Erinnerungen an uns - studentischer Liebesroman

von: Stefanie Mühlsteph

Amrûn Verlag, 2018

ISBN: 9783958693326 , 266 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 3,99 EUR

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Erinnerungen an uns - studentischer Liebesroman


 

This is the Story of a man who will forever be my love,

If I imagine him – I fly up – to the stars above.

(Bine* - Loverboy)

I’m hooked on a feeling dröhnte aus dem Zimmer meiner Mitbewohnerin, während ich die letzten Kisten auspackte und zusammenfaltete, meine wenigen Bücher in zu kleine Regale stapelte und Klamotten wahllos in den schlanken, viel zu hohen Einbauschrank warf.

Stilistisch erinnerte die Einrichtung an eine Militärkaserne und die Dicke der Mauern an asiatische Papierwände. Ich hoffte inständig, dass Mia nicht jede Nacht derart geräuschvoll mit ihrem Freund über Skype Sex hatte.

Ein unheilverkündender Geruch stieg mir in die Nase. Mia braute etwas zusammen – denn kochen konnte man ihre kulinarischen Künste nicht nennen.

Meine Mitbewohnerin, Mia, selbst hatte schon während meines Vorstellungsgesprächs zugegeben, dass sie den Begriff kochen weit auslegte; deswegen müsse man sich an bestimmte Düfte gewöhnen. Aber ‚Nudeln machen‘ konnte sie, auch wenn sie sehr kompakt aneinander klebten – was natürlich Absicht war. Als Student müsse man schließlich mit seiner Zeit gut wirtschaften und könne nicht den ganzen Garungsprozess über am Herd stehen – so Mias logische Begründungen für verkrustete Töpfe und angebrannte Pfannen.

Student. Dieser Ausdruck löste immer noch ein wohliges Gefühl in mir aus. Für mich war es nicht einfach ein Wort oder eine Bezeichnung. Es bedeutete Freiheit. Die Chance auf einen Neuanfang.

Ich sank auf das Bett und blickte aus dem Fenster. Es war Ende September, der Herbst hatte die Blätter der Bäume mit gelbroten Lippen geküsst und die Sonne brach am Himmel durch ein Meer aus weiß schäumenden Wolken hindurch.

In mir war es still geworden. Keine schmerzlichen Gefühle drängten sich mehr in meinen Kopf, keine ängstlichen Gedanken in mein Herz. Ich war nicht mehr das Mädchen, das Mutlosigkeit im Herzen trug, sondern endlich ganz und heil.

»Sophie, ich bin feddisch!«, brüllte Mia mit ihrem liebreizenden hessischen Akzent, von dem ich weniger verstand als ich sollte.

»Bin unterwegs.«

Ich klappte mein Laptop zu und durchquerte den Raum mit weniger als zwei Schritten. Kurz blickte ich über meine Schulter ins Zimmer zurück. Mein Zimmer. Unabhängigkeit fing immer klein an; und bei mir mit diesen winzigen zehn Quadratmetern.

Ich hopste die Stufen zum Gemeinschaftsraum hoch und blickte auf einen Tisch, bestückt mit Parmesan, Pesto und dampfenden Nudeln.

Mia saß schon mit Teller und Gabel bewaffnet auf einem Stuhl und schaufelte sich einen Batzen Nudelmasse drauf.

»Du musst sie bloß gut mit dem Pesto mischen, dann trennen sie sich von alleine.« Sie grinste mich an und deutete mit einem Nicken auf den Herd. »Und danach gibt es Pudding mit extra vielen Schokoklumpen, damit man auch etwas zum Kauen hat.«

»Danke«, sagte ich und schenkte ihr ein Lächeln. Egal wie schlecht sie kochen konnte, Mia hatte das Herz am rechten Fleck.

Zusammen tauchten wir in eine andächtige Futterstille.

Die kräftigen Stimmen von Marvin Gaye und Tammi Terrell schallten mit ‘Cause baby, there ain‘t no mountain high enough durch die Wohnung.

Seit ich hier wohnte – also drei Tage – füllte Mia die Stille der WG mit Liedern aus den Siebzigern. Wenn sie keine Dreads und Haufen an Highheels gehabt hätte, hätte ich darauf wetten können, dass sie Schlaghosen und Kleider mit grellen Farben und psychedelischen Mustern im Schrank versteckte ... was sie vielleicht auch tat. Denn Dreads und Highheels passten auch nicht unbedingt zusammen.

Ich schnappte mir einen Teller aus dem Regal, fischte eine frisch gespülte Gabel aus der Spülmaschine und setzte mich zu Mia. Es war das erste Mal seit meinem Abitur, dass ich mich nicht fremd oder unwillkommen fühlte. Mia hatte schließlich mich unter allen Bewerbern ausgewählt; und ich war mir sicher, dass wir Freunde werden konnten. Mia würde es nicht bereuen, sich für mich entschieden zu haben – das schwor ich mir.

Im Grunde gäbe es in der WG noch Platz für zwei weitere Mitbewohner. Diese Zimmer waren allerdings Erasmus-Studenten vorbehalten und standen – zumindest dieses Semester – leer. Damit genossen Mia und ich den Luxus, dass jede von uns alleine ein eigenes winziges Bad nutzen konnte und wir uns auch alleine auf dem Halbstockwerk befanden – was nicht mit Ruhe gleichzusetzen war.

»Wo bringst du dein anderes Gelärsch eigentlich unter?«

Ich brauchte einen Moment, bis ich wusste, was sie meinte. Dann blickte ich zum Couchtisch. Das Terrarium nahm die komplette Fläche ein. »In meinem Zimmer.«

Mia starrte mich aus ihren großen, grünen Augen an. »Das Ding ist mindestens einen Meter lang. Wo willst du das hinstellen?«

»Es ist sogar genau einen Meter lang«, gab ich stolz zur Antwort. »Schildkröten brauchen viel Platz. Und am Fußende des Bettes sollte sich Frau Schmidt wohlfühlen.«

»So verbaust du die Schrankschubladen.«

Ich machte eine wegwerfende Geste. »Ich besitze nicht einmal so viele Klamotten, um den Schrank voll zu bekommen.«

»So Probleme hätte ich gerne.« Mias Worte gingen in einem Seufzer unter. »Und deine Frau Schmidt«, sie zwinkerte mir zu, »ist nach ihrer Größe wohl eher noch ein Fräulein oder Schmidti.«

Wie auf Kommando drang ein hohes Fauchen aus dem Terrarium.

»Das sieht Frau Schmidt wohl anders.«

Bei meinem Einzug wurde mir schon gesagt, dass der Karlshof sehr speziell sei. Legendäre Partys wurden hier geschmissen, die Fassaden mit Kletterseilen bezwungen, Swimmingpools zwischen den Wohngemeinschaften gebaut und sogar die Polizei soll des Öfteren mitfeiern. So ganz konnte ich das allerdings nicht glauben.

Dass der Karlshof und seine Bewohner etwas bizarr waren, konnte ich jedoch guten Gewissens bestätigen. Noch vor meiner ersten Nacht dort klopften mir völlig fremde Menschen an die Wohnungstür zur WG – splitterfasernackt.

Auch das Aussehen des Karlshofs war einzigartig und kaum vergleichbar mit anderen Wohnheimen in Darmstadt. Die Wohngemeinschaften erreichte man über Laubengänge, fassadenbreite Balkons, die wie das Skelett des Gebäudes aussahen - als habe man es von innen nach außen gekehrt. Die WGs besaßen stattliche Fenster, die einen tiefen Einblick in die Wohnungen boten. Anonymität suchte man hier vergebens. Mia erzählte mir von dem lockeren Austausch mit den Nachbarn, die unangekündigt immer mal vorbeikamen. Mit über 950 Zimmern und Menschen war man im Karlshof nie wirklich alleine.

Die Wohngemeinschaften teilten sich über eineinhalb Geschosse auf. Wenn man eine Wohnung durch die gläserne Tür betrat, stand man gleich im Aufenthaltsraum, der Küche und Wohnzimmer gleichermaßen war. Von dort aus führten Treppen jeweils eine halbe Etage hinauf oder herunter zu immer zwei Zimmern und einem Bad.

Unten wohnte ich und oben, direkt über meinem Zimmer, Mia.

Durch die Bezeichnungen der Wohnblöcke hatte ich immer noch nicht durchgeblickt. Es gab insgesamt fünf Häuser, diese wurden die in Haus Sechs, Acht und Zehn unterteilt, welche wiederum Buchstaben besaßen.

Einprägsamer wären Slytherin, Ravenclaw, Hufflepuff oder Gryffindor, wobei die grundlegende Verteilung nicht vom sprechenden Hut unternommen wurde, sondern von der Wohnheimverwaltung – was allerdings nicht weniger magisch und diffus war.

Der Karlshof war gleichermaßen befremdend und berauschend. Eine eigene, kleine Welt voller Studenten und schräger Vögel.

Nach dem Essen verließ ich Mia, Frau Schmidt und mein neues Zuhause und machte mich auf dem Weg zu Yema, meiner ersten und einzigen Freundin, die ich während der Oberstufe hatte.

Yemas Wohngemeinschaft befand sich im Gebäude 8A und lag meiner WG fast gegenüber – auf der anderen Seite des Hofs.

Mein Blick ging Richtung Frankfurt. Vom Balkon aus konnte ich bei gutem Wetter bis nach Mainhatten sehen und die unzähligen Hochhäuser betrachten, die sich vor dem Horizont erhoben.

Das Abendlicht tauchte die Metropole in einen rotgoldenen Glanz und verschmolz die Spitzen der Hochhäuser zu Zinnen und Türmen eines gigantischen Märchenschlosses.

Der Knall einer zugeschmissenen Tür riss mich aus meiner Trance. Erschrocken fuhr ich herum.

Mit großen Schritten eilte der Unruhestifter davon, die Hände lässig in die knielange Cargohose versenkt. Das dunkelbraune Haar stand wild nach allen Seiten ab.

Der lockere Spruch blieb mir im Halse stecken, mein Mund wurde trocken.

Das konnte nicht sein!

Nur er bewegte sich so.

Nur er trug sein Haar so unordentlich.

Der Unruhestifter bog zum Treppenhaus ab und verschwand aus meinem Blickfeld. Sein Gesicht war mir verborgen geblieben.

»Kostja«, entkam es meinen Lippen, ohne auch nur an seinen Namen gedacht zu haben.

Mein Körper bewegte sich, setzte einen Fuß vor den anderen. Schneller. Immer schneller. Bis ich rannte.

Die WGs flogen an mir vorbei.

Ich bog zum Fahrstuhl ab und konnte gerade noch sehen, wie sich die Türen schlossen.

Ich drückte heftig auf die Knöpfe des Aufzugs und schlug mit der flachen Hand auf die blinkenden Lichter, als sich endlich mein Hirn zu Wort meldete.

Was tat ich hier überhaupt?

Meine Hand stoppte in der Luft.

Das konnte nicht Kostja sein. Kostja war spurlos verschwunden, ohne einen Hinweis wohin. Ich hatte ihn angerufen, SMS und E-Mails geschickt. Nie erhielt ich eine Antwort. Es war ganz und gar absurd, dass er dieser Kerl war.

Ich ließ die Hand sinken.

Wenn er es wirklich war, was sollte ich sagen? Drei Jahre waren seit unserer letzten Begegnung...