After forever - AFTER 4 - Roman

von: Anna Todd

Heyne, 2015

ISBN: 9783641162696 , 576 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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After forever - AFTER 4 - Roman


 

2

Hardin

Das Holz bricht krachend.

»Hör auf, Hardin!«, höre ich Vance wie von fern.

Wieder kracht es, dann splittert Glas. Das Geräusch gefällt mir und verstärkt meinen Hunger auf Gewalt. Ich muss Sachen zerlegen, irgendwas kaputt machen, auch wenn es nur ein Gegenstand ist.

Und das tue ich.

Schreie reißen mich aus meiner Trance. Ich sehe nach unten und entdecke ein zerbrochenes Stuhlbein in meinen Händen. Ich blicke auf und sehe in die leeren Gesichter aufgeschreckter Barbesucher. Mich interessiert nur ein Gesicht: Tessas. Aber sie ist nicht da, und in meiner Wut weiß ich nicht, ob das gut oder schlecht ist. Sie wäre verängstigt. Sie würde sich Sorgen um mich machen und panisch meinen Namen rufen, um den Krach zu übertönen.

Ich lasse das Stuhlbein fallen, als hätte ich mich daran verbrannt. Irgendjemand umfasst meine Schultern.

»Bring ihn weg, bevor sie die Polizei rufen!«, sagt Mike so laut, wie ich ihn noch nie gehört habe.

»Lass mich los!« Ich entwinde mich Vance starre ihn an, obwohl ich vor Wut fast blind bin.

»Willst du ins Gefängnis?«, schreit er mir ins Gesicht.

Ich will ihn zu Boden stoßen, ihm die Hände um den Hals legen 

Doch wieder kreischen Frauen und bewahren mich davor, noch einmal in diesem Strudel zu versinken. Ich sehe mich in der schicken Bar um, sehe Whiskey-Gläser in Scherben, den zersplitterten Stuhl, die entsetzten Gesichter von Gästen, die mit Krawall nichts zu tun haben wollen. Es wird nicht lange dauern, bis ihr Schreck in Wut umschlägt, weil ich sie bei ihrem überteuerten Genuss gestört habe.

Christian begleitet mich, als ich an der Kellnerin vorbei nach draußen stürme. »Setz dich in mein Auto, ich erkläre dir alles«, schnaubt er.

Da die Bullen vermutlich wirklich jeden Moment auftauchen, folge ich seinem Rat, aber ich bin völlig vor den Kopf geschlagen. Ich kann einfach nicht glauben, was er mir gesagt hat. Es ist lächerlich.

Ich setze mich auf den Beifahrersitz, Christian geht zur Fahrerseite. »Du kannst nicht mein Vater sein, wie soll das gehen? Das ist doch Bullshit – alles.« Ich betrachte den teuren Mietwagen und frage mich, ob das heißt, dass Tessa in diesem verdammten Park festsitzt, wo ich sie rausgelassen habe. »Hat Kimberly ein eigenes Auto?«

Vance sieht mich ungläubig an. »Natürlich.« Das Schnurren des Motors wird lauter, als er sich in den Verkehr einordnet. »Es tut mir leid, dass du es so erfahren hast. Es lief gerade so gut, aber dann geriet alles durcheinander.«

Ich schweige, denn wenn ich den Mund aufmache, flippe ich aus – das weiß ich. Meine Finger graben sich in meine Schenkel, und der leichte Schmerz beruhigt mich.

»Ich will es dir erklären, aber bitte mach nicht von vornherein zu, okay?« Er sieht mich mitleidig an.

Ich will kein Mitleid. »Behandle mich nicht wie ein Kind«, herrsche ich ihn an.

Vance mustert mich, dann richtet er den Blick auf die Straße. »Du weißt, dass ich und dein Dad – also Ken – zusammen aufgewachsen sind. Wir waren Freunde, solange ich denken kann.«

»Nein, tatsächlich wusste ich das nicht«, herrsche ich ihn an, dann wende ich mich der Landschaft zu, die draußen vorbeizieht. »Offensichtlich weiß ich gar nichts.«

»Gut, also, so war es. Wir waren fast wie Brüder.«

»Und dann hast du seine Frau gevögelt?«, unterbreche ich seine Gutenachtgeschichte.

»Sieh mal …« Christian umklammert das Lenkrad, und seine Knöchel treten weiß hervor. »Ich versuche doch gerade, es dir zu erklären, also lass mich bitte ausreden.« Er holt tief Luft, um sich zu beruhigen. »Um deine Frage zu beantworten: Nein, so war es nicht. Deine Mom und Ken wurden schon in der Schule ein Paar, als deine Mom nach Hampstead kam. Sie war das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen hatte.«

Ich muss daran denken, wie Vance sie geküsst hat. Mir wird schlecht.

»Aber Ken hat sie im Sturm erobert. Sie waren immer zusammen, jeden Tag, jede Minute, genau wie Max und Denise. Bald waren wir eine Fünferclique.« Er verliert sich in der lächerlichen Erinnerung und seufzt. Seine Stimme klingt abwesend. »Sie war geistreich, schön und hoffnungslos verliebt in deinen Dad – Scheiße. Ich werde wohl nie aufhören, ihn so zu nennen …« Er stöhnt. Dann trommelt er auf das Lenkrad, wie um sich anzutreiben.

