Lean für Manager

von: Peter Pautsch

Carl Hanser Fachbuchverlag, 2016

ISBN: 9783446446564 , 194 Seiten

Format: PDF, ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 31,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Lean für Manager


 

2 Quo vadis Management?

Das Beispiel von Alexander Mackenzie zeigt, dass Lean mehr als ein Schlagwort ist und mit westlicher oder fernöstlicher Kultur wenig zu tun hat, sondern mit der persönlichen Lebensphilosophie und der Art und Weise, wie Ziele festgelegt und realisiert werden und mit Problemen umgegangen wird. Die entscheidende Frage, die dem Leser jetzt gestellt wird, lautet: Sind Sie damit zufrieden, wie Ihre Abteilung, Geschäftseinheit oder Ihr Unternehmen geführt wird?

Eine Frage, die Außenstehenden gegenüber zumeist positiv beantwortet wird. Beantworten Sie diese Frage aber für sich persönlich und unter Berücksichtigung all der Unzulänglichkeiten und täglichen Probleme, der unbefriedigenden Ergebnisse all Ihrer Bemühungen, des täglichen Sands im Getriebe des Unternehmens, wäre die Antwort wahrscheinlich eine andere. Sie leisten gute Arbeit und haben sich die ständige Verbesserung von Prozessen und Abläufen auf die Fahne geschrieben. Sie scheitern aber immer wieder an Sachzwängen, organisatorischen Widerständen und oft einfach nur an unbeschreiblicher Arroganz von Kollegen. Lassen wir einmal diese unbefriedigenden Dinge außer Acht und stellen uns ein ideales Unternehmen vor. Wie könnte dies aussehen?

  • Für Ihr Unternehmen gibt es eine Vision, die nicht nur Ihre Mitarbeiter begeistert, sondern auch Kunden, Lieferanten und Shareholder.

  • Die Unternehmensziele werden mit deutlich weniger Ressourcen erreicht, als dies bei den klassenbesten Wettbewerbern der Fall ist.

  • Planabweichungen und andere Probleme werden in Echtzeit, d. h. ohne jegliche zeitliche Verzögerung erkannt.

  • Angemessene Reaktionen auf Planabweichungen, Veränderungen im Unternehmensumfeld und Probleme erfolgen unmittelbar und sofort.

  • Alle Entscheidungen (z. B. Investitionen, Prozessänderungen, Einstellung von Mitarbeitern, Bonuszahlungen aufgrund persönlicher Leistungen) werden dort getroffen, wo die größte Kompetenz im Hinblick auf den Wertbeitrag für das gesamte Unternehmen vorhanden ist.

  • Strategien und Unternehmensziele werden von jedem Mitarbeiter gleichermaßen in der täglichen Arbeit verfolgt.

Das hört sich nach einem perfekten Unternehmen an, unerreichbar, eine nette Illusion, theoretisches Konstrukt abgehobener Wissenschaftler. Die Ausführungen in diesem Fachbuch werden zeigen, dass diese „Illusion“ möglich ist und dass es Unternehmen gibt, die diesem Ideal schon sehr nahe gekommen sind.

Der Weg dahin ist mit vielen Verzweigungen, Risiken und Chancen verbunden. Deshalb ist es notwendig, die Optionen darzustellen, die sich dem Manager bieten, um aus einer unbefriedigenden Ausgangssituation auszubrechen.

Bild 2.1 Aufbau der Kapitel

Bild 2.1 gibt einen Überblick über den Aufbau der Kapitel. In Kapitel drei werden drei Szenarien der Innovation aufgezeigt. Zunächst wird der Tatsache Rechnung getragen, dass viele Manager eine Vorliebe für Werkzeuge und Methoden haben: Sobald eine neue oder bereits bekannte Methode für brauchbar erachtet wird, sind Schulung der Mitarbeiter und die Einführung im Unternehmen nur noch eine Formsache. Der Umfang des erforderlichen Veränderungsmanagements ist überschaubar und die damit verbundenen Risiken sind (scheinbar) gering.

Eine in vielen Unternehmen angewendete Methode ist das „Management by Objectives“ ‒ das Führen mit Zielen. Abgeleitet aus der Unternehmensstrategie werden mit den Führungskräften Ziele vereinbart, die auch die Grundlage für die variable Vergütung sind. Die konstatierte einseitige Fokussierung in vielen Unternehmen auf finanzwirtschaftliche Ziele hat zur Entwicklung der Balanced Scorecard geführt, in welcher auch nichtfinanzielle und die langfristige Entwicklung von Unternehmen betreffende Kenngrößen enthalten sind.

Die Chancen dieser und vieler anderer Methoden liegen in einer wesentlich besseren Strukturierung des Managementprozesses und in einer besseren Transparenz bei der Überprüfung der Zielerreichung am Ende des Geschäftsjahres. Die Risiken scheinen demgegenüber gering. Aber ist dies wirklich so? Vermittelt die „Methodengläubigkeit“ möglicherweise eine falsche Sicherheit? Die Sicherheit auf dem richtigen Kurs zu sein und das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen? Die Ausführungen zu diesem Kapitel werden zeigen, dass die Sicherheit eine vermeintliche ist und weitaus mehr Risiko beinhaltet, als zunächst erwartet.

