Das Science Fiction Jahr 2010

von: Sascha Mamczak, Wolfgang Jeschke

Heyne, 2011

ISBN: 9783641061777 , 1152 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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Das Science Fiction Jahr 2010


 

Vom Wasteland zum Fallout (S. 555-556)

»Im Westen siehst du natürliches Licht. Das erste Mal in deinem Leben siehst du die Welt draußen.« Diese Worte stehen in leuchtendem Grün in der linken unteren Ecke des Bildschirms. Dort, wo dem Spieler Hinweise gegeben werden, dort, wo Dialoge wiedergegeben werden, wo angezeigt wird, wie Kämpfe funktionieren.

Diese speziellen Worte sind wichtig, denn sie lassen den Spieler gemeinsam mit seiner Figur in die Sonne blinzeln. Zum ersten Mal in seinem Leben betritt er die Einöde der nuklear verseuchten Erde, mehr als achtzig Jahre sind seit der Katastrophe vergangen. Seit China und die USA sich gegenseitig mit Atomwaffen bombardiert und große Teile des Lebens ausgelöscht haben. Die Überlebenden haben sich entweder in Bunkern verschanzt oder haben neue Städte inmitten von Schrottbergen und Zerstörung gegründet. Zwischen ihnen liegt die Einöde der südkalifornischen Wüste, nicht heimeliger geworden nach dem Atomschlag.

Der Protagonist, eine Figur, die vom Spieler anhand von Erfahrungspunkten selbst mit verschiedenen Eigenschaften ausgestattet werden kann, lebte im Bunker. Bis jetzt. »A Post Nuclear Role Playing Game« lautet der Untertitel des Spiels, und das bedeutet vor allem eins: Fallout ist anders als andere Rollenspiele. Es hat nichts mit Elfen, Trollen oder Zauberern zu tun, auch die Welt ist nicht von Tolkien inspiriert. Die Welt von Fallout ist eine, die an unsere angelehnt ist, die darstellen will, wie unsere Welt nach einem Atomkrieg aussehen könnte, gemischt mit Mad Max-Anleihen und dem Flair der Atomkriegs-Überlebensleitfäden der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts.

Fallout ist Satire und Entwurf einer neuen Welt zugleich und damit eines der seltenen Computerspiele, die etwas über die Welt aussagen, und die Frage danach stellt, in was für einer Welt man eigentlich leben möchte. Auch wenn das nur angedeutet wird und holzschnittartig bleibt. Doch gerade das macht ja manchmal den Reiz aus. Philip K. Dick liest man ja auch nicht wegen des literarischen Tiefgangs, sondern wegen seiner Ideen.

Fallout ist nicht vom Himmel gefallen wie die Atombomben, die seine Story möglich gemacht haben. Es gibt einen Vorgänger, der schon zuvor ein Endzeitszenario heraufbeschwor, ähnlich dem in Fallout. Der Pionier heißt Wasteland, ist 1988 erschienen und wurde von Brian Fargo erdacht, Kopf einer jungen kalifornischen Firma namens Interplay. Fargo war großer Fan von Rollenspielen, die meisten hatten aber seiner Meinung nach ein Problem: Sie waren sich zu ähnlich.

In irgendeiner Form adaptierten sie die immer gleichen Fantasy-Zutaten und Regeln. Er wollte etwas anderes erschaffen und erdachte gemeinsam mit einer Gruppe von Pen&Paper-Rollenspiel-Autoren einen Konflikt zwischen der Sowjetunion und der USA, der in einem Atomkrieg endete und nach dessen Ende der Südwesten der USA nur noch ein Ödland war. In dieser Landschaft musste eine Gruppe von Desert Rangers, Wüstenkriegern, am Leben gehalten werden. Sie wurden vom Spieler gesteuert und brachten etwas völlig Neues in die Computerspiele ein: Die Welt, in der sich der Spieler bewegte, reagierte auf seine Taten.