Change Agents im strukturellen Dilemma - Eine qualitativ-rekonstruktive Studie zu Orientierungen schulischer Steuergruppen

von: Nikolaus Schröck

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN: 9783531918853 , 191 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,96 EUR

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Change Agents im strukturellen Dilemma - Eine qualitativ-rekonstruktive Studie zu Orientierungen schulischer Steuergruppen


 

1 Einführung (S. 11)

Die gesellschaftlichen Anforderungen an Schulen sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Schulen sind durch die Bildungspolitik aufgefordert, diesen Anforderungen gerecht zu werden und sich entsprechend zu entwickeln. Im Kontext dieser Entwicklungsaufgabe werden schulische Steuergruppen eingerichtet.

Sie sollen die Schulentwicklung in Einzelschulen initiieren, organisieren und begleiten. In der hier vorliegenden Untersuchung steht die Arbeit dieser Steuergruppen im Mittelpunkt. Es geht darum, die Handlungspraxis von Steuergruppen wissenschaftlich zu erhellen. Zu diesem Zweck werden die Orientierungen in den Blick genommen, die die Handlungspraxis der in Steuergruppen agierenden Personen strukturieren.

Die Studie ist im Bereich der qualitativ-rekonstruktiven Forschung zu Schulentwicklungsprozessen angesiedelt. In diesem Kapitel werde ich zunächst die den steigenden Entwicklungsanforderungen an Schulen zugrunde liegenden Probleme anreißen, um anschließend – auf diese Entwicklungsanforderungen bezogen – zu charakterisieren, was im Rahmen der vorliegenden Arbeit unter „Schulentwicklung“ verstanden wird.

Danach werden sowohl der Praxisdiskurs als auch zentrale Forschungsarbeiten zu Steuergruppen dargestellt und theoretische Modelle zur Verortung der Steuergruppen nachgezeichnet. Vor diesem Hintergrund wird abschließend die Forschungsfrage präzisiert und der Aufbau der Arbeit dargestellt. 1.1 Problemhorizont der Untersuchung Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Steuergruppen steht, dies wird der Forschungsüberblick in Kapitel 1.3 zeigen, noch am Anfang.

Somit wird mit dieser Arbeit auf neue Herausforderungen im Praxisfeld der Schule reagiert, die bisher wissenschaftlich noch wenig im Fokus stehen (vgl. u. a. Altrichter/Rolff 2000, S. 213). Handlungsbedarf für Schulentwicklung entsteht nach Rahm vor allem dann, wenn eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen einer Gesellschaft oder ihren Teilbereichen und der Schulkultur besteht, wenn sich also die Gesellschaft gewandelt hat, die Schulen aber in ihren Traditionen verhaftet bleiben (Rahm 2005 193, S. 24).

Herausforderungen für die schulische Wirklichkeit entstehen u. a. durch den beschleunigten sozialen Wandel (vgl. u. a. Hentig 2003, Holtappels/Leffelsend 2003, Scheunpflug 2003). Veränderte Sozialisationsbedingungen durch die Pluralisierung von Lebensformen, die zunehmende Individualisierung oder der Verlust von Erfahrungsräumen (Beck/Beck-Gernsheim 1994) und die Mediatisierung von Erfahrungen führen zu neuen Ansprüchen an die Schule.

Beispielsweise verändern sich inhaltliche Anforderungen durch die Globalisierung (Beck/Beck-Gernsheim 1994, Asbrand 2006). Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund tragen bisher nicht gekannte Erfahrungen und Erwartungen in die Schule (Stanat 2006).

Der Wertepluralismus führt zu neuen Anforderungen an schulisches erzieherisches Handeln. Per Dalin konstatiert vor diesem Hintergrund in Bezug auf die Schule „durchgreifende Veränderungen der Wahrnehmung, Reflexion und Erklärung der Wirklichkeit, ferner eine Veränderung von Haltungen, Machtverhältnissen und Strukturen“ (Dalin 1997 223, S. 56 ff., Hervorhebungen i. O.).

Angesichts dieser Herausforderungen würde sich die Frage nach der „Zukunft von Erziehung und Bildung“ (Dalin 1997, S. 58) neu stellen. Für Dalin lautet die zentrale Frage: „Was muss eine Schule heute leisten, damit ihre Schüler als Erwachsene die Aufgaben meistern können, vor die das nächste Jahrhundert sie stellen wird?“ (Dalin 1997 223, U 4). In den letzten Jahren wurde zudem deutlich, dass Schulen in Deutschland ihren Schülern kaum mehr hinreichende Qualifikationen vermitteln, um in einer globalisierten Gesellschaft anschlussfähig zu bleiben (vgl. PISA-Konsortium 2001, Baumert/Artelt/Klieme et al. 2003, Klieme 2004).

Drastisch formuliert diesen Befund die Kommission zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards: „Unabweisbar haben die empirischen Vergleichstudien [TIMSS und PISA, d. Verf.], die nach fast 20 Jahren erstmals die Realität der Schulen analysiert und im internationalen Kontext verglichen haben, gravierende Mängel offen gelegt“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2003, S. 11).