DDR für Angeber

von: Thomas Wieke

Bassermann, 2009

ISBN: 9783641018771 , 145 Seiten

Format: ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,49 EUR

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DDR für Angeber


 

Sprüche, Kampagnen und Parolen (S. 78-79)

Altstoffe sind wichtige Rohstoffe

Wenn irgendetwas in der DDR gut organisiert war, dann war es die Erfassung von Altstoffen. Mit der Losung sollten Altstoffe dem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden – an sich ein ganz vernünftiger Gedanke. Anscheinend aber lässt er sich, wie ein Vergleich zwischen der DDR und der Bundesrepublik nahelegt, nur durchsetzen, wenn akuter Rohstoffmangel herrscht. Leider wurde später das Wort Altstoffe durch Sekundärrohstoffe ersetzt, das sind nicht nur drei Silben mehr, das spricht sich auch schlecht, besonders in Wortverbindungen: Bei einer Altstoffsammlung wusste jeder, wozu er gebeten war, was es mit der Sekundärrohstoffgewinnung auf sich hat,musste man erst erklären.

Arbeite mit! Plane mit! Regiere mit!

Eine Parole aus der späten Ulbricht-Zeit, die eigentlich ganz gut klingt, oder? Sie hatte aber einen Haken.Und der Haken war das kleine Wörtchen »mit«. Arbeite! Plane! Regiere! Das wäre ja noch schöner. Da könnte ja jeder kommen und regieren wollen. Und die, die da die Arbeit verteilten, die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft durchplanten und das Volk regierten, wären am Ende überflüssig? Ulbricht bewahre! Durch das »mit« rückte alles schön an seinen Platz.Oben die, die regierten, unten die, die mitregieren