Skulduggery Pleasant (Band 1-3) inklusive eShort - Urban-Fantasy-Kultserie mit schwarzem Humor

Skulduggery Pleasant (Band 1-3) inklusive eShort - Urban-Fantasy-Kultserie mit schwarzem Humor

von: Derek Landy

Loewe Verlag, 2013

ISBN: 9783732001538 , 1032 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 14,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Skulduggery Pleasant (Band 1-3) inklusive eShort - Urban-Fantasy-Kultserie mit schwarzem Humor


 

STEPHANIE

Gordon Edgleys plötzlicher Tod war ein Schock für alle – nicht zuletzt für ihn selbst. Gerade saß er noch in seinem Arbeitszimmer beim siebten Wort des 25. Satzes vom letzten Kapitel seines neuen Buches Und Dunkelheit brach über sie herein und im nächsten Augenblick war er tot. Ein tragischer Verlust – dieser Gedanke schoss ihm noch durch den Kopf, als er bereits abtauchte.

Zur Beerdigung kamen Familienangehörige und Bekannte, aber kaum Freunde. Gordon war nicht sonderlich beliebt gewesen in der Verlagswelt, denn obwohl die Bücher, die er schrieb – sie handelten von Horror, Zauberei und unerklärlichen Vorkommnissen –, regelmäßig auf den Bestsellerlisten landeten, hatte er die beunruhigende Angewohnheit, Leute zu beleidigen, ohne es zu wollen, und dann über ihre geschockte Reaktion zu lachen. Und es war auf Gordons Beerdigung, als Stephanie den Gentleman in dem braunen Überzieher zum ersten Mal sah.

Er stand abseits von den anderen Trauergästen unter einem großen Baum, und obwohl es warm war an diesem Nachmittag, hatte er den Mantel bis oben hin zugeknöpft und einen Schal um die untere Hälfte seines Gesichts gewickelt. Selbst aus der Entfernung – Stephanie stand auf der anderen Seite des Grabes – konnte sie die gigantische Sonnenbrille erkennen und die wilde Lockenmähne, die unter seinem breitrandigen Hut hervorquoll. Sein Äußeres machte sie neugierig und sie schaute immer wieder zu ihm hin. Als spürte er, dass er beobachtet wurde, drehte er sich um und ging durch die Grabsteinreihen davon.

Nach der Trauerfeier fuhr Stephanie mit ihren Eltern zum Haus ihres toten Onkels. Der Weg führte über eine Bogenbrücke und dann eine schmale Straße hinunter, die sich durch einen dichten Wald schlängelte. Das mächtige, prunkvoll verzierte Tor zu dem Grundstück stand einladend offen. Das Anwesen war riesig und das Haus darauf geradezu lächerlich groß.

Im Wohnzimmer gab es eine besondere Tür, eine, die als Bücherregal getarnt war, und als kleines Mädchen hatte Stephanie sich immer vorgestellt, dass niemand von dieser Tür wusste, nicht einmal ihr Onkel. Es war eine Geheimtür, wie sie in den Geschichten vorkam, die sie gelesen hatte, und sie dachte sich selbst die größten Abenteuer aus. Die Geheimtür ermöglichte ihr die Flucht vor Geistern und Piraten und die Bösewichte waren jedes Mal total fertig, wenn Stephanie so plötzlich auf unerklärliche Weise verschwand. Doch jetzt stand diese Tür, ihre Geheimtür, offen – ein stetiger Strom von Menschen wälzte sich durch und sie war traurig, dass ihr dieses kleine Geheimnis genommen worden war.

