Inverse Stresstests: Neue Anforderungen an Banken

von: Christopher Berg

Bachelor + Master Publishing, 2015

ISBN: 9783863418120 , 60 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 19,99 EUR

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Inverse Stresstests: Neue Anforderungen an Banken


 

Textprobe: Kapitel 3.2, Historische Szenarioanalyse: Der Ansatz des historischen Stresstests besteht darin, Begebenheiten der Vergangenheit als Szenariobasis zu nutzen und die Auswirkungen auf die Risikofaktoren der Risikoarten zu simulieren. Schließlich kann die Sensitivität der Gesamtbank gegenüber dem Stress gemessen werden. Historische Szenarien folgen damit einer deduktiven Logik. So sind beispielsweise gravierende Aktienmarkteinbrüche wie der des Oktobers 1987 oder, um ein aktuelles Beispiel zu bemühen, der Börsenkrach infolge der japanischen Fukushima-Katastrophe im März 2011 denkbar. Um relevante Begebenheiten zu identifizieren, lassen sich zusätzlich auch die sogenannten 'Schwarzen Schwäne' nutzen, also gleichermaßen seltene wie verlustintensive Ereignisse, die - auch über größere Zeiträume betrachtet - Zäsurcharakter haben. Als Grundlage sind die großen Krisen der letzten Jahrzehnte denkbar, wie etwa die Weltwirtschaftskrise ab 1929, die Ölkrisen, die Dot-Com-Krise ab 2000 sowie die akute Finanzmarktkrise ab der Lehman-Brothers-Insolvenz 2008. Ein konkretes Beispiel für ein historisches Szenario liefert die Konzernleitung des Bereichs Marktrisiko-Controlling der DekaBank für den Oktober 1987. Ein schwacher Dollar und Sorgen vor Inflation sorgten für einen Kursrückgang von rund 23 % innerhalb eines Tages. Da dies an einem Freitag auftrat, konnten die Weltbörsen erst am darauf folgenden Montag reagieren. Die Folge war eine wochenlange Kursschwäche der wichtigsten Indizes von in der Spitze zwischen 20 und 50 %. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass nicht jedes Szenario für jedes Institut angemessen ist. So werden bspw. Auswirkungen aktienmarktzentrierter Szenarien nur eine indirekte Relevanz für Pfandbriefbanken aufweisen. Insgesamt erscheinen aktuellere Ereignisse für die historische Szenarioanalyse geeigneter, da hierfür i.d.R. eine breitere Datenbasis verfügbar ist. Problematisch ist die Übertragung von viele Jahrzehnte zurückliegenden Szenarien auf die derzeitige Institutsverfassung, denn mit der Zeit ist das Leistungsspektrum der Banken komplexer und vielfältiger geworden. Wenn für früher nicht existente Bankprodukte keine oder nur geringe Datenaufzeichnungen vorliegen, ist fraglich, ob die Datengrundlage für den Stresstest in sich von ausreichender Konsistenz ist. Unter dem durch AT 4.3.3 Tz. 2 MaRisk zu berücksichtigenden Plausibilitätskriterium sind historische Szenarien jedoch als besonders geeignet zu beurteilen, da sie ihre praktische Evidenz bereits erwiesen haben. Nachteile historischer Szenarien sind darin zu sehen, dass sich Geschichte in der Regel nicht wiederholt. Diese These wird dadurch gestützt, dass auf jede Krise Reaktionen folgen und Maßnahmen eingeleitet werden, die eine Wiederholung in der Zukunft unwahrscheinlicher machen sollen. Dies ist jedoch eine in erster Linie ursachenbezogene Sichtweise, die das Potential historischer Stresstests nicht einschränkt, die augenscheinlichen Folgen (z.B. Preisverfall an den Börsen, höhere Inflation, höhere Arbeitslosenquote) im Rahmen einer Szenariobetrachtung zu analysieren. 3.3, Hypothetische Szenarioanalyse: Während sich historische Szenarien auf in der Vergangenheit aufgetretene reale Ereignisse beziehen, werden in der hypothetischen Szenarioanalyse vornehmlich ausgehend von den Risikofaktoren mögliche Szenarien abgeleitet und sich damit bei dieser Weise der Szenariobildung einer induktiven Logik bedient. Darüber hinaus können wie bei der historischen Szenarioanalyse makroökonomische Meta-Szenarien erstellt werden, die auf hypothetischen Annahmen basieren. Eine relativ ausführliche Darstellung dessen, wie hypothetische Stressszenarien in der Praxis umgesetzt werden, findet sich in der externen Berichterstattung der UniCredit Bank. Sie berücksichtigt im Rahmen risikoartenübergreifender Stresstests hochaktuelle makroökonomische Entwicklungen, wie z.B. neben der von Griechenland eine weitere Staatspleite im Euro-Raum oder eine breite Ansteckung mit rezessiven Entwicklungen und Bonitätszweifeln bei größeren Mitgliedern der EU. Zudem wurde eine pessimistische Annahme für das deutsche BIP-Wachstum von minus 2 % für das Jahr 2012 untersucht sowie die Auswirkungen negativer Nachfrageschocks in Deutschland. Hypothetische Szenarien erweitern den durch historische Szenarien gewonnenen Erkenntnisstand um die Menge aller theoretisch möglichen zukünftigen Szenarien. Vorteilhaft ist je nach konkreter Vorgehensweise die größere Relevanz für die eigenen Risikopositionen. Dafür können Plausibilitätsmängel auftreten, die ihre Ursache in der Subjektivität der Zusammenstellung und Intensität der Belastungen haben. Positiv zu werten ist etwa die Möglichkeit, von historischen Korrelationen abzuweichen. Die vorrangige Herausforderung ist die sinnvolle Auswahl von Szenarien mit Relevanz für die Risikopositionen des Instituts. Banken können sich für diesen Zweck ihrer ggfs. vorhandenen Research-Abteilungen bedienen oder Markt- und Experteneinschätzungen nutzen. Auch die Berücksichtigung aller maßgeblichen Risikofaktoren gestaltet sich schwierig, weshalb die Ergebnisse aus Szenarioanalysen mit großen Unsicherheiten und Modellrisiken behaftet sind. 3.4, Schwächen des konventionellen Stresstestings: Einer annähernd repräsentativen Umfrage der Bundesbank unter 150 Banken zufolge, die im Herbst 2010 veröffentlicht wurde, messen die Institute den Stresstests im Allgemeinen noch nicht die aufsichtsseitig erwünschte Bedeutung bei. So werden bei einer Vielzahl von Instituten lediglich Sensitivitätsanalysen und keine risikoartenübergreifende Stresstests durchgeführt. Damit wird deutlich, dass bei den Banken in der Konsequenz auch im Hinblick auf inverse Stresstests erhebliches Entwicklungspotential vorliegt, um der sich wandelnden nationalen und internationalen Bankenregulierung zu genügen. Im Allgemeinen gleichen die quantitativen Schwächen der herkömmlichen Stresstestprogramme denen der quantitativen Risikomodellierung in der Risikotragfähigkeitsanalyse. Aufgrund zahlreicher Vereinfachungen sind die Ergebnisse mit erheblichen Modellrisiken behaftet, die der Realität oft nicht standhalten. Konkret betrifft dies z.B. zeitstabile Korrelationsannahmen, lineare Approximationen und die Unterstellung von unabhängigem Verhalten der Marktteilnehmer. Dazu kommt, dass nicht quantifizierbare Risiken häufig nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Als weitere bedeutende Schwächen sind die Subjektivität und Manipulierbarkeit (also die nachträgliche Optimierung von Stresstests und ihren Ergebnissen zu einer positiveren Darstellung) des Stresstestrahmens zu nennen, was nichtsdestotrotz vom Proportionalitätsprinzip und von der Methodenfreiheit gedeckt sein kann. Außerdem fehlte in der Vergangenheit der konkrete Fokus auf diejenigen Belastungssituationen, die die Gefährdung des Unternehmensfortbestands zur Folge haben könnten. Insbesondere bedarf es einer Fortentwicklung der systematischen qualitativen Analyse zur Aufdeckung von den Risiken, die bisher unbeachtet waren und Einfluss auf das Institut haben können.