Die drei !!!, 45, Tatort Geisterhaus (drei Ausrufezeichen)

von: Maja von Vogel

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2013

ISBN: 9783440140437 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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Die drei !!!, 45, Tatort Geisterhaus (drei Ausrufezeichen)


 

Sonntagsausflug nach Billershausen

»Wer zuerst an der alten Eiche ist!«

Michi schoss auf seinem Fahrrad an Kim vorbei. Seine dunkelbraunen Haare flatterten im Wind.

»Na warte, dich krieg ich!« Kim beugte sich vor und trat in die Pedalen. Die Bäume am Wegesrand sausten vorüber, während sie immer schneller den Hügel hinabrollte. Irgendwo weiter vorne ertönte Michis siegessicheres Lachen. Aber wenn er dachte, sie würde sich kampflos geschlagen geben, hatte er sich geirrt. Kim schaltete einen Gang hoch und steigerte das Tempo, bis ihr der Fahrtwind Tränen in die Augen trieb. Langsam, aber sicher verringerte sich der Abstand zwischen ihr und Michi, bis sie gleichauf waren.

»Hilfe, Angriff von hinten!«, rief Michi in gespielter Angst.

Kim warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. Ein Fehler, denn das Funkeln seiner blaugrünen Augen brachte sie wie immer völlig aus dem Konzept. Sie vergaß einen Moment zu treten und Michi zog jubelnd an ihr vorbei.

»Gewonnen!« Mit einer knappen Länge Vorsprung erreichte er die alte Eiche, ließ das Fahrrad ausrollen und hielt an.

»Aber nur, weil du geschummelt hast.« Kims Atem ging stoßweise, als sie neben Michi bremste. Sie stieg ab, lehnte ihr Rad gegen einen Baum und warf sich keuchend ins Gras am Wegesrand.

»Ich? Niemals!« Michi ließ sich neben ihr nieder und küsste ihr die Schweißtropfen von der Stirn.

»Doch!«, protestierte Kim schwach. »Du hast mich abgelenkt und dann …« Weiter kam sie nicht, denn Michis Lippen hatten ihren Mund erreicht und sie versanken in einem langen Kuss. Kim vergaß alles um sich herum. Sie hätte Michi ewig weiterküssen können, aber das schrille Läuten zweier Fahrradklingeln riss sie unsanft von ihrer rosaroten Wolke.

Marie und Franzi rollten auf ihren Rädern den Hügel hinab und kamen breit grinsend neben Kim und Michi zum Stehen.

»Sieh dir unsere zwei Turteltauben an, sind sie nicht süüüß?«, flötete Marie.

Franzi nickte. »Herzallerliebst! Und ich habe Kim noch nie so schnell radeln sehen – ab heute nenne ich dich nur noch ›roter Blitz‹!«

Kim strich ihre rote Kapuzenjacke glatt. »Liebe verleiht eben Flügel«, stellte sie fest und kuschelte sich an Michi. Die spöttischen Kommentare ihrer Freundinnen prallten einfach an ihr ab. Sie war viel zu glücklich, um sich zu ärgern. Genießerisch hielt sie ihr Gesicht in die Sonne, während eine leichte Brise mit ihren kurzen braunen Haaren spielte. »Ist das nicht ein herrlicher Tag für einen Ausflug?«

Michi nickte. »Wer hätte gedacht, dass es Ende September noch mal so warm wird?« Er legte den Arm um Kim und drückte sie an sich.

Franzi sah auf die Uhr. »Ich will ja nicht drängeln, aber wir sollten lieber weiterfahren, sonst wird es zu spät.«

»Du hast recht.« Michi erhob sich. »Das Licht ist perfekt zum Fotografieren. Es wäre schade, wenn wir es verpassen.« Er streckte Kim die Hand hin und half ihr beim Aufstehen.

Seufzend ging Kim zu ihrem Fahrrad und stieg auf. Vor lauter Verliebtheit hätte sie fast vergessen, dass ihre sonntägliche Radtour leider kein reiner Vergnügungsausflug war, sondern einen ernsten Hintergrund hatte. Sie war mit Franzi, Marie und Michi unterwegs nach Billershausen, um Fotos von Oma Lottis Haus zu machen. Franzis Oma hatte vor einiger Zeit einen Schlaganfall gehabt, war seitdem pflegebedürftig und lebte bei Franzis Familie. Es ging ihr zwar schon wieder etwas besser, aber es war klar, dass sie nie mehr alleine wohnen konnte. Deshalb hatte sie sich schweren Herzens dazu durchgerungen, ihr geliebtes Haus zu verkaufen.

»Wirklich nett von dir, Michi, dass du dich bereit erklärt hast, die Fotos für die Immobilienanzeige im Internet zu machen«, sagte Franzi, als sie in gemächlichem Tempo auf dem gewundenen Radweg nach Billershausen weiterradelten.

»Kein Problem.« Michi lächelte. »So kann ich gleich meine neue Kamera ausprobieren. Mein Vater hat sie mir zum Schnäppchenpreis verkauft, weil es ein Auslaufmodell ist.«

Herr Millbrandt, Michis Vater, betrieb ein kleines Elektrogeschäft in der Innenstadt, in dem Michi manchmal aushalf, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, für seine Ausbildung zum chemisch-technischen Assistenten zu lernen. Michi interessierte sich für alles, was mit Chemie zu tun hatte, und führte liebend gerne komplizierte Experimente durch. Kim, Franzi und Marie hatten seine Kenntnisse schon oft in Anspruch genommen, wenn sie mit ihrem Detektivclub Die drei !!! mal wieder einen kniffligen Fall lösten und einen Experten in chemischen Fragen brauchten.

