Quellen Der Lust - Die Mätresse des Prinzen / Quellen der Lust /

Quellen Der Lust - Die Mätresse des Prinzen / Quellen der Lust /

von: Betina Krahn, Jacquie D'Alessandro

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783942031875 , 336 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 5,99 EUR

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Quellen Der Lust - Die Mätresse des Prinzen / Quellen der Lust /


 

2. KAPITEL

Wütend, weil er es so ganz untypisch zugelassen hatte, abgelenkt zu werden, stellte Simon das Buch rasch zurück und sah sich in dem Zimmer um. Die beiden einzigen Fluchtwege boten die Tür – keine Erfolg verheißende Möglichkeit – oder eines der beiden Fenster, die sich in mindestens dreißig Fuß Abstand zum Boden befanden – keine sehr gesunde Möglichkeit. Abgesehen von dem vielleicht tödlichen Sturz würde er das Fenster offen lassen müssen, sodass sie sofort wissen würde, dass jemand im Zimmer gewesen war. Wenn ihm allerdings nicht sofort etwas einfiel, würde sie das natürlich ohnehin bemerken.

Verdammt schwierige Frau. Warum konnte sie an ihrem Schlafzimmer keinen hübschen Balkon haben? Und warum hatte sie nicht noch ein paar Stunden länger wegbleiben können?

Den Wandschirm und den Kleiderschrank beachtete er nicht – beides würde sie zweifellos benutzen, um sich für die Nacht fertig zu machen – sondern ging direkt zu der Statue in der Ecke. Kaum hatte er sich in den dunklen Schatten hinter der Marmorfigur verborgen, ging die Schlafzimmertür auf.

Während er noch innerlich fluchte, weil Mrs. Ralston so bald zurückgekehrt war, verhielt er sich ganz still und betete, sie möge rasch ins Bett gehen und einschlafen. Von seinem Versteck aus sah er, wie sie die Tür hinter sich schloss und dann zu dem Tisch neben dem Bett trat, um die Öllampe zu entzünden. Im goldenen Schein der Lampe schob sie die Kapuze ihres dunklen Capes zurück.

Simon blinzelte überrascht. Mrs. Ralston war wesentlich jünger, als er erwartet hatte. In der kurzen Zeit, die ihm für seine Nachforschungen geblieben war, hatte er herausgefunden, dass sie das Leben als Mätresse vor einem Jahr aufgegeben hatte, als Ridgemoor ihre Beziehung beendete. Diese Tatsache hatte Simon zu der Vermutung veranlasst, dass sie gealtert war und ihre Schönheit verloren hatte. Zusammen mit dem Umstand, dass der Earl ein Mann in den Fünfzigern und sie seit über einem Jahrzehnt seine Mätresse gewesen war, hatte ihn das an eine Frau in den Vierzigern denken lassen, mindestens. Aber diese Frau schien kaum älter als dreißig zu sein, wenn überhaupt.

Und ganz gewiss hatte sie nicht ihre Schönheit verloren. Die Frau, die im Schein der Öllampe vor ihm stand, sah atemberaubend aus.

Die hohen Wangenknochen und vollen Lippen verliehen ihr eine fremdartige und dennoch zarte Schönheit. Ihre Augenfarbe konnte er nicht erkennen, aber bei ihrer porzellanweißen Haut und dem honigblonden Haar, das sie aufgesteckt trug, tippte er auf Blau. Er ertappte sich, wie er darüber nachdachte, ob es wohl das Blau des wolkenlosen Sommerhimmels war oder das der stürmischen See. Oder das des Eises.

Im nächsten Moment verschwand jeder Gedanke an Eis, als sie ihren Umhang löste. Der Stoff glitt von ihren Schultern und offenbarte, dass sie darunter nur ein Chemisier trug. Ein nasses Chemisier. Ein nasses Chemisier, das sich an ihren Körper schmiegte, als wäre es auf ihre Haut gemalt worden. Mit durchscheinender Farbe.

