Im Bann des Gedächtnisses: Die Entstehung einer neuen Biologie des Geistes

von: Eric Kandel

Picus, 2011

ISBN: 9783711750846 , 48 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,99 EUR

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Im Bann des Gedächtnisses: Die Entstehung einer neuen Biologie des Geistes


 

Im Bann des Gedächtnisses: Die Entstehung einer neuen Biologie des Geistes (S. 14-15)

Eric Kandel


Ich wurde eingeladen, angesichts des Erscheinens meines Buches, »Auf der Suche nach dem Gedächtnis«, ein wenig von meinem persönlichen und beruflichen Werdegang zu erzählen und dies auf Deutsch zu versuchen. Ich folge dieser Aufforderung gern, schon allein um mein Wienerisch zu üben. Ich muss aber auch gestehen, dass ich in dem nun Folgenden jedes deutsche Wort gebrauchen werde, das ich kenne, und sogar ein paar, die ich nicht kenne. In meinem Buch nun verflechte ich zwei Geschichten miteinander.

Einerseits ist es die Chronik der außerordentlichen Fortschritte, die die Wissenschaft des Geistes in den letzten fünfzig Jahre erzielt hat. Und zum anderen erzähle ich die Geschichte meines Lebens und meiner wissenschaftlichen Tätigkeit während der letzten fünf Jahrzehnte, die der Frage nachgeht, wie meine Kindheitserlebnisse in Wien meine Neugierde auf die Ergründung des Gedächtnisses weckten. Es ist jene Neugierde, die mich zunächst zur Beschäftigung mit Geschichte und mit der Psychoanalyse führte, dann zur Biologie des Gehirns und schließlich zur Erforschung zellulärer und molekularer Lernprozesse.

So berichtet das Buch, wie sich mein persönliches Bemühen um ein Verständnis des Gedächtnisses mit einem der bedeutendsten wissenschaftlichen Unterfangen unserer Zeit verknüpfte – dem Versuch, unseren Geist auf zell- wie auf molekularbiologischer Ebene zu verstehen. Den menschlichen Geist aus biologischer Sicht zu erklären, hat sich im 21. Jahrhundert zu einer der wichtigsten Aufgaben der Naturwissenschaft entwickelt. Wir möchten uns gerne selbst verstehen, indem wir die biologischen Grundlagen von Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis, Denken, Bewusstsein und die Grenzen des freien Willens erforschen. Noch vor wenigen Jahren war es unvorstellbar, dass Biologen in der Lage sein könnten, geistige Prozesse zu erforschen und dies sogar auf molekularer Ebene.

Diese Situation hat sich dank der enormen Fortschritte, die in der Biologie in den letzten fünfzig Jahren gemacht wurden, gründlich geändert. Die Entschlüsselung der Struktur der DNA durch James Watson und Francis Crick im Jahr 1953 führte zu einer Revolution in der Biologie und lieferte ihr ein systematisches Paradigma anhand dessen sich erklären ließ, wie die Erbinformation, die in unseren Genen codiert ist, die Funktionen der Zelle steuern. Wir erlangten grundlegende Kenntnisse darüber, wie diese Information abgelesen wird und für die Produktion von Proteinen verantwortlich ist.

Proteine wiederum sind jene Bausteine in der Zelle, die die Arbeit in unseren Zellen verrichten. Des Weiteren konnte herausgefunden werden, wie ein lebender Organismus während seiner Entwicklung Gene an- und abschaltet und auf diese Weise seinen Körperplan festlegt. Dank dieser außerordentlichen Errungenschaften erlangte die Biologie eine zentrale Stellung in den Naturwissenschaften, vergleichbar mit jener der Physik und der Chemie. Mit Selbstvertrauen stellten sich die Biologen daraufhin eine unglaubliche Frage: Was liegt dem menschlichen Geist zugrunde?