Ultimatum - Thriller

von: Christian Ditfurth

C. Bertelsmann, 2019

ISBN: 9783641226329 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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Ultimatum - Thriller


 

80.


»Rechts oder links?«, fragte der Mann mit dem Backenbart. Er trug einen weißen Kittel.

»Sie werden das nicht überleben«, sagte die Frau des Präsidenten. »Entweder bringen die Sie um oder die Polizei. Auf der Flucht.«

»Festhalten«, sagte der Weißkittel.

Mathilde und Jean zogen sie zur Liege. Drückten sie darauf.

»Ihr Schweine!«

»Aber, Madame, doch nicht so unfein.« Und setzte die Spritze.

81.


»Sie sind Morphinist«, sagte Salinger. »Haben Sie schon Entzugserscheinungen?«

Dreher riss die Augen auf. Sackte in sich zusammen.

»Sie stehen am Anfang. Aber es zieht schon gewaltig.«

Er blickte sie an.

»Was machen Sie, wenn Sie im Knast nichts kriegen?« Sie blickte ihm in die Augen. »Wenn es Ihnen jetzt schon schwerfällt. Haben die Ihnen Morphium verschafft? Damit Sie nicht mehr klauen müssen wie in Bamberg?«

Sein Blick senkte sich auf die Tischplatte.

Schweigen.

De Bodt lehnte an der Tür.

»Wir könnten Sie bis zur Verhandlung auf freien Fuß setzen. Und Ihnen Ihre Vorräte lassen. Bei der Durchsuchung in der Wohnung haben die Kollegen ja nichts gefunden. Wird es also woanders sein.«

Ein Blick zu Salinger. Ein Bettelblick.

»Aber dafür müssen Sie uns helfen.«

»Dann bin ich tot.«

»Wenn Sie aussagen, kommen Sie ins Zeugenschutzprogramm. Wir werden den Staatsanwalt überzeugen, dass Sie ein kleiner Fisch sind. Unglückliche Umstände und so weiter. Bewährungsstrafe. Aber Sie müssen auspacken.«

»Das glaube ich Ihnen nicht.«

»Das können Sie halten, wie Sie wollen. Denken Sie bis morgen darüber nach«, sagte de Bodt. »Sagen wir, zwölf Uhr?«

Im zweiten Vernehmungsraum saß der andere. Brett beglotzte Salinger aus kleinen Augen in einem eierförmigen Gesicht. Die Glatze glänzte im Neonlicht.

»Sie wollen also nicht aussagen?« Salinger blickte ihn an. Lächelte. Als nähme sie das nicht ernst.

»Wenn Sie mir Ihre Titten zeigen, lass ich mit mir reden.«

»Interessantes Angebot«, sagte Salinger freundlich lächelnd. »Leider darf ich das nicht. Ist gegen die Vorschriften. Und mein Chef, ich sag Ihnen …«

Der stand in Bretts Rücken. Brett blickte sich nervös um.

»Wir hängen Ihnen schwere Körperverletzung, Entführung an. Vielleicht finden wir noch einen Mord? Das sind wenigstens zehn Jahre, vielleicht lebenslänglich. Sicherungsverwahrung, wenn Sie Pech haben. Sie wissen, das Pech lässt sich beeinflussen.«

»Leck mich!«

»Sie hatten keine gute Kinderstube. Wen können wir benachrichtigen? Besuch ist doch was Schönes. Haben Sie eine Katze oder einen Dackel, den wir versorgen können?«

Brett blickte sie entgeistert an.

»Wo werden Sie im Sommer sein?«, fragte de Bodt.

Brett fuhr herum. »Sie können mich mal.«

»Also, ich werde in den Urlaub fahren. Meine Kollegin auch.«

»Ich hab jetzt schon all inclusive«, sagte Brett.

82.