Im zweiten Szenario wird dem Leser eines Fachbuchs für Manager etwas Unglaubliches zugemutet. Es wird ein Unternehmensmodell vorgestellt, welches ohne Manager auskommt. Damit nicht genug, es wird das Fallbeispiel eines Unternehmens vorgestellt, welches auf der Basis dieses Modells arbeitet. Dieses Unternehmen ist nicht nur sehr erfolgreich, sondern auch noch in seiner Branche Marktführer.

Selbst wenn man geneigt ist, dieses Modell als Exot beiseitezulegen, lassen sich jedoch sehr interessante Erkenntnisse darüber gewinnen, wie Unternehmen geführt werden könnten, die dem eingangs geschilderten Ideal entsprechen. Selbstverständlich sind die Risiken erheblich. Die Vorstellung, in einem deutschen Konzernunternehmen wie z. B. Siemens ein entsprechendes Unternehmensmodell einzuführen, würde dem CEO kalte Schauer über den Rücken jagen und einen Unternehmenswechsel in Erwägung ziehen lassen. Die Chancen, die sich daraus eröffnen, sind allerdings unübertroffen und stellen eine echte Managementrevolution dar. Allein deshalb lohnt sich eine Diskussion darüber.

Im dritten Szenario steht Lean Management als Führungsmodell im Vordergrund. Den meisten Managern ist Lean bekannt und in vielen Branchen, allen voran in der Automobilindustrie, eingeführt und gängige Praxis. Deshalb wird die Darstellung der Grundlagen von Lean Management auf das für das Verständnis Notwendigste beschränkt. Ein Verweis auf andere Fachbücher ist bei Lesern in der Regel nicht sonderlich beliebt (dann muss ich das Buch auch noch erwerben …), muss aber notwendigerweise erfolgen. Der Grund, warum das vorliegende Fachbuch auch für Manager interessant ist, liegt in dem Umstand, dass das Thema „Unternehmensführung“ im Vordergrund steht. Dem Shopfloor-Management wird demgegenüber relativ weniger Beachtung geschenkt.

Bei der Bewertung von Lean Management in der Unternehmenspraxis sind zwei grundsätzliche Modelle anzutreffen. Das eine könnte man als Lean Management „Light“ bezeichnen und die andere Variante basiert auf einer speziellen Unternehmensphilosophie, die alle Denk- und Handlungsmuster in Richtung Lean leitet.

In der Praxis ist Light-Variante wesentlich häufiger anzutreffen als die in diesem Buch beschriebene Variante. Besucht man ein Unternehmen, welches Lean Management „Light“ realisiert hat, erhält man den Eindruck, dass alles „stimmt“: 5S, Zoning, Kanban, Just-in-Time, Visualisierung der Kennzahlen in allen Abteilungen, selbst ein War Room (obeya) ist vorhanden. Von Kulturveränderung ist aber kein Ansatz zu entdecken, allenfalls Lippenbekenntnisse der Manager.

Die mit dieser Lean-Variante verbundenen Risiken scheinen überschaubar. Im Grunde wird Lean als ein Methodenbaukasten verstanden, der richtig angewendet zu bemerkenswerten Verbesserungen der Schlüsselkennzahlen führen kann. Grund der Einführung ist oft die Forderung von Kunden (z. B. Anforderung der Hersteller in der Automobilindustrie an deren Zulieferunternehmen), ein neuer CEO, der von der Erfolgen von Lean-Unternehmen beeindruckt ist, oder ein Beratungsunternehmen, welches dem Trend der Zeit folgt und dem Kunden zur Einführung rät.

Wer Lean als Methodenbaukasten betrachtet (es gibt im Lean Management mehr 50 Instrumente und Methoden) und ständig nach Checklisten, Methoden und How-To-Anweisungen sucht, hat Lean allerdings nicht verstanden. Lean ist eine Unternehmensphilosophie, die auf der Basis einer ausgeprägten und tiefgreifenden Unternehmens- und Führungskultur beruht. Instrumente und Methoden sind nur Mittel zum Zweck und werden nach Bedarf genutzt und auf die jeweilige Aufgabenstellung hin zugeschnitten. Wer dies nicht begriffen hat, geht das Risiko ein, dass Wettbewerber, welche Lean nicht nur in der Light-Variante umgesetzt haben, „das Rennen machen“, und damit mittel- bis langfristig die Marktposition auf dem Spiel steht.

Lean Management ist kein Methodenbaukasten, sondern eine Unternehmensphilosophie. Instrumente und Methoden sind nur Mittel zum Zweck.

In Kapitel vier wird Lean Management in der „echten“ Variante vorgestellt. Hierbei geht es nicht um den operativen Aspekt des Lean Management. Vielmehr soll das Führungsmodell vorgestellt werden. Damit wird dem Manager eine Vorstellung davon gegeben, wie das Unternehmen im Sinne der Lean-Philosophie umgebaut werden kann.

Im ersten Abschnitt des Kapitels wird dargestellt, wie eine überzeugende Vision für das Unternehmen entwickelt und in Unternehmensziele übersetzt werden kann. Hierzu wird eine Methodik angewendet, die unter dem Begriff Hoshin Kanri (Policy Deployment) bekannt ist. Diese geht wesentlich weiter als Management by Objectives oder die Balanced Scorecard und beinhaltet die durchgängige Festlegung und Detaillierung der Ziele für jede Hierarchieebene bis hinunter zu jedem einzelnen Mitarbeiter. Der Prozess der Zieldefinition beinhaltet eine vertikale Abstimmung...