Das Puzzle der Liebe

von: Egon F. Freiheit

Egon F Freiheit, 2018

ISBN: 9783961340552 , 348 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 4,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Das Puzzle der Liebe


 

7. Fasziniert vom Herzensbrecher


Stefanie erinnerte sich genau an den Augenblick, in dem sie den Italiener kennengelernt hatte und wie es dazu gekommen war: »Wir haben einen neuen Gesellschafter«, hatte ihr Vater geschwärmt. »Es ist Silvio Bertone, der einen kleinen Fünf-Prozent-Anteil an unserer Bank übernommen hat. Er ist ein wunderbarer Mensch und ein hervorragender Geldexperte. Außerdem ein beeindruckender Mann. Er wird dir gefallen.«

Stefanie hatte eigentlich keine Lust verspürt, ihren Vater zu begleiten, um mit »irgendeinem italienischen Banker Small-Talk zu betreiben. »Noch einer dieser langweiligen Finanzexperten – muss das sein?«

»Sonst hätte ich dich nicht darum gebeten.«

»Stundenlange Diskussionen über die weltweite Finanzkrise, über Griechen und den Euro, über Rating-Agenturen und die Konjunktur in China – ich kann es nicht mehr hören …«

»Bitte! Immerhin ist er Mitgesellschafter.«

»… doch nur mit fünf Prozent.«

»Egal. Sein Geld hat unsere Bank vor großen Problemen bewahrt, vielleicht sogar vor dem Kollaps. Und gemeinsam mit seiner Credito haben wir eine gute Chance für die Zukunft.«

Stefanie schloss theatralisch die Augen: »Ich komm ja schon mit.«

***

»Und das ist unser neuer Gesellschafter, unser Freund Silvio Bertone!« Stolz hatte der alte Waldenberg den Mailänder seiner Tochter vorgestellt: einen schlanken, südländischen Mann von 45 Jahren mit langem, leicht gewelltem schwarzem Haar.

Stefanie erinnerte sich an jede Sekunde, wobei sie später nicht mehr sagen konnte, was sie mehr eingenommen und in seinen Bann gezogen hatte: Seine dunklen Augen, die sie nicht mehr losließen? Oder war es sein verschmitztes Lächeln?

Sie hatte an diesem Abend vor Aufregung kein Wort herausgebracht und fasziniert dem Gespräch zwischen dem Mailänder und ihrem Vater gelauscht. Erfreut hatte der Senior das überraschende Interesse seiner Tochter an der Finanzwelt und dem neuen Mitgesellschafter registriert.

 

Stefanie hatte jedoch Schwierigkeiten, das erste Kennenlernen zu verarbeiten. Von Selbstzweifeln geplagt stellte sie sich die Fragen: Was soll ein solch beeindruckender Mann wie Bertone schon an mir finden? Wahrscheinlich ist er zu Haus in der Modestadt Mailand von Models und Schönheitsköniginnen umgeben. Da kann ich bestimmt nicht mithalten. Ich sollte mir lieber nichts darauf einbilden, dass er mich angelächelt hat. Ich sollte mich lieber auf die wichtigen Themen rund um die Bank konzentrieren.

Mehr beiläufig und ohne ihre wahren Interessen zu offenbaren, hatte sie später ihren Vater gefragt: »Wann ist dieser Bertone wieder in der Bank? Triffst du dich mit ihm? Das ist ja alles viel interessanter, als ich dachte …«

Ihr Vater kannte seine Tochter viel zu gut, um nicht zu erkennen, dass da mehr war als nur ein plötzliches Interesse an Euro und Konjunktur: »Sei vorsichtig, Italiener sind Herzensbrecher. Und außerdem ist er verheiratet.«

Stefanie war entsetzt und enttäuscht. Der Hinweis ihres Vaters traf sie wie ein Stich.

 

Als ihr Vater zu einer Präsentation für das Luxusprojekt eingeladen worden war, zeigte sie plötzliches Interesse für das Bauvorhaben – und begleitete ihn und Rottmayer in eine Fünf-Sterne-Villa in Kitzbühel. Stefanie redete sich ein: Ich will mich über das Projekt informieren. Bertone steht für mich nicht mehr zur Diskussion.

 

Ein ausgewählter Kreis von 20 Investmentbankern aus München war eingeladen, in einem exklusiven Rahmen mehr über das geplante Luxusresort zu erfahren. Und natürlich Anteile für sich und wohlhabende Kunden zu erwerben. Und, das Wichtigste: kräftige Gewinne damit einzufahren.

Das Ambiente in Kitzbühel war so edel wie das Dinner, zu dem eigens ein Zwei-Sterne-Koch aus der Schweiz engagiert worden war: Seidentapeten an den Wänden, vergoldetes Besteck auf den cremefarbenen Tischdecken, kristallene Kronleuchter. Selbst die luxusverwöhnten Bankiers waren tief beeindruckt.

Stefanie saß zwischen ihrem Vater und Bertone. Aber mehr als das feudale Luxus-Ambiente und die Speisen aus der Gourmet-Küche bewunderte sie den Gastgeber: Wie weltmännisch er auftrat, welch männliche Ausstrahlung von ihm ausging!

Hingerissen schaute sie zu dem Mailänder empor, der selbstsicher seine Gäste begrüßte und ihnen versprach: »Auf Sie wartet im neuen EU-Staat Kroatien viel, viel Geld – un’ occasione fantastica, eine phantastische Chance.«

Kellner in schwarzen Anzügen servierten Hummer und Kaviar und reichten dazu erlesene Weine.