Simon stockte der Atem, und für einen Moment vergaß er völlig, wo er war. Wer sie war. Und wie viel auf dem Spiel stand. Sein Gewissen – eine innere Stimme, die er schon vor langer Zeit zum Verstummen gebracht hatte – erwachte unerwarteterweise zum Leben und belehrte ihn darüber, dass Ehre und Anstand von ihm verlangten, den Blick abzuwenden. Sofort verbannte er sein Gewissen zurück in die dunklen Tiefen, aus denen es gekommen war, und hielt den Blick unerschütterlich auf die Gestalt vor ihm gerichtet.

Schließlich war sie eine verdächtige Person. Aus Gründen, die er noch nicht kannte, hatte sie das an sich genommen, was er holen wollte, noch ehe er es ihr stehlen konnte – den Brief, der ihm das Leben retten sollte. Es war enorm wichtig, dass er so viel wie möglich über sie erfuhr.

Und wahrhaftig – er erfuhr eine Menge über sie, so wie der Stoff sich an sie schmiegte. Langsam ließ er den Blick nach unten gleiten, über die festen, vollen Brüste mit den aufgerichteten Spitzen. Ihre schlanke Taille ging in runde Hüften über, die in wohlgeformte Schenkel. Die Locken zwischen ihren Schenkeln waren von derselben Honigfarbe wie ihr Haar.

Offenbar hatte Mrs. Ralston ein Bad in den heißen Quellen genossen. Es hieß, dass diese Wasser gut für den Körper waren, und sie war dafür der beste Beweis.

Sie leckte sich über die Lippen, und seine Aufmerksamkeit richtete sich auf ihren Mund. Er spähte in das Zwielicht. Waren ihre Lippen immer so voll, oder waren sie vom Küssen geschwollen? Hatte ihr jemand an den heißen Quellen Gesellschaft geleistet? Hatte Mrs. Ralston einen Liebhaber? Vielleicht den Künstler aus dem Nachbarcottage? Oder einen Komplizen, der ihr geholfen hatte, Ridgemoor zu töten? Gewiss würde es einer Frau mit ihrem Aussehen nicht an männlicher Gesellschaft fehlen. Ganz plötzlich stellte er sich vor, wie Mrs. Ralston in dem leise sprudelnden Wasser stand – und er, der sich zu ihr gesellte …

„Miau.“

Der Laut unterbrach Simons beunruhigende Fantasie, und er blickte nach unten. Sophia schlüpfte ins Dunkel und strich wieder um seine Stiefel. Verdammt. Offenbar besaß die Katze dieselbe unliebsame Angewohnheit wie ihre Besitzerin – an Orten aufzutauchen, an denen sie nicht erwünscht war. Und war das nicht typisch weiblich? Kaum schenkte man ihr die kleinste Aufmerksamkeit, verlangte sie nach mehr.

Er sah auf und unterdrückte ein Stöhnen. Den Umhang über dem Arm, kam Mrs. Ralston auf ihn zu. Ihm stockte der Atem – teils wegen des großen Risikos, entdeckt zu werden, und teils weil ihr Anblick ihn erstarren ließ. Er hatte schon viele atemberaubend schöne Dinge gesehen in seinem Leben, aber es würde ihm schwerfallen, etwas zu benennen, das dem Anblick der nassen, beinahe nackten Genevieve Ralston gleichkam.

Und apropos Erstarren – er blickte hinunter auf die vielsagende Beule, die sich in seiner engen Hose deutlich abzeichnete. Wie reizend. Es war schon peinlich genug, dass er möglicherweise entdeckt wurde. In so einem Zustand entdeckt zu werden war schlicht undenkbar. Er bemühte sich, seine Erregung mit purer Willenskraft zum Schwinden zu bringen, doch da sein Blick wieder auf die verführerische Gestalt fiel, scheiterte er dabei kläglich. Wirklich, Ridgemoor musste sehr verwöhnt gewesen sein, dass er dieser Frau überdrüssig wurde. Hatte sie sich rächen wollen, indem sie ihn ermordete?

