Weil es Liebe ist (Die Sullivans aus New York 2)

von: Bella Andre

Oak Press, LLC, 2019

ISBN: 9781945253720 , 400 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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Weil es Liebe ist (Die Sullivans aus New York 2)


 

KAPITEL 1


Suzanne Sullivan brauchte keinen Leibwächter.

Niemand fiel in der Dunkelheit über sie her, als sie in New York City die West 22nd Street hinunter in Richtung der Kunstgalerie D’Oro ging, wo an diesem Abend eine Ausstellung ihres Bruders Drake eröffnet wurde. Weder hatte sie während der vergangenen Woche anonyme Störanrufe erhalten, noch hatte jemand ihre Server abstürzen lassen.

Die Luft war heute Abend frisch und die Sterne standen hell am Himmel. Sie fühlte sich prächtig. So, als sei alles möglich – und als könne absolut nichts passieren. Schon gar nicht all die fürchterlichen Dinge, wegen denen sich ihre Brüder Sorgen machten.

Okay, in den letzten Monaten war sie mit Tausenden Störanrufen von unbekannten Rufnummern bombardiert worden und sowohl ihr persönlicher Server als auch ihre Firmenserver waren von Hackern angegriffen worden. Aber sie war ja nicht umsonst eine spitzenmäßige Spezialistin für Sicherheitssoftware. Sie konnte sich und ihre Firma schützen, egal, was ihre Brüder zu denken schienen.

Wenn man in einer milliardenschweren Branche bestehen wollte, musste man auch damit rechnen, dass die Konkurrenz nicht immer mit offenen Karten spielte. Obwohl sie selbst anders tickte, wusste sie besser als praktisch jeder andere, wie man sich vor Cyberangriffen schützte. Als ihre Brüder vor ein paar Wochen mehr von ihr hatten wissen wollen, hatte sie gesagt, die Anrufe kämen wahrscheinlich von einem ihrer zahlreichen Konkurrenten. Da sie seitdem mit der Arbeit an der neuen Ausgabe ihrer Software zu beschäftigt gewesen war, um konkrete Nachforschungen anzustellen, schienen ihre Brüder dummerweise zu der Überzeugung gelangt zu sein, es handele sich nicht nur um Störmanöver der Konkurrenz.

Sie befürchteten, jemand sei hinter ihr her.

Allerdings sorgten sie sich auch jedes Mal, wenn sie nur mit jemandem ausging. Deswegen hatte sie seit langem aufgehört, ihnen von ihren privaten Verabredungen zu erzählen.

Suzanne machte ihren Brüdern diese übermäßige Fürsorglichkeit nicht zum Vorwurf – schließlich hatten sie alle vier bereits als Kinder aufeinander aufgepasst. Dass die Mutter sich das Leben genommen hatte und der Vater die fünfundzwanzig Jahre danach, wie versteinert gewesen war, hatte die Sullivan-Geschwister untrennbar zusammengeschweißt. Trotzdem wünschte sich Suzanne, ihre Brüder würden sie nicht ständig mit der Idee nerven, einen Leibwächter einzustellen.

Jedenfalls schwebte sie im Moment noch auf Wolke sieben, so fantastisch war ihr Montag im Büro gewesen. Sechs Monate lange hatte sie sich mit dem Softwaredesign für das neue Digital-Security-Programm abgemüht. Es sollte gleichzeitig so innovativ und doch so erschwinglich sein, dass Informatikexperten aus aller Welt gemeint hatten, es sei nicht machbar. Aber jetzt hatte sie mit dem neuen Quellcode die Lösung gefunden. Gleich morgen früh würde sie ihren Investoren die gute Nachricht überbringen: Sullivan Security konnte mit dem neuen Produkt, das sie MavG1 genannt hatte, in die erste Beta-Test-Runde gehen. Die fünf Milliardäre der Maverick Group waren zwar Freunde der Familie, aber sie verlangten trotzdem Höchstleistungen von den Firmen, in die sie investierten. Und sie dachte gar nicht daran, ihnen etwas anderes als das Beste zu liefern.

Sie war jetzt zwar noch einen halben Häuserblock von ihrem Ziel entfernt, aber konnte bereits die Menschen sehen, die auf dem Bürgersteig vor dem Eingang zur Galerie Schlange standen. Kein Wunder, immerhin hatte ihr Bruder Drake ein Dutzend der herausragendsten Kunstwerke geschaffen, die Suzanne je gesehen hatte.

Er galt als einer der besten Maler seiner Generation und seine Ausstellungen waren immer gut besucht. Heute Abend spielten die Leute allerdings nicht nur wegen der künstlerischen Qualität seiner Gemälde verrückt, sondern auch wegen seines Motivs. Rosalind Bouchard war nicht nur eine internationale Reality-TV-Berühmtheit beziehungsweise – jetzt, nachdem sie aus der Show ausgeschieden war – eine Ex-Reality-TV-Berühmtheit. Sie war auch Drakes neue Freundin.

Nachdem sie Rosa in den letzten Wochen ein paarmal begegnet war, konnte Suzanne gut verstehen, warum ihr Bruder sich praktisch auf den ersten Blick bis über beide Ohren in sie verliebt hatte. Rosa besaß Intelligenz, Witz und eine unglaubliche Zivilcourage. Jeder Pinselstrich auf Drakes Gemälden ließ Rosas strahlendes Licht leuchten. Suzanne wünschte, sie könnte einen Mann finden, der so intelligent und loyal war wie Rosa hübsch …

Leider war das Kapitel Beziehungen in ihrem Leben das einzige, in dem es nicht gerade rosig aussah. Mehr als einmal hatte sie sich gewünscht, sie könnte sich die Männer, mit denen sie ausging, genauso zurechtbiegen, wie sie Zeilen in ihrem Quellcode umschrieb – so lange, bis alle Fehler beseitigt waren. Aber sie war jetzt einunddreißig und hatte eins gelernt: Menschen konnte man nicht ändern.

