Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur beschränkten Einkommensteuerpflicht – Gefahr der Inländerdiskriminierung

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur beschränkten Einkommensteuerpflicht – Gefahr der Inländerdiskriminierung

von: Michael Kortz

Herbert Utz Verlag , 2010

ISBN: 9783831640089 , 520 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 49,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur beschränkten Einkommensteuerpflicht – Gefahr der Inländerdiskriminierung


 

4. Kapitel: Die Umsetzung der Schumacker-Grundsätze im deutschen Einkommensteuerrecht - Zweifel an der europarechtlichen Konformität und weiterreichende Forderungen in der Literatur (S. 367-368)

A. Zusammenfassung der Vorgaben des EuGH zur Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger


Der EuGH hat im Laufe der dargestellten Rechtsprechung mehr oder weniger präzise Vorgaben für eine gemeinschaftsrechtskonforme Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger aufgestellt. Danach ist jede diskriminierende Schlechterstellung beschränkt Steuerpflichtiger europarechtlich unzulässig, wenn sie sich in einer mit unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Lage befinden. Eine solche vergleichbare Lage liegt hinsichtlich der Einkünfteermittlung bzw. Regelungen des objektiven Nettoprinzips1, des Tarifs2 und des Verfahrens3 – unabhängig von der Höhe der Einkünfte im Tätigkeitsstaat – stets vor, so dass eine europarechtswidrige Diskriminierung gegeben ist, wenn die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt werden kann.

Nur für die Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstandes – also für Fiskalzwecknormen des subjektiven Nettoprinzips – hat der EuGH im Urteil Schumacker4 basierend auf einer grenzüberschreitenden Gesamtbetrachtung des Wohnsitz- und des Tätigkeitsstaates diese generelle, grundsätzliche Vergleichbarkeit umgekehrt und abweichend festgestellt, dass sich beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige in der Regel nicht einer vergleichbaren Lage befinden („Erster Schumacker-Grundsatz“). In diesem Fall besteht bereits keine tatbestandliche Diskriminierung, die einer Rechtfertigung bedarf. Maßgebliche Aspekte dafür sind einerseits die im Rahmen der Berücksichtigung der subjektiven Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommenden grundlegenden Unterschiede zwischen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht.

Die Berücksichtigung der subjektiven Leistungsfähigkeit stellt auf die Gesamtleistungsfähigkeit ab und ist daher an die Gesamtbetrachtung der persönlichen Verhältnisse geknüpft, so dass sie sich nicht in die ausschnitthafte Quellenbesteuerung der beschränkten Steuerpflicht integrieren lässt. Sie ist personen- und nicht einkünftebezogen, so dass die Berücksichtigung der subjektiven Leistungsfähigkeit entscheidend durch das Welteinkommen bestimmt ist und damit durch das subjektive Nettoprinzip an das Welteinkommensprinzip geknüpft ist, das der Wohnsitzstaat durch die unbeschränkte Steuerpflicht verwirklicht. Andererseits besteht hinsichtlich der Berücksichtigung der persönlichen und familiären Lage die Gefahr einer doppelten Berücksichtigung („Doppelbegünstigung“) – die sich über das Kohärenzprinzip in den gemeinschaftsrechtlichen Kontext einfügen lässt –, wenn neben dem Wohnsitzstaat auch der Tätigkeitsstaat diese Lage im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht einkommensmindernd berücksichtigt.

Auf dieser Würdigung basiert auch der weitere vom EuGH immer wieder herangezogene Grundsatz, wonach der Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen primär zur Berücksichtigung der persönlichen und familiären Lage verpflichtet ist („Zweiter Schumacker-Grundsatz“). Diese generelle, grundsätzliche Unvergleichbarkeit tritt nur dann außer Kraft, wenn der beschränkt Steuerpflichtige sein zu versteuerndes Einkommen „fast ausschließlich“ aus seinem Tätigkeitsstaat bezieht, so dass der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergeben („Dritter Schumacker-Grundsatz“). Insoweit liegt eine diskriminierende Ungleichbehandlung vor, die für ihre europarechtliche Zulässigkeit einer Rechtfertigung bedarf."