DER LANGE WEG (The End 2) - Endzeit-Thriller

von: G. Michael Hopf

Luzifer Verlag, 2017

ISBN: 9783943408607 , 304 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 4,99 EUR

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DER LANGE WEG (The End 2) - Endzeit-Thriller


 

8. Januar 2015

›Wir müssen dem Weg folgen, der zu unseren Ängsten führt.‹

John Berryman

Barstow, Kalifornien

»Lauf, Haley, lauf!«, rief Gordon.

Sie stand starr vor Schreck da. Nie zuvor hatte sie mitangesehen, wie ein Mensch verbrannte. Und jetzt schaute sie zu, wie Flammen über Candace Pomeroys Rücken tänzelten, während sie langsam von ihrem Wagen fortkroch.

»Hunter, nimm deine Schwester bei der Hand und lauf dort hinüber!« Gordon zeigte auf eine abschüssige Stelle am Fahrbahnrand, die zu einem schmalen Wasserdurchlauf führte. Dieser war gerade groß genug, um den Kindern Schutz zu bieten.

Hunter rannte zu Haley hinüber und packte sie unwirsch, sodass sie ihren kleinen Teddybären fallen ließ.

»Nein, Mr. Woods!«, schrie sie.

»Nicht, Haley, wir müssen weg!«, brüllte Hunter sie an.

Ihr Konvoi stand unter Beschuss, von mehreren versteckten Positionen aus, die entlang der Straße lagen. Für Gordon und seine Leute gab es wenige Möglichkeiten, in Deckung zu gehen. Zu beiden Seiten der Straße erstreckte sich flaches Wüstenland mit vereinzelten Kreosotbüschen. Selbst ihre Fahrzeuge boten wenig Schutz, wie Pomeroys Auto bewies. Der anfängliche Kugelhagel hatte genau auf den Tank abgezielt, sodass der Wagen in einem Feuerball explodiert war.

Hunter zerrte seine Schwester in den engen Wassertunnel. Gordon duckte sich mit Nelson hinter seinen Pickup. Kugeln schlugen in den Wagen ein und ließen ihre Ohren klingeln. Als Gordon versuchte, übers Dach zu schauen, brach eine weitere Salve über ihn herein.

»Fuck!«, fluchte er frustriert und sah sich nach Samantha um, konnte sie aber nirgends entdecken.

»Was sollen wir tun?«, fragte Nelson. Er zuckte mit jedem Treffer ins Blech zusammen.

Das brennende Auto der Pomeroys hüllte alles in schwarzen Qualm ein. Gordon nutzte das als Deckung und rannte zum Jeep. Holloway hatte ihn gefahren, war aber ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt. Gordon sprang auf die Ladefläche und fasste die Griffe des Maschinengewehrs vom Kaliber .50, das dort montiert war. Ohne weitere Zeit zu verlieren betätigte er den Abzug und zielte dabei auf die Positionen, von denen er glaubte, verdeckte Stellungen ausgemacht zu haben. Sand und Steine flogen in die Luft. Gordon brüllte vor Wut. Er brauchte zwar jeweils nur wenige Sekunden, um die Unbekannten im Hinterhalt außer Gefecht zu setzen, feuerte aber weiter, bis ihm die Munition ausging. Als das Gewehr nur noch klickte, rührte sich nichts mehr an der Straße, Gordon wollte es jedoch nicht darauf ankommen lassen. Er klemmte sich hinters Steuer und startete den Jeep. Als er losfahren wollte, kam Holloway auf ihn zugelaufen.

»Wo zum Teufel hast du gesteckt?«, rief Gordon hörbar verärgert.

»Bei meiner Familie«, antwortete Holloway rundheraus, ohne sich von Gordons Grobheit einschüchtern zu lassen.

»Komm, wir müssen schauen, ob diese Wichser wirklich tot sind«, drängte Gordon.

Holloway stieg ein, Gordon trat aufs Gas. Als sie sich auf Höhe des ersten Verstecks befanden, sprang er hinaus und hastete darauf zu. Er entdeckte zwei tote Männer, niedergestreckt vom MG. Nachdem er zu Fuß zur zweiten Position weitergelaufen war, bot sich ihm ein ähnliches Bild, doch an der dritten lebte noch ein Mann.

»Hier ist ein Verwundeter!«, rief Holloway.

Gordon fuhr mit dem Jeep vor und sprang hinaus, lief zu dem Verletzten und zückte seine Pistole, um sie dem Mann an den Schädel zu halten.

»Seid ihr noch mehr?«

Der Mann sagte nichts. Er hustete Blut.

»Antworte, du Dreckschwein!«, brüllte Gordon und drückte die Mündung fest gegen seine schweißnasse Stirn.

Hinter ihm ertönten Schreie. Er stand auf und drehte sich um. Die Stimmen wurden von neuerlichem Gewehrfeuer übertönt. Er sah Leute herumlaufen, doch der dichte Qualm verhinderte, dass er erkannte, was genau passierte. Gordon ging einen Schritt vorwärts, ehe er sich des Verwundeten entsann. Er drehte sich noch einmal um, zielte und schoss.

»Ich hab Angst. Wo sind Mama und Daddy?«, jammerte Haley.

Hunter antwortete nicht. Er sah, dass aus der Wüste mehrere Männer auf den Wagenzug zumarschierten.