»Herr Dr. Knorr, vergessen Sie die Konferenz heute Nachmittag nicht«, sagte sie. Blickte ihn besorgt an. Schon seit Tagen fand sie ihn fahrig, depressiv, matt. Übernächtigte Augen. Sie hatte gefragt, ob er Sorgen habe. Ob sie helfen könne.

»Es ist alles gut. Schlafstörungen, hat man eben manchmal. Präsenile Bettflucht.« Er versuchte zu lächeln.

Er erhob sich hinter dem Schreibtisch. Seine Sekretärin verschwand im Vorzimmer, schloss die Tür.

Sein Handy vibrierte. Er nahm es in die Hand.

Wir werden auf einer Insel festgehalten. Ruf die Polizei. Zeige denen die SMS, die können das Telefon lokalisieren. Wenn du auf die SMS antwortest, sind wir tot.

Es folgte eine neunstellige Nummer, die mit +881 begann.

Sie lebten. Er hatte den Glauben fast schon verloren gehabt. Sie lebten.

Er las den Text wieder und wieder, notierte die Nummer und löschte die Nachricht. Damit sie die nicht fand. Karin, die sich als Putzhilfe selbst eingestellt hatte. Eines Abends vor seiner Tür stand. »Ich koste Sie nichts. Wenn Sie wollen, können Sie über mich Grüße an Elke schicken.«

Sie kam jeden zweiten Tag und half tatsächlich im Haushalt. Blockte alle Fragen ab. Verlangte sein Handy, setzte sich damit und einem Becher Instantkaffee an den Küchentisch und suchte nach Telefonaten, Mails, Kurznachrichten. Es ging schnell. Sie lobte ihn, dass er auf so was wie Facebook und WhatsApp verzichtet hatte. »Die saugen unsere Daten auf und verkaufen sie an wer weiß wen.«

Am späten Abend hörte er den Staubsauger schon vor der Tür. Er öffnete und trat in den Flur. Stellte seine Aktentasche ab, zog den Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe.

»Wie war’s im Atomkraftwerk?«, fragte sie.

Er nickte. Es war wie immer gewesen. Er hatte an den Rechnern im inneren Ring gearbeitet. Es waren drei redundante Systeme. Gab es einen Fehler im System, überstimmten zwei Rechner den einen mit dem Fehler. Der innere Ring war getrennt vom äußeren Ring. Der hatte Verbindung zum Internet. Der innere Ring nicht. Man konnte den inneren auch nicht mit dem äußeren Ring verbinden. So konnten alle Hacker der Welt von einem Eindringen in einem AKW träumen, den inneren Ring erreichten sie nicht.

Es sei denn, sie fanden jemanden, der im inneren Ring die Rechner verwaltete.

Knorr arbeitete seit mehr als zwanzig Jahren im AKW. Er mochte seine Arbeit. Knorr verdiente gut, die Arbeit forderte ihn. Er konnte Fortbildungslehrgänge besuchen. Was Besseres würde er draußen nicht finden.

»Du bist ein Bigamist«, hatte Kevin gespottet, »bist auch mit deinem Atomkraftwerk verheiratet. Das hat zwar mehr Wumms als Mama, aber weniger Sexappeal.« Sie gerieten sich immer wieder in die Haare. Kevin hielt Atomkraftwerke für Bomben, die zufällig noch keiner gezündet hatte.

Kevin hatte recht gehabt, dachte Knorr. Und er saß jetzt am Zünder.

Er hatte das Werk verlassen und war in seinem Opel Insignia zur Polizei gefahren. Hatte den Wagen auf den Parkplatz gestellt.

83.


»Gut geschlafen?«, fragte Salinger.

Auf dem Tisch wartete ein Frühstück mit allen Schikanen. Dreher stutzte. Hob die Brauen. Setzte sich.

»Tee oder Kaffee?«

»Kaffee.«

Sie goss ihm ein, sich auch. »Milch und Zucker.« Deutete darauf. »Sie nehmen sich.«

»Ach, deswegen hat der Schließer mir geraten, aufs Frühstück zu verzichten. Haben Sie ja geschickt eingefädelt.« Wandte sich um zu de Bodt.