Aber vielleicht war er ihrer gar nicht überdrüssig geworden, wie die Gerüchte es behaupteten. Vielleicht hatte sie ihn betrogen, und das hatte Ridgemoor dazu gebracht, die Beziehung so rasch zu beenden. Wie Simon nur zu gut wusste, konnten Frauen sehr perfide Geschöpfe sein. Und er bezweifelte nicht, dass diese spezielle Frau mehr war als nur eine abgelegte Mätresse, die sich aufs Land zurückgezogen hatte. Zumindest besaß sie eine Schatulle, die etwas enthielt, das für Simon und viele andere Leute lebenswichtig war – oder wenigstens hatte sie das enthalten, bis die Schatulle in ihren Besitz überging. Welchen anderen Grund als irgendeine Art von Schuldgefühl konnte sie veranlasst haben, den Brief herauszunehmen?

Sie legte ihren Umhang auf den Rücken eines Ohrensessels, der am Kamin stand, und er hielt wieder den Atem an. Einige spannungsgeladene Sekunden lang stand sie so nahe bei ihm, dass er nur den Arm hätte ausstrecken müssen, um sie zu berühren.

„Was machst du da in der Ecke, Sophia?“, fragte sie leise. „Ich hoffe, du hast keine Maus gefunden.“

Nein, eine Maus ist es nicht.

Sophia löste sich von Simons Stiefeln und ging zu ihrer Herrin. Mrs. Ralston streichelte die Katze liebevoll, dann trat sie zu ihrem Frisiertisch und zog ein sauberes Chemisier aus einer der Schubladen, während Sophia auf das Bett sprang und sich mitten auf der Tagesdecke zusammenrollte. Vor Erleichterung sog Simon langsam den Atem ein und bemerkte den Duft, den Mrs. Ralston hinterlassen hatte – derselbe leichte Rosenduft, der auch in dem Kristallflakon auf ihrem Frisiertisch war.

Sie stand mit dem Rücken zu ihm und streifte das nasse Chemisier von ihrem Körper, wobei sie so sachte die Hüften bewegte, dass er die Hände zu Fäusten ballte. Auf seiner Stirn erschienen kleine Schweißperlen, und obwohl er sich weiterhin bemühte, die Reaktion seines Körpers auf sie zu unterdrücken, verlor er diesen Kampf in dem Moment, als sie sich vorbeugte, um das Kleidungsstück aufzuheben. Die Bewegung, bei dem sie ihr wohlgeformtes Hinterteil in die Luft reckte, erlaubte ihm einen ungehinderten Blick auf ihre weiblichen Reize – ein unglaublicher, ihm jeden klaren Gedanken raubender Anblick, einschließlich des Gedankens, dass das Urteil „am Halse aufzuhängen, bis der Tod eintritt“, ihm möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft bevorstand.

Während er die Zähne zusammenbiss und ein Stöhnen unterdrückte, zog sie sich das frische Chemisier über den Kopf und ging – zum Glück! – zu ihrem Kleiderschrank, nahm einen Hausmantel heraus und legte ihn an. Der weiche Stoff schmiegte sich an ihren Körper wie eine zweite Haut, aber zumindest war sie bedeckt. Er hoffte, dass sie jetzt zu Bett ging.

Stattdessen kehrte sie zum Frisiertisch zurück und massierte eine Creme aus einem der Tiegel in ihre Hände, wobei sie ein paar Mal vor Schmerz das Gesicht verzog. Schließlich zog sie ein Paar Handschuhe an, das sie aus einer der Schubladen nahm.

Das erschien ihm seltsam. Trugen alle Frauen Handschuhe...