Haley stieß einen lauten Schrei aus, und hörte dann nicht mehr damit auf.

»Pscht, Haley! Sei leise!«, befahl Hunter.

»Ich kann nicht, ich kann nicht! Ich hab Angst«, wiederholte sie unbeherrscht. Ihr Körper zitterte.

»Mama und Daddy sind bald zurück, versprochen.«

»Was ist, wenn sie tot sind, wenn Mama und Daddy nicht mehr leben?«

»Haley, du musst still sein.«

Die nahenden Männer gaben weitere Schüsse ab.

Haley kreischte.

Hunter hielt ihr den Mund zu. »Hör jetzt auf«, zischte er.

Sie schaute ihm in die Augen und beruhigte sich etwas, weinte aber weiter.

Hunter blickte über seine Schulter. Die Männer sah er nicht mehr, aber nach wie vor hörte er ihr Feuer, das vom Konvoi erwidert wurde. Er war neugierig und wollte wissen, wohin die Kerle verschwunden waren, also kroch er zurück zum Einstieg des Tunnels.

»Nein, halt. Wo willst du hin?«, rief ihm Haley hinterher.

»Psst! Ich schau nur nach, wohin die Männer gegangen sind.«

»Bitte lass mich nicht allein.«

»Ich guck doch nur!«

Da fing Haley wieder lauthals zu heulen an. Hunter hielt inne und kehrte zu ihr zurück. Er nahm sie in den Arm und versicherte ihr, dass alles gut werde. Aus seiner Hosentasche zog er einen Silberkompass heraus und gab ihn ihr. »Hier, nimm. Dad hat ihn mir geschenkt. Er meinte, dass mir damit nichts geschehen kann, und jetzt gebe ich ihn dir, damit er auch auf dich aufpasst.«

Sie nahm den Kompass mit zitternden Händen entgegen und schaute ihren Bruder mit großen Augen an.

Er lächelte. »Ich bin wirklich sofort zurück.«

Dann kroch Hunter bis zum Ende des Wasserdurchlaufs und spähte vorsichtig in beide Richtungen hinaus. Einer der Fremden stand direkt neben dem Tunnel. Als Hunter ihn erblickte und sich zurückziehen wollte, wurde er gepackt und hinausgezogen. Er wehrte sich und trat aus, konnte dem Mann aber nicht entrinnen. Nach einem Schlag ins Gesicht verlor er das Bewusstsein.

Haley schrie abermals, da sie spürte, dass ihrem Bruder etwas zugestoßen war.

Der Mann schaute in den Tunnel und sprach: »Komm her, Mädchen.«

USS Makin Island vor der südkalifornischen Küste

Sebastian war mit seiner Geduld am Ende. Mit jedem weiteren Tag, der verging, ohne dass man ihn aus seiner kalten, grauen Zelle entließ, wurde er wütender und unruhiger. Zu wissen, dass sein Bruder nur 20 Meilen entfernt wohnte, machte das Warten umso schlimmer. Nachdem er Tausende Meilen zurückgelegt und eine Menge Widrigkeiten überstanden hatte, war es ihm unerträglich, jetzt festzusitzen. Seit er drei Tage zuvor mit Gunny nach oben gegangen war, hatte er kein Tageslicht mehr gesehen. So gerecht man ihn auch behandelte, es fühlte sich doch wie Folter an. Einen Vorteil zog er indes aus der Warterei: Er konnte einen Plan schmieden. Gunny hatte ihm erlaubt, eine Karte, Papier und einen Stift zu bekommen. Damit zeichnete er unterschiedliche Strecken nach und markierte Wegpunkte. Wohlwissend, dass es übel enden mochte, die Highways zu nehmen, zog er Landstraßen und Pfade durch die freie Wildnis in Betracht, um nach Carmel Valley zu gelangen.

Sechs Wochen waren seit den Anschlägen vergangen, und die letzten Neuigkeiten bezüglich San Diego hatte er vor mehreren Tagen erhalten. Lapidar gesprochen herrschte Chaos in der Stadt. Die Villista-Miliz besetzte mittlerweile weite Bezirke, und Marineeinheiten, die an Land gegangen waren, um ihre Verwandten einzusammeln, wurden in Kampfhandlungen verstrickt. San Diego sichern zu wollen lag Barone fern, obschon er nicht dulden wollte, dass organisierte Banden seinen Männern das Leben schwermachten. Deshalb attackierte und zerstörte er viele Hochburgen und Lager der Villistas. Sebastian wusste zu schätzen, was Barone tat, um die Überlebenschancen der eigenen Leute zu erhöhen.

Das willkommene Klicken eines Schlüssels, der die Tür aufsperrte, hallte von den Zellenwänden wider. Sebastian hielt inne und schaute auf. Die breite Metalltür öffnete sich, Gunny trat herein.

Sebastian stand auf. Er freute sich, den Mann zu sehen, weil sein Erscheinen in Aussicht stellte, dass man ihn freilassen würde.

»Van Zandt, wie läuft's?«

»Ganz gut, Gunny.«

»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Welche willst du zuerst hören?«, fragte Gunny. Er hatte sich mit verschränkten Armen vor ihm aufgebaut.

Sebastian machte vor lauter Erwartung große Augen. Er traute sich nicht, nach der schlechten Nachricht zu fragen, wollte sich die Gute aber bis zuletzt aufsparen.

»Die schlechte...