Der Gastgeber berichtete seiner erlauchten Gästeschar Einzelheiten des Projekts: »Das Kloster muss saniert werden, der Putz fehlt auf den Außenwänden und das Dach droht zu verfallen. Da die Franziskaner kein Geld haben, übernehme ich die Sanierung. Im Gegenzug darf ich das exklusive Erholungsresort mit Hilfe der EU anbauen.«

Im Saal war kein Laut zu vernehmen. Die Kellner hatten ihren Service für den Augenblick seiner Rede unterbrochen. Die Gäste lauschten andächtig und beeindruckt.

»Touristen mit viel Geld können dann im Resort wohnen und im Kloster mit den Franziskanern über Gott und die Welt nachdenken. Oder mit den Mönchen beten. Das ist gut für die Seele; es hilft, zu sich selbst und zur inneren Balance zu finden. Es trägt dazu bei, eine echte spirituelle Erneuerung zu erreichen und dabei wirklich zu entspannen.«

Bertone war in seinem Element; er fuhr zufrieden fort: »Und uns hilft es, gestresste Manager zu finden, die dafür außerordentliche Preise zahlen.«

Er beugte sich zu Stefanie und ließ ihren Puls schneller schlagen: »Noch nie habe ich eine so schöne Signora in Bankkreisen gesehen. Danke, dass Signora mitgekommen ist.«

»Ich wollte Ihr Projekt an der Adria genauer kennenlernen«, antwortete sie kühl. Aber innerlich war für sie klar: Das Projekt interessiert mich in Wirklichkeit nicht halb so stark wie sein Initiator.

Das Menü hatte fünf Gänge, der Gastgeber eine Überraschung: Bevor das Dessert gereicht wurde, stellte der italienische Bankier einen besonderen Gast vor: »Für mich ist es eine besondere Ehre, hier und heute den EU-Beauftragten für den Erhalt von Kultur und Natur in Südeuropa zu begrüßen, Dottore Emilio Montana aus Brüssel. Dottore Montana ist …«, Bertone nahm eine Visitenkarte in die Hand und bemühte sich, die Funktion des Gesandten aus Brüssel korrekt abzulesen, »… vereidigter Sachverständiger für die Zuteilung von Zuschüssen in Südeuropa.«

Beifall brandete auf.

Der Gast aus Brüssel stand von seinem hochlehnigen, altenglischen Stuhl auf und verbeugte sich knapp. Bertone fuhr verschwörerisch fort: »Dr. Montana darf zwar nicht zu viel verraten. Aber vielleicht kann er in diesem Kreis doch eine Ausnahme machen, denn hier bleibt alles tutto segreto, alles ganz vertraulich.«

Die Runde blickte gespannt auf Montana.

Der bestätigte in italienischer Sprache, was Bertone für seine Gäste hocherfreut ins Deutsche übersetzte: »Die Europäische Gemeinschaft hat das Projekt geprüft und vor zwei Tagen verbindlich die Zuschüsse verabschiedet, die aus dem Sonderprogramm zur Förderung und den Erhalt des Weltkulturerbes der Insel Visovac in Kroatien zur Verfügung gestellt werden. Eine erste Zuteilung umfasst 98 Millionen Euro, die zweite Zuteilung wird den gleichen Umfang erreichen.«

Stellvertretend für seine Gäste formulierte Bertone Fragen, die er zwar schon einmal beantwortet hatte, die an diesem Abend jedoch aus berufenem Mund bestätigt werden sollten:

»Lässt sich schon konkret sagen, wann genau die ersten Gelder fließen werden?«

Dr. Montana überraschte die Investoren an der Festtafel mit einer Nachricht, die all ihre Erwartungen übertrumpfte: »Die erste Tranche wird schon im nächsten Monat überwiesen – für alle, die bis heute Abend eine Beteiligung unterschrieben haben; eine weitere Rate folgt, sobald der Rohbau steht. Der Rest wird bei Fertigstellung fällig. Das Geld kommt so schnell wie noch nie.«

Und dabei blickte er auf Bertone: »… weil Herr Bertone für die EU und die schutzwürdigen Anliegen in Südeuropa besonders wichtig ist. Den zuständigen Gremien ist bewusst, wie sehr er sich engagiert und die Interessen der Allgemeinheit fördert.«

Bertone nickte dankbar zu Montana, bevor er eine weitere Frage stellte: »Gelten die Subventionen auch für das geplante Urlaubsresort oder nur für die Renovierung des Klosters?«

Dr. Montana zeigte sich »glücklich, mitteilen zu dürfen, dass das Resort ein elementarer Bestandteil der Förderung ist! Die Klosterrenovierung selbst wird nur einen kleinen Teil der Subventionen aus Brüssel erfordern; der Großteil ist für das Bauprojekt vorgesehen. Es muss nur eine kleine Bedingung erfüllt werden.«

»Und die wäre?«

»Das Resort muss im historischen Baustil errichtet werden – passend zum Franziskaner-Kloster.«

Begeistert klatschten die Anwesenden, während Montana sich verabschiedete. Bertone entschuldigte dessen frühe Abreise: »Der Dottore muss noch heute zurück nach Brüssel. Seine EU-Maschine wartet auf dem Münchner Flughafen.«

Dann begleitete er Montana zu einer Limousine, die mit laufendem Motor vor dem Ausgang geparkt war.

Die Kellner brachten das Dessert und einen 20 Jahre alten Cognac. Bertone flüsterte Stefanie ins Ohr: »Una serata meravigliosa, ein wunderbarer Abend.«

Stefanie versuchte, ihr Herzklopfen zu übertönen: »Klar, bei solch guten Nachrichten aus Brüssel.«

»Nein, nein! Ein wunderbarer Abend dank Ihnen, una donna meravigliosa – einer ganz besonderen Frau.«

Und leise fügte er hinzu: »Schade,...