Und am allerwenigsten konnte man sie zwingen, einen zu lieben, solange sie es nicht wollten.

Deswegen bedeuteten ihr ihre Brüder so viel. Sie nahmen es sich vielleicht manchmal heraus, ihr Vorschriften für ihr eigenes Leben machen zu wollen. Aber nie zweifelte sie auch nur eine Sekunde lang daran, dass Alec, Harry und Drake sie so liebten, wie sie war – eine kopflastige Computertussi, die beim nächtelangen Programmieren den gleichen Kick empfinden konnte wie andere Frauen beim Kaufrausch im Schuhgeschäft.

Da sie für ihre neue Software endlose Stunden an ihrem Computer verbracht hatte, war sie schon seit sehr langer Zeit keinen Abend mehr in der Stadt gewesen. Heute Abend freute sie sich auf ein bisschen Unterhaltung. Und man konnte ja nie wissen … Vielleicht würde sie das letzte Kästchen auf ihrer Checkliste am Ende eines perfekten Tages abhaken können, indem sie den Richtigen kennenlernte und ihn an ihren Brüdern vorbeischmuggelte, bevor sie ihn in die Flucht schlagen konnten.

„Suz, du bist gekommen!“ Wenige Sekunden, nachdem Suzanne die Galerie betreten hatte, wurde sie von Rosa umarmt.

Drake stand direkt neben ihr und erst, als auch er sie ausgiebig umarmt hatte, konnte sie fragen: „Wie ist es bisher gelaufen, heute Abend? Alles in Ordnung bei euch?“

Suzanne wusste, wie nervös es Rosa gemacht hatte, jemand könnte erfahren, dass Drake sie malte. Rosa war überzeugt gewesen, dass nicht nur ihr Ruf als Bad Girl der Reality-Show auf ihn abfärben würde, sondern auch die Tatsache, dass vor ein paar Wochen Nacktfotos von ihr in die Presse gelangt waren, die jemand ohne ihre Einwilligung gemacht hatte.

Drake zog Rosa gleich an sich, als sie sich an seine Schulter schmiegte. Wieder einmal wurde Suzanne bewusst, wie gut die beiden zusammenpassten. Als sie mit dem Nacktfoto-Skandal fertig werden musste, hatte Rosa eine innere Stärke in sich entdeckt, die sie selbst nicht erwartet hatte. Aber Drake hatte sofort gesehen, wie fantastisch sie war, und hatte ihr unbeirrt zur Seite gestanden.

„Die Leute können gar nicht genug kriegen, von Drake und seinen Bildern“, sagte Rosa stolz.

Suzanne wusste, dass sich ihr Bruder nicht im Geringsten darum scherte, ein paar Snobs aus der Kunstszene zu beeindrucken. Das Einzige, was jetzt für ihn zählte, war die Liebe. Und ihn so glücklich zu sehen, erfüllte ihr Herz mit Freude.

„Alle benehmen sich bestens“, sagte er zu Suz. Entschlossen, sie zu beschützen, zog er Rosa noch näher an sich heran. „Etwas anderes würde ich ihnen auch nicht raten.“

Suzanne stimmte zu. Es sollte bloß niemand wagen, irgendetwas Schlechtes über Rosa zu sagen. Die Sullivans standen geschlossen hinter ihr. Besonders Suzanne, die in jeder freien Minute an einer Software für Rosas Stiftung gegen Cyberstalking arbeitete.

Auf einmal tauchte Candice, Drakes mit allen Wassern gewaschene Agentin, auf und verteilte Luftküsschen. „Suzanne, du siehst wie immer hinreißend aus. Sicher hast du nichts dagegen, wenn ich dir Drake und seine Muse kurz entführe. Ein Investor hier spielt mit dem Gedanken, ein Wahnsinnsangebot für alle zwölf Gemälde zu machen.“

Im Weggehen formte Drake über die Schulter das Wort Sorry mit den Lippen, während seine Agentin ihn und Rosa wegführte. Suzanne nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett eines umhergehenden Kellners und genoss das Prickeln der sanften Perlen auf der Zunge, während sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich entspannen konnte. Gerade hatte sie angefangen, sich im Raum nach bekannten Gesichtern umzusehen, da wurde ihre ganze Aufmerksamkeit von einem Mann in Beschlag genommen, der gerade zur Tür hereinkam.

Wow.

Ja, das war ein Mann. Dunkles Haar und dunkle Augen. Markanter Unterkiefer. Gebräunte Haut. Da sie selbst ziemlich groß war, konnte sie die Größe eines Mannes relativ gut schätzen. Einsfünfundneunzig kam etwa hin. Wenn man noch die breiten Schultern in seinem dunklen, tadellos maßgeschneiderten Anzug dazu zählte, ergab sich ohne Frage ein leckeres Gesamtpaket.

Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie ihn beobachtete. Muskulös wie ein Löwe, streifte er mit der Eleganz einer Wildkatze durch die Menge. Sie strich sich mit der Daumenkuppe über die Unterlippe, um sich zu vergewissern, dass sie nicht wahrhaftig sabberte.

„Roman, wir sind hier.“

Es war die Stimme ihres älteren Bruders Alec. Neben ihm stand Harrison, ihr anderer Bruder. Sie kannten ihn?

Roman. Sogar sein Name war lecker.

Als die drei Männer sich halb mit Handschlag, halb mit Umarmung begrüßten, war sie versucht, gleich zu ihnen zu gehen, um sich vorzustellen. Aber sie wusste aus Erfahrung, dass es...