»Seht mal, dort drüben!« Marie zeigte auf ein Riesenrad, das sich in der Ferne hinter den Baumwipfeln langsam drehte. Daneben waren die geschwungenen Schienen einer Achterbahn zu sehen. Sie glänzten im Sonnenlicht. »Im Freizeitpark herrscht bei dem Wetter bestimmt Hochbetrieb.«

Der Freizeitpark Sugarland lag vor den Toren Billershausens und war ein richtiger Touristenmagnet. An den Wochenenden und in den Ferien war das Gelände oft völlig überlaufen.

Franzi seufzte und starrte stur geradeaus. Kim ahnte, woran ihre Freundin dachte. »Du vermisst Felipe, oder?«, fragte sie leise.

Franzi nickte. »Er ist jetzt schon zwei Wochen weg. Und es dauert noch schrecklich lange, bis er zurückkommt.«

Franzis Freund Felipe war Halbmexikaner. Seine Mutter Juana betrieb ein Restaurant im Sugarland und Franzi hatte ihn oft dort besucht. Aber vor vierzehn Tagen war Felipe in den Flieger gestiegen, um in Mexiko ein mehrmonatiges Praktikum zu absolvieren.

»Wie geht es Felipe denn so in seiner alten Heimat?«, erkundigte sich Michi, der hinter Franzi und Kim radelte. »Gefällt ihm das Praktikum?«

Franzi seufzte noch einmal. »Und wie! So begeistert, wie er mir bei unserem letzten Telefonat von seiner Arbeit im Museum erzählt hat, hatte ich beinahe Angst, dass er gar nicht mehr wiederkommen will.«

»Unsinn!« Marie fuhr an der Spitze und trat gleichmäßig in die Pedale. »Wetten, dass Felipe dich mindestens genauso vermisst wie du ihn?«

»So oft, wie er dir simst und mailt, ist es erstaunlich, dass er überhaupt noch Zeit für sein Praktikum hat«, stellte Kim kichernd fest.

Franzi musste lachen. »Stimmt eigentlich. Heute Abend sind wir mal wieder zum Skypen verabredet. Ich freu mich schon!«

»Grüß ihn von mir«, bat Michi, der auch mit Felipe befreundet war. Beide beschäftigten sich begeistert mit Pyrotechnik und hatten gemeinsam schon einige beeindruckende Feuerwerkshows konzipiert und durchgeführt.

»Mach ich.« Franzis Laune schien sich augenblicklich zu bessern, sobald das Riesenrad hinter den Bäumen verschwunden war. Rasant nahm sie die nächste Kurve und rief Marie zu: »Was macht denn Holger heute?«

»Er packt.« Jetzt war es Marie, die mit düsterer Miene auf die Straße starrte.

»Wieso denn?«, fragte Kim erschrocken. »Er zieht doch nicht etwa schon wieder um?«

Maries Freund war erst vor Kurzem mit seiner Mutter und seinen kleinen Geschwistern von Billershausen ins Ostviertel gezogen, ganz in Maries Nähe. Seitdem konnten sich die beiden so oft sehen, wie sie wollten, was sie sehr genossen.

»Nein, er fährt morgen in ein Sportcamp, das seine Schule organisiert«, verkündete Marie mit Grabesstimme. »Er wird eine ganze Woche fort sein.« Sie seufzte theatralisch. »Wie soll ich das nur aushalten?«

Kim und Franzi wechselten einen belustigten Blick und prusteten los. Marie – Tochter des berühmten Schauspielers Helmut Grevenbroich – wollte später selbst Sängerin oder Schauspielerin werden und liebte das ganz große Drama. Aber manchmal schoss sie ein wenig übers Ziel hinaus.

»Und ich dachte schon, es wäre etwas Ernstes«, sagte Franzi spöttisch.

»Es ist ernst!«, verteidigte sich Marie. »Ohne Holger wird mein armes Herz vertrocknen wie eine Primel in der Wüste.«

»Findest du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?«, fragte Kim vorsichtig. »Holger ist doch nur eine Woche verreist.«

»Genau, und das ist wirklich keine Ewigkeit«, ergänzte Franzi leicht genervt. »Was soll ich denn sagen? Felipe ist schließlich mehrere Monate weg.«

»Du hast recht.« Marie warf ihrer Freundin einen mitfühlenden Blick zu. »Entschuldige, das war wirklich nicht besonders sensibel von mir.«

»Kein Problem«, sagte Franzi versöhnlich. Sie war zwar manchmal etwas aufbrausend, aber dafür alles andere als nachtragend. »Zum Glück haben wir ja noch uns und unseren Club. Detektivarbeit ist die beste Ablenkung bei Liebeskummer, die man sich vorstellen kann.«

»Ja, aber dafür brauchen wir erst mal einen neuen Fall«, stellte Kim fest. »Im Moment herrscht leider totale Flaute.«

»Keine Sorge, der nächste Fall kommt bestimmt«, sagte Franzi zuversichtlich.

»Wir sind da, Mädels!«, rief Michi von hinten. Tatsächlich fuhren sie gerade am Ortseingangsschild vorbei.

»Na endlich.« Kim atmete erleichtert auf. Nach dem Wettrennen mit Michi waren ihr auf den letzten Kilometern die Beine ganz schön schwer geworden. Sie hatte sich noch nie sonderlich für Sport begeistern können und die Strecke nach Billershausen brachte sie körperlich ziemlich an ihre Grenzen. Zum Glück hatte sie ihre Fitness im Sommer durch regelmäßige Radtouren und Besuche im Waldschwimmbad etwas steigern...