Naturwissenschaftliche Bildung in der Frühen Kindheit: Ein grundlegender Vergleich der schwedischen Entwicklungspädagogik mit dem Konzept der Stiftung 'Haus der kleinen Forscher'

von: Nicole Persson

Bachelor + Master Publishing, 2015

ISBN: 9783958205642 , 39 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 14,99 EUR

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Naturwissenschaftliche Bildung in der Frühen Kindheit: Ein grundlegender Vergleich der schwedischen Entwicklungspädagogik mit dem Konzept der Stiftung 'Haus der kleinen Forscher'


 

Textprobe: Kapitel 3, Der Ansatz der Stiftung 'Haus der kleinen Forscher': Die Stiftung Haus der kleinen Forscher steuert die gleichnamige 'größte deutsche Bildungsinitiative im frühkindlichen Bereich' (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 4). Diese Bildungsinitiative hat zum Ziel, Kinder im Kindergartenalter, und neu auch im Grundschulalter, für Naturwissenschaften, Technik und Mathematik zu begeistern. Durch verschiedene Materialgaben und Themenvorschläge soll der kindliche Forscherdrang und die Freude geweckt werden, naturwissenschaftliche Fragestellungen zu bearbeiten (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2012c, S. 10) und Antworten zu finden. Dabei richtet sich die Bildungsinitiative Haus der kleinen Forscher hauptsächlich an die pädagogischen Fachkräfte, welche für die Bildung der Kinder verantwortlich sind. Sie werden durch die Stiftung kontinuierlich fortgebildet und dauerhaft begleitet (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2012c, S. 10). Die Arbeit der Stiftung basiert auf einer breiten wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Grundlage, die sich sowohl aus aktuellen Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie, der Lernforschung, der Elementarpädagogik und Fachdidaktik speist, als auch die Bildungspläne der einzelnen Bundesländer einbezieht. Außerdem werden praktische Erfahrungen aus den Netzwerken der Stiftung in die Arbeit und die Entwicklung neuer Materialien integriert (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 4). 3.1, Das Bild vom Kind: 'Das 'Haus der kleinen Forscher' nimmt Kinder als kompetente, aktiv lernende, neugierige und weltoffene Individuen ernst. Ihre Kompetenzen und Erfahrungswelt bilden die Grundlage einer ressourcenorientierten und entwicklungsangemessenen Förderung.' (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013c, S. 13) Die Stiftung Haus der kleinen Forscher sieht das Kind als aktiven Gestalter seiner eigenen Bildung und Entwicklung, wobei ebenjene Bildung und Entwicklung sich nicht isoliert, sondern immer in der sozialen Interaktion innerhalb der Kindergruppe und zwischen Kind und pädagogischer Fachkraft vollzieht. Dabei konstruiert das Kind auf Grundlage seiner Vorkenntnisse und seiner Kompetenzen ganz eigenständig sein Wissen und seine Vorstellung von der Welt (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 17). 'Kinder wollen von sich aus lernen. Kinder müssen nicht ermuntert oder gezwungen werden zu lernen. Sie haben ein in sich wohnendes Interesse daran, ihre Welt zu erkunden und zu begreifen' (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 17). Nach dem Verständnis der Stiftung Haus der kleinen Forscher gibt es keine generelle Definition von Kind. Jedes Kind ist individuell, erschließt sich seine Themen auf unterschiedliche Weise, hat unterschiedliche Vorkenntnisse und Interessen. Diese unterschiedlichen Kompetenzen, Interessen und Ansatzpunkte der einzelnen Kinder schaffen im naturwissenschaftlichen Forschen eine Vielfalt und stellen so eine Bereicherung für die gesamte Gemeinschaft dar, in der ein Kind auch vom anderen lernen kann (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 17). Kinder sind im Selbstverständnis der Stiftung Träger von Rechten. Bezogen auf das naturwissenschaftliche Forschen kommen das Recht der Kinder auf Bildung und das Recht auf Entfaltung der individuellen Persönlichkeit besonders zum Tragen. Um dieses Recht gewähren zu können, wird versucht, die Kinder an Entscheidungen zu beteiligen, die sie unmittelbar betreffen (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 17). 