Es gab Tee, Drinks wurden ausgeschenkt und kleine Sandwiches auf Silbertabletts gereicht und Stephanie beobachtete die Trauergäste, wie sie die Räumlichkeiten beim Herumschlendern genauestens unter die Lupe nahmen. Hauptthema der gedämpften Unterhaltung war das Testament. Gordon war nicht der Typ gewesen, der abgöttisch geliebt oder jemandem starke Zuneigung bezeugt hatte und so konnte niemand voraussagen, wer das nicht unbeträchtliche Vermögen erben würde. Stephanie sah, wie dem anderen Bruder ihres Vaters, einem unangenehmen Menschen namens Fergus, die Gier in die wässrigen Augen schwappte, während er traurig nickte, mit ernster Miene Beileidsbekundungen entgegennahm und Teile des Silberbestecks einsackte, wenn er sich unbeobachtet fühlte.

Fergus’ Frau Beryl war eine zutiefst unsympathische Person mit kantigen Gesichtszügen. Sie schob sich in nicht gerade überzeugend gespieltem Schmerz durch die Menge, saugte jeden Klatsch auf und stocherte nach Skandalen, die sie selbst weitertratschen konnte. Ihre Töchter bemühten sich nach Kräften, Stephanie zu übersehen. Carol und Crystal waren Zwillinge, fünfzehn Jahre alt und genauso mürrisch und nachtragend wie ihre Eltern. Sie waren wasserstoffblond, stämmig und trugen Kleider, die ihre Rundungen an genau den falschen Stellen betonten. Stephanie dagegen war dunkelhaarig, groß und schlank. Wenn die braunen Augen nicht gewesen wären, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass die Zwillinge mit ihr verwandt sein könnten. Ihr war das recht, denn die Augen waren wirklich das Einzige, was ihr an ihnen gefiel. Sie ignorierte die geringschätzigen Blicke und das abfällige Getuschel ihrer Cousinen und machte sich zu einem Rundgang durchs Haus auf.

Die Flure im Haus ihres Onkels waren lang und mit Bildern geschmückt, die Parkettböden auf Hochglanz gebohnert, und das ganze Haus roch irgendwie alt. Nicht unbedingt modrig, eher … erfahren. Diese Wände und die Böden hatten schon allerhand erlebt und Stephanie war lediglich ein gehauchtes Flüstern für sie. Eben noch hier, im nächsten Augenblick schon wieder verschwunden.

Gordon war ein guter Onkel gewesen. Arrogant und verantwortungslos, klar, aber er konnte auch albern und ungeheuer witzig sein, und er hatte dieses Leuchten in den Augen, ein schalkhaftes Glitzern. Wenn alle anderen dachten, er meinte es ernst, sah Stephanie das Zwinkern und Nicken und das versteckte Lächeln, das er ihr zuwarf, wenn niemand guckte. Obwohl sie erst zwölf war, hatte sie das Gefühl, ihn besser zu verstehen als die meisten Erwachsenen. Ihr gefielen seine intelligente Art und sein Witz und dass er sich nicht darum scherte, was die Leute von ihm hielten. Doch, er war ihr ein guter Onkel gewesen. Sie hatte eine Menge von ihm gelernt.

Stephanie wusste, dass ihre Mutter und Gordon kurze Zeit miteinander gegangen waren – er hatte ihr „den Hof gemacht“, wie ihre Mutter es ausdrückte –, doch als er sie seinem jüngeren Bruder vorgestellt hatte, war es bei den beiden Liebe auf den ersten Blick gewesen. Gordon hatte sich danach immer gern beklagt, dass er von ihr nie mehr als einen flüchtigen Kuss auf die Wange bekommen hätte. Trotzdem hatte er großzügig das Feld geräumt und sich ganz zufrieden damit abgefunden, auch weiterhin zahlreiche heiße Affären mit zahlreichen schönen Frauen zu haben. Er hatte oft gesagt, dass es zwar ein recht fairer Tausch gewesen sei, er aber vermutlich doch den Kürzeren gezogen habe.

Stephanie ging die Treppe hinauf, öffnete die Tür zu Gordons Arbeitszimmer und trat ein. An den Wänden teilten sich die eingerahmten Schutzumschläge seiner Bestseller den Platz mit allen möglichen Auszeichnungen. Eine Wand bestand nur aus vollgestopften Bücherregalen. Es gab Biografien und historische Romane und wissenschaftliche Abhandlungen und psychologische Schinken und dazwischen zerfledderte Taschenbücher. Auf einem der unteren Regalbretter lagen Zeitschriften, Buchbesprechungen und Magazine. Stephanie ging an dem Regal mit den Erstausgaben von Gordons Romanen vorbei zu seinem Schreibtisch.

Sie betrachtete den Stuhl, auf dem er gestorben war, und versuchte, ihn sich dort zusammengesunken vorzustellen.

Und dann war da plötzlich eine Stimme, so weich, dass sie aus Samt hätte sein können.

„Wenigstens starb er mitten in seiner geliebten Arbeit.“

Überrascht drehte sie sich um und sah den Mann mit dem braunen Mantel und dem Hut, der ihr bei der Beerdigung aufgefallen war, im Türrahmen stehen. Er hatte den Schal noch um, die Sonnenbrille noch auf und die wilden Locken schauten noch genauso unter dem Hut hervor. Außerdem trug er Handschuhe.

„Ja“, sagte sie, weil ihr nichts anderes einfiel, „wenigstens das.“

„Du bist eine seiner Nichten, stimmt’s?“, fragte der Mann. „Da du nichts klaust und nichts kaputt machst, nehme ich an, du bist Stephanie.“

Sie nickte und ergriff die Gelegenheit, ihn sich genauer anzuschauen. Zwischen Schal und Sonnenbrille war nicht das kleinste Stückchen Gesicht zu sehen.

„Waren Sie ein Freund von ihm?“, erkundigte sie sich. Der Mann, der da vor ihr stand, war groß, groß und schlank, auch wenn es schwierig war, seine Figur unter dem Mantel genau auszumachen.

„Das war ich“, erwiderte er und nickte. Durch diese kleine Bewegung fiel ihr auf, dass der Rest seines Körpers unnatürlich steif wirkte. „Ich kannte ihn viele Jahre. Wir lernten uns in einer Bar in New York kennen, als ich drüben war, damals, nachdem er gerade seinen ersten Roman veröffentlicht hatte.“

Stephanie konnte hinter der Sonnenbrille nichts erkennen. „Sind Sie auch Schriftsteller?“

„Ich? Nein, ich wüsste nicht, wo ich anfangen sollte. Aber ich konnte meine schriftstellerischen Fantasien durch Gordon ausleben.“

„Sie hatten schriftstellerische Fantasien?“

„Hat die nicht jeder?“

„Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.“

„Oh. Dann würde man mich deshalb für einen merkwürdigen Kauz halten, ja?“

„Na ja“, meinte Stephanie, „es wäre eine Merkwürdigkeit mehr.“

„Gordon hat oft von dir gesprochen und mit seiner kleinen Nichte regelrecht angegeben. Er hatte Charakter, dein Onkel. Du auch, wie mir scheint.“

„Sie sagen das so, als würden Sie mich kennen.“

„Willensstark, intelligent, scharfzüngig, hat keine Geduld mit Dummköpfen … erinnert dich das an jemanden?“

„Ja. An meinen Onkel.“

„Interessant“, sagte der Mann. „Denn ganz genau so hat er dich immer beschrieben.“

Er griff mit seinen behandschuhten Fingern in seine Manteltasche und zog eine prächtige Taschenuhr an einer feinen Goldkette heraus.

„Ah“, sagte er, „ich muss los. Schön, dich kennengelernt zu haben, Stephanie. Viel Glück bei was immer du aus deinem Leben machst.“

„Danke“, erwiderte Stephanie verlegen, „Ihnen auch.“

Sie hatte den Eindruck, als lächle der Mann, obwohl sie keinen Mund erkennen konnte. Dann drehte er sich um und ging. Sie konnte den Blick nicht von der Stelle wenden, an der er gestanden hatte. Wer war er? Er hatte ihr nicht einmal seinen Namen...