Dogs in the City

von: Katharina von der Leyen

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2010

ISBN: 9783440127292 , 200 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,99 EUR

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Dogs in the City


 

34 (S. 151-152)

Zurück in Berlin freute sich Harry über den Mann, den er nicht vergessen hatte, wie ich selbst auch nicht, über die Wohnung und Kater Noah. Über die Straße war er genauso wenig glücklich wie vorher. Aus ihm würde kein Stadthund werden. All die Dinge, die Theo, Luise und Ida immerzu amüsieren – fremde Menschen, Kinder auf der Straße (zuverlässiger Quell von Keksen, Eis und Zwieback), Besuche in Cafés und Restaurants, Teile meines Frühstückscroissants im Park, Nachbarn im Hausflur, Besuche im Bioladen –, konnten Harry nicht erfreuen. Im Gegenteil, er fand es furchtbar anstrengend.

Aber mir fiel es leichter, mit Harrys Unzulänglichkeiten umzugehen. Ich hatte ja nun ein bisschen Licht am Ende des Tunnels gesehen, wusste, dass tief in ihm wenigstens ansatzweise so etwas wie ein normaler Hund schlummerte. Ich beschloss, es sei an der Zeit, das Leben wieder in normalere Bahnen zu lenken, und entwickelte ein neues Harry-Sozialisierungsprogramm. Wäre es nach ihm gegangen, hätten wir alle sozialen Kontakte umgehend beendet, und zwar ohne herzliches „auf Wiedersehen“: Harry fand prinzipiell alle Leute grässlich und überflüssig und war der Meinung, sie hätten in unserer Wohnung nichts zu suchen.

Dies entsprach den gegenteiligen Bedürfnissen der anderen Hunde, die Besuch lieben und grundsätzlich davon überzeugt sind, er sei eigens zu ihrem persönlichen Amüsement eingeladen worden. Vor allem Luise ist in der Tiefe ihres Herzens eine Salonière nach Art einer Madame de Tecin, ständig an Austausch und Kommunikation interessiert, ohne sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Sie agiert immer mit ruhiger Zuvorkommenheit, die ihre bürgerliche Erziehung verrät. Stets perfekte Gastgeberin, begrüßt sie alle Menschen an der Tür, begleitet sie ins Wohnzimmer und wartet geduldig, bis die Gäste sich ihrerseits gesetzt haben.

Anschließend setzt sie sich wie beiläufig neben jede einzelne Person, legt ihren Kopf auf deren Knie und lässt sich so lange streicheln, wie die Gäste mögen. Wenn das Streicheln aufhört, wendet sie sich dem nächsten Gast zu. Sie hält dieses Ritual aufrecht, seit ich sie kenne. Auch Besuche beim Tierarzt betrachtet sie als gesellschaftliches Ereignis. Während Ida, Theo und Harry eher angespannt im Wartezimmer sitzen, begrüßt Luise artig die anderen Tierbesitzer, verschafft sich einen Überblick über die Tiere in den verschiedenen Transportkäfigen und motiviert andere Hunde zu kurzen Unterhaltungen.

Ihre Fähigkeit, auf entspannte Art Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ist großartig, und gleichzeitig beeindruckt mich ihr Talent, dabei immer die Distanz zu wahren. Ich teile diese Qualität leider nicht. Um die Weiterbildung von Harrys Persönlichkeit zu gewährleisten, bezahlte ich ein neben uns wohnendes Studentenpaar dafür, dass es viermal am Tag in unsere Wohnung kam, kommentarlos um unseren Esstisch herummarschierte und ebenso beiläufig die Wohnung wieder verließ.

Ich verwickelte unsere Paketbotin in ausführliche Gespräche, damit Harry die fremde Person hören und sehen konnte, die dabei aber keinerlei Anstalten machte, die Wohnung zu betreten. Ich nahm ihn an die Leine und ging mit ihm allein und ohne seine Sicherheitspudel ins Treppenhaus, und sobald er Angst zeigte, gingen wir ruhig zurück in die Wohnung. Jeden Tag kamen wir eine Stufe weiter. Genauso auf der Straße: Er gewöhnte sich an, direkt nach dem Verlassen der Haustür verzweifelt unser Auto zu suchen, das für ihn ein Hort der Sicherheit war – also parkte ich das Auto absichtlich ein paar Straßen weiter, damit er sich die Autosuchaufgabe wieder abgewöhnte und einigermaßen entspannt an der Leine ging, ohne zu ahnen, wo wir hin wollten.

Wir luden übersichtliche Besucher-Kleinstgruppen zu uns nach Hause ein, jeweils zwei, höchstens drei Personen, denen verboten wurde, Harry überhaupt nur anzusehen geschweige denn je den Versuch zu machen, ihn anzusprechen oder gar anzufassen. Langsam lernte Harry, fremden Besuch in der Wohnung zu akzeptieren, solange der sich an die Regeln hielt. Hatte allerdings jemand den Raum verlassen, um etwa aufs Klo zu gehen, bekam er bei dessen Rückkehr einen hysterischen Bell-Anfall – er hatte so sehr gehofft, derjenige hätte sich endlich verabschiedet, dass er es nicht fassen wollte, dass der Abend noch nicht zu Ende war.