3.2, Die Perspektive des Kindes: Die Beachtung der Perspektive des Kindes findet sich im pädagogischen Ansatz des Hauses der kleinen Forscher nur indirekt wieder. Beispielsweise wird darauf hingewiesen, dass die Lernanregungen, welche die pädagogische Fachkraft vorbereitet, auf den Vorstellungen und Erfahrungen der Kinder aufbauen sollten und den individuellen Fragen und Interessen der Kinder eine Bühne geboten werden sollte (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013b, S. 6). Die Kinder werden so angeregt, sich selbst Gedanken über naturwissenschaftliche Phänomene zu machen, entsprechendes Wissen zu entwickeln und mit sich selbst und anderen zu reflektieren (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 28). Dabei spielt das Setting der Bildungsprozesse eine wichtige Rolle. 'Manche Kinder können ihren Forscherdrang oder ihre Kreativität am besten in einem möglichst offenen Rahmen entfalten. Andere dagegen benötigen für den Einstieg eine Anleitung, ein Modell oder eine andere Art 'roten Faden', um davon ausgehend eigene Fragen und Ideen zu entwickeln' (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 17). 3.3, Die Rolle der pädagogischen Fachkraft: 'Ko-konstruktive Lernprozesse verlangen von pädagogischen Fach- und Lehrkräften viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen in die Gedanken- und Vorstellungswelt sowohl der Kindergruppe als auch in die der einzelnen Mädchen und Jungen. Das Kind mit seinen individuellen Vorerfahrungen genau dort abzuholen, wo es steht, ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Lernprozesse.' (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 18) Der pädagogische Ansatz des Hauses der kleinen Forscher versteht die pädagogische Fachkraft zusammen mit den Eltern als die wichtigste Begleitung der Kinder in Bildungsprozessen (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 7). Sie muss fähig sein, die Interessen der Kinder, ihre Vorerfahrungen und Denkmuster zu erkennen oder zu ergründen, um sich in ihren Bildungsbemühungen und bei der Planung von Aktivitäten stets darauf beziehen und daran anknüpfen zu können. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, muss sie mit den Kindern in Dialog treten, sie nach ihren Gedanken und Ideen befragen, ihnen aktiv zuhören und genau beobachten (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 14). Sie muss herausfinden, worin das Erkenntnisinteresse des einzelnen Kindes liegt und wo seine Verstehensmöglichkeiten erschöpft sind (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 38). Dabei kann das Wissen über alterstypische Entwicklungsstufen eine Orientierung geben, jedoch sind die konkreten Beobachtungen und Interpretationen des Verhaltens und der Reaktionen der Kinder ebenso wichtig. Das Bild vom Kind als aktiver Gestalter seiner Kultur und seines Wissens bildet die Basis für sämtliche Beobachtungen und Interpretationen des kindlichen Verhaltens und muss von der pädagogischen Fachkraft verstanden und verinnerlicht sein (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 18). Durch Beobachtung und sinnbildende Dialoggestaltung soll die pädagogische Fachkraft eine mögliche nächste Entwicklungsstufe (Zone der proximalen Entwicklung nach Vygotski) des Kindes erkennen, sich dieser zusammen mit dem Kind annähern und ihm helfen, diese zu überwinden (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 13). Dies bedeutet jedoch nicht, den Kindern die Welt zu erklären. Vielmehr sollen die Ideen und kognitiven Konzepte der Kinder durch geschicktes Fragen irritiert, das kindliche Nachdenken angeregt, ihre Erklärungen und Vermutungen aufgenommen und mit eigenen Worten widergegeben werden (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 28). Die pädagogische Fachkraft nimmt den Kindern und ihren Ideen gegenüber eine wertschätzende Haltung ein und versucht, diese zu verstehen. (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 31). Sie nimmt also eine moderierende Rolle ein (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 14). 'Dazu benötig[t] sie eine sehr hohe Bereitschaft, mit den Kindern zu kommunizieren und in den Dialog zu treten, eine fragende und reflektierende Haltung gegenüber den eigenen Lernprozessen und denen des Kindes [einzunehmen], aber auch Mut, ihre eigenen offenen Fragen in den Prozess einzubringen' (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 18). Hier wird deutlich, dass von den pädagogischen Fachkräften in keiner Weise erwartet wird, die Fragen der Kinder spontan zu beantworten. Vielmehr soll sich die pädagogische Fachkraft mit den Kindern zusammen auf die gemeinsame Suche nach einer Antwort begeben und mit den Kindern über das jeweils individuelle Verständnis des Lerngegenstandes sprechen (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 28). Dabei sollte sie selbst Begeisterung und Neugier für den zu erforschenden Gegenstand und den gemeinsamen Forschungsprozess zeigen, um ein positives Rollenvorbild für die Kinder zu sein. Um die Kinder gezielt unterstützen zu können, empfiehlt der pädagogische Ansatz der Stiftung, dass die pädagogische Fachkraft sich ein oder mehrere mögliche Lernerfahrungen überlegt, welche die Kinder in Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand oder bei bestimmten Tätigkeiten machen könnten. 'Mit diesem Ziel im Hinterkopf können Pädagoginnen und Pädagogen bei Bedarf den Forschungsprozess durch geeignete Fragen und Hinweise moderieren und so den Kindern helfen, selbst zu Antworten auf ihre Fragen zu gelangen' (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 36). 3.4, Projekte und projektorientierte Aktivitäten: Lernprozesse passieren immer im Austausch mit anderen und charakterisieren das Lernen als sozialen, ko-konstruktiven Prozess (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 18). Wenn die Kinder am Lernprozess beteiligt werden, wenn sie ihren eigenen Fragen nachgehen dürfen, aber auch in vorbereiteten Settings kann das naturwissenschaftliche Forschen vielfältige Formen annehmen. Insbesondere Projekte und projektorientierte Aktivitäten können aus Sicht des Hauses der kleinen Forscher den Anforderungen gerecht werden, welche die freie Erkundung der Welt mit sich bringt. 'Im Gegensatz zur projektorientierten Aktivität mit ihrer offenen Ausrichtung hat ein Projekt immer ein konkretes Handlungsziel. Beim Thema 'Wasser' bedeutet das z. B.: Wenn die Eigenschaften des Wassers untersucht werden, geprüft wird, was sinkt, was schwimmt, Modellschiffe angefertigt werden, sind das projektorientierte Aktivitäten. Das Anlegen eines Wasserteichs als konkretes Handlungsziel hebt das Thema im Gegensatz dazu als Projekt ab und macht deutlich, dass Projekte einmalig sind und ihr Ziel in einer veränderten Wirklichkeit haben.' (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013b, S. 7) Kennzeichnend für ein Projekt ist außerdem sein konkreter Situations- oder Gesellschaftsbezug. So zielt ein Projekt darauf ab, Neues zu erschaffen oder bereits Vorhandenes neu zu gestalten. Dadurch, dass Projekte ein konkretes Handlungsziel haben, besteht hier eher das Risiko, zu scheitern (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013b, S. 7). Am Beispiel des Teiches kann zum Beispiel der Boden ungeeignet sein oder die Kindertagesstätte verfügt nicht über die technischen Möglichkeiten. Doch dieses Scheitern hat auch positive Aspekte, denn Kinder können dadurch lernen, dass manche Vorhaben einfach nicht realisierbar sind, dass sie aber - wenn man möchte - neu gedacht werden können. In projektorientierten Aktivitäten kann es möglich sein, dass mehrere Bildungsbereiche gleichzeitig berührt werden. Die Stiftung empfiehlt, diese Aktivitäten eher langfristig auszurichten, um den Kindern die geeigneten Rahmenbedingungen für vielseitige Fragestellungen und die Erschließung mehrerer Aspekte eines Themas zu bieten (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013b, S. 7). Bei Projekten oder projektorientierten Aktivitäten spielt die Partizipation eine wichtige Rolle. Die Kinder sollen während der Aktivitäten selbsttätig und eigenverantwortlich handeln. Sie können und sollen von der Planung des jeweiligen Themas bis zur Präsentation oder Reflexion der Ergebnisse einbezogen werden. Wenn Themen bearbeitet werden, welche nicht von den Kindern, sondern von der pädagogischen Fachkraft eingebracht wurden, so sollten die Kinder zumindest an der Planung des gesamten weiteren Prozesses beteiligt werden (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013b, S. 7). Für die Konstruktion neuen Wissens sind außerdem Sprache und metakognitive Dialoge von besonderer Bedeutung. Kinder kleiden ihr Handeln, ihre Ideen und Erkenntnisse in Worte und unterstützen damit die Reflexion ihres Vorgehens, ihres Denkens und Lernens. Auf diese Weise machen sie sich ebenfalls die Welt und ihre Funktionen bewusst (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013a, S. 19). Daher sollten die Gespräche und Diskussionen in den Aktivitäten der Kindertagesstätte viel Raum einnehmen.