Analyse ausgewählter physiognomischer Texte im 'Buch der Natur' Konrad von Mengenbergs

von: Jule Ebbing

Bachelor + Master Publishing, 2015

ISBN: 9783956845239 , 46 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 14,99 EUR

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Analyse ausgewählter physiognomischer Texte im 'Buch der Natur' Konrad von Mengenbergs


 

Textprobe: Kapitel 4.3.1, Humoralpathologische Primärqualitäten als Bindeglied zwischen Affekt und Merkmal: Dass das vorherrschende Welterklärungsmodell der Humoralpathologie auch Einfluss auf die Physiognomiken des Mittelalters genommen hat, verwundert nicht und kann an Konrads physiognomischen Ausführungen aufgezeigt werden. Wie schon eingangs erläutert, geht die Humoralpathologie von vier Primärqualitäten aus: trocken, feucht, kalt und warm, die wiederum den vier Körpersäften schwarze Galle, Schleim, Blut und gelbe Galle zugeordnet werden. Der Idealzustand, die Ausgewogenheit der vier Körpersäfte (Eukrasie), ist anzustreben - das rechte Maß ist also hier, das 'Maß aller Dinge', das in seiner vollkommenen Balance jedoch nur theoretisch zu erreichen ist. Die unterschiedliche Mischung der Elemente führt zu einer unterschiedlichen Beschaffenheit der Körper - so ist beispielsweise die 'tunkelrôte' Hautfarbe des Zornigen mit seiner von Natur aus ,warmen' Natur zu erklären. Das jeweilige Mischungsverhältnis der Elemente bestimmt jedoch nicht nur körperliche Merkmale, sondern auch die Charaktereigenschaften des Menschen. Aristoteles geht davon aus, dass die verschiedenen Affekte, also vorrübergehende Gefühlsregungen wie Angst oder Wut, in direktem Zusammenhang mit den Primärqualitäten warm und kalt stehen. Beispielsweise steht der Affekt Wut mit der Primärqualität warm in Zusammenhang. Das Körpermerkmal 'tunkelrôte' Hautfarbe ist demnach durch innere Wärme bedingt, die den Affekt Wut markiert. Ist diese innere Wärme konstant und erzeugt somit das ständige Merkmal der 'tunkelrôten' Hautfarbe, so kann das Merkmal nicht nur Anzeichen für den Affekt, sondern auch für die Charaktereigenschaft, in diesem Fall Jähzorn sein. Auch der direkte Verweis auf Affekte und deren Anzeichen kommt in Mengenbergs Physiognomik mehrmals vor. So zeigt der Kühne Anzeichen des Zorns: 'und der dar zuo gar zornik ist und seinen zorn gar lang haltet' und der Furchtsame Anzeichen von Traurigkeit: 'und des anplick geleich ist dem anplick ains traurigen menschen'. Inwieweit dieses Erklärungsmodell jedoch stets angewandt werden kann, ist fraglich. Zum einen beschränkt es sich auf eine sehr geringe Anzahl von Affektzuständen, zum anderen fehlt in Konrads Ausführungen der Hinweis darauf, wie mit derlei Angaben umzugehen sei, d.h. um das von Aristoteles eingeführte Erklärungsmodell zu physiognomischen Zwecken zu nutzen, muss der Leser darüber informiert sein, dass sich Charaktereigenschaften nur dann aus Affektregungen ablesen lassen, wenn diese ständig sichtbare Körpermerkmale hinterlassen. Es besteht die Gefahr, dass aus vorübergehenden Gemütszuständen ständige Charaktereigenschaften geschlossen werden, doch 'ein trauriger Mensch hat bisweilen einen fröhlichen Gesichtsausdruck, und ein fröhlicher Mensch manchmal die Miene eines Niedergeschlagenen'.