»Ken war intelligent – fast schon genial –, und als er ein Stipendium und eine vorzeitige Zulassung an der Uni bekam, hatte er viel zu tun. Zu viel für sie. Er war ständig an der Uni. Bald waren wir nur noch zu viert, ohne ihn, und zwischen deiner Mom und mir … na ja, ich habe mich immer heftiger verliebt, und auch sie interessierte sich mehr und mehr für mich.«

Vance hält kurz inne, um die Spur zu wechseln und die Lüftung aufzudrehen. Es ist immer noch stickig im Auto, und in meinem Kopf tobt ein verdammter Orkan, als er fortfährt.

»Ich habe sie immer geliebt – das wusste sie. Aber sie liebte ihn, und er war mein bester Freund.« Vance schluckt. »Im Laufe der Zeit wurde unser Verhältnis immer … intimer. Wir hatten da noch keinen Sex, aber wir gaben unseren Gefühlen nach.«

»Erspar mir die Details.« Ich balle meine Hände zu Fäusten und muss mich sehr zurückhalten, um ihn nicht zu unterbrechen.

»Okay, okay.« Er richtet den Blick starr auf die Straße. »Eins führte zum anderen, und irgendwann hatten wir eine echte Affäre. Ken ahnte nichts davon. Max und Denise hatten ihre Vermutungen, aber sie haben nie etwas gesagt. Ich habe deine Mom gebeten, ihn zu verlassen, weil er sie vernachlässigt hat. Ich weiß, das war mies, aber ich habe sie nun mal geliebt.«

Seine Brauen sind eng zusammengezogen. »Sie war der einzige Ausweg aus meinem damaligen selbstzerstörerischen Trip. Ken war mein Freund, aber meine Liebe zu ihr war größer. Das war sie immer.« Er atmet zischend aus.

»Und …«, dränge ich nach einem kurzen Schweigen.

»Als sie sagte, sie sei schwanger, dachte ich, jetzt würden wir zusammen durchbrennen und heiraten. Ich versprach ihr, keine Scheiße mehr zu bauen, wenn sie sich für mich entschied, und für sie da zu sein … und für dich.«

Ich spüre, dass sein Blick auf mir ruht, aber ich will ihn nicht ansehen.

»Aber deine Mom hielt mich für zu flatterhaft, und ich musste mir auf die Zunge beißen, als sie und dein … Ken erklärten, dass sie ein Kind erwarteten und noch in derselben Woche heiraten würden.«

Wie bitte? Ich sehe ihn an, doch er hat sich völlig in der Vergangenheit verloren.

»Ich wollte das Beste für sie. Ich konnte nicht ihren Ruf zerstören und Ken oder irgendwem die Wahrheit erzählen. Ich dachte immer, tief im Innern muss er wissen, dass ihr Kind nicht von ihm ist. Deine Mom hat damals geschworen, dass er sie seit Monaten nicht angerührt hatte.« Ich bemerke, wie Vance erschaudert. »Bei ihrer kleinen Hochzeit stand ich also da in meinem Anzug, als Trauzeuge von Ken. Ich wusste, dass er ihr gab, was ich ihr nicht bieten konnte. Ich hatte noch nicht mal vor, an die Uni zu gehen. Ich habe meine Zeit damit vertan, mich nach einer vergebenen Frau zu verzehren und in Passagen aus Romanklassikern zu schwelgen, die nie etwas mit meinem Leben zu tun haben würden. Ich hatte keinen Plan und kein Geld, und sie brauchte beides.« Er seufzt und versucht, die Erinnerung zu vertreiben.

Ich sehe ihn an und erschrecke über meine Gedanken. Ich presse eine Faust zusammen und löse sie, um mir die Bemerkung zu verkneifen.

Dann presse ich sie wieder zusammen und erkenne meine Stimme kaum, als ich frage: »Dann hat dich Mom zu ihrem Vergnügen benutzt und weggeworfen, weil du kein Geld hattest?«

Vance stößt die Luft aus. »Nein. Sie hat mich nicht benutzt.« Sein Blick streift mich. »Es sieht vielleicht so aus, aber sie musste an dich und an deine Zukunft denken. Ich war ein totaler Loser – zu nichts zu gebrauchen. Mit mir war einfach nichts los.«

»Und jetzt bist du Millionär«, bemerke ich bitter. Wie kann er sie immer noch verteidigen? Was ist los mit ihm? Doch dann muss ich an meine Mutter denken, die zwei Männer verloren hat, die später reich wurden, während sie für einen Hungerlohn schuftet und in einem schäbigen Haus wohnt.

Vance nickt. »Ja, aber das konnte damals niemand vorhersehen. Ken hatte sein Leben im Griff, ich nicht. Punkt.«

»Bis er anfing, sich jede Nacht die Kante zu geben.« Meine Wut flammt wieder auf. Ich glaube, ich werde sie nie los. Ich fühle mich so betrogen. Ich habe meine Kindheit mit einem verdammten Säufer verbracht, während Vance Highlife hatte.

»Auch das habe ich verbockt«, sagt dieser Mann, von dem ich so lange dachte, ich würde ihn kennen – wirklich kennen. »Ich habe viel durchgemacht, nachdem du auf der Welt warst, aber ich habe mich an der Uni eingeschrieben und deine Mom aus der Ferne geliebt …«

»Bis?«

»Bis zu deinem fünften Lebensjahr. Es war dein Geburtstag, und wir waren alle da. Du bist in die Küche gekommen und hast nach deinem Daddy gerufen …« Christians Stimme bricht, und...