenüber den Selbstverständlichkeiten eines Feldes. Sie ist 'jenes unmittelbare Verhältnis der Anerkennung, das in der Praxis zwischen einem Habitus und dem Feld hergestellt wird, ... also jene stumme Erfahrung der Welt als einer selbstverständlichen ...' (Bourdieu 1987, 126). Diese Glaubenshaltung der Akteure, die eine symbolische Wirkung und ihre Kapitalisierung im Feld erst ermöglicht, fußt nach BOURDIEU wiederum auf der Ausbildung oder das Innehaben feldspezifischer Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien bei den Akteuren. Die Internalisierung der äußeren, materiellen und kulturellen Existenzbedingungen, der gegebenen Strukturen eines Feldes als hiermit verbundene Vorstellungen, Ansichten, Gefu?hle und Weltbilder in die Akteure erfolgt laut BOURDIEU wesentlich auf körperlicher Ebene. Er spricht in diesem Zusammenhang auch von der Inkorporierung sozialer Praxen und gesellschaftlicher Normen, in der der Leib eine speichernde Funktion übernimmt sowie als Medium und Agens fungiert (vgl. Bourdieu 2001, 192). Die 'Einarbeitung' in ein immer schon strukturiertes, kulturelles Feld erfolgt nach GEBAUER/WULF über praktisch mimetische Prozesse, mittels 'Bewegungen, die auf andere Bewegungen Bezug nehmen' (Gebauer/Wulf 1998, 11). Mimesis meint hier jedoch nicht die direkte Reproduktion eines vorliegenden Modells, vielmehr ist es eine kreative Nachschöpfung realer oder möglicher Vorgänge, ritualisierter Handlungen, des Umgangs mit Dingen oder auch von Gesprächen und Personen. Sie vollzieht sich immer unter vorbewusstem Einbezug von Kriterien wie Anschaulichkeit, Wahrscheinlichkeit und Glaubhaftigkeit der eigenen Hervorbringung und ist aufgrund der individuellen Biografie eines jeden Akteurs gleichsam durch einen performativen Überschuss gekennzeichnet, der 'etwas zur Aufführung ?bringt, dass? es genau so noch nicht gegeben hat' (Wulf 2001, 257).