Der zählte gerade die Winzlöcher im Beton. Oder dachte an Hegel. Oder überlegte, warum ihn der Anruf seiner Ex kurz nach dem Aufstehen aufregte. Da gab es keine Fragen. Nur Antworten, uralte Antworten. Bei solchen Gelegenheiten fiel ihm ein, dass er ein miserabler Vater war, vorsichtig formuliert. Sonst gelang es ihm, sich einzureden, dass es gut für seine beiden Töchter war. Dass ihnen die Streitereien der Eltern erspart blieben. Dass Opa den Ersatzvater spielte. Weil er scharf auf die Mutter war. Die ihn bewunderte, den Hamburger Ehrenbürger. Dessen Frau die Polyarthritis zerstörte. Heinrich de Bodt hatte eine Pflegerin eingestellt, die sogar in der Stadtvilla schlief. Sich auch gern um die Kinder kümmerte. Das rieb ihm Elvira unter die Nase. »Ich dachte, du interessierst dich für deine Kinder.«

Dreher nahm sich ein Käsebrötchen.

De Bodt aß nichts. Hatte einen Becher mit Wasser in der Hand. Trank ihn aus, stellte den Becher auf den Tisch.

»Ich hab’s mir überlegt«, sagte Dreher.

Salinger entschied sich für ein Laugenbrötchen mit Salami. Sie hatte alles von einem Bäcker nahe dem LKA mitgebracht. Yussuf hatte Kaffee gekocht. Und nach einigem Zureden auch Tee. »Das grüne Zeug soll sich der Chef selber mixen. Der meckert doch nur rum, wenn ich das mache.«

»Auf Kaution raus, dann Bewährung, Zeugenschutzprogramm und meine … Medizin …« Er schluckte. »Krieg ich das schriftlich?«

»Steht im Protokoll, das Sie nachher unterzeichnen werden. Bis auf das Medikament, da müssen Sie mir glauben. Wenn Sie Kontakt mit Ihren Komplizen aufnehmen, gilt der Deal nicht mehr.«

Dreher nickte. »Das Band läuft aber gar nicht.«

Salinger tippte auf ihr Telefon, auf dem es sich Brötchenkrümel gemütlich gemacht hatten.

Dreher nickte wieder.

»Nehmen Sie.« Deutete auf das Tablett.

Ein Tatarbrötchen. Apfelsinensaft.

Yussuf erschien. Zwei Cappuccino aus seiner Dampfmaschine. Stellte sie vor Dreher und Salinger. Verschwand.

De Bodt verließ den Raum. Eilte zu Tilly. »Der Chef hat Besuch«, sagte die Sekretärin. Ihr Ton sagte, dass sie sich im Notfall vor die Tür des Chefbüros werfen würde.

»Schmeißen Sie ihn raus.«

»Das ist eine Mitarbeiterin des Innensenators …«

»Rausschmeißen. Oder ich mach es selbst.«

Sie schüttelte den Kopf, klopfte aber doch vorsichtig an Tillys Tür. Öffnete und drückte sich durch den Spalt. Keine Minute später öffnete sich die Tür wieder. Eine Frau blickte ihn durch eckige Brillengläser an. »Sie sind der Herr de Bodt, ja? Na, Sie haben’s aber eilig.«

»Was ist denn das für ein Aufstand?« Statt einer Begrüßung. Tilly, die Hände auf die Hüften gestemmt. Wie sein Namensvater in der Schlacht bei Breitenfeld nach dem Magdeburger Massaker 1631. So sauer hatte de Bodt den Kriminalrat noch nie erlebt.

»Sie müssen den Staatsanwalt überzeugen, dass Dreher auf Kaution rauskommt. Alles andere klären wir später.«

»Wie bitte?« Nur sein Kopf bewegte sich. Ein Schütteln, de Bodt sah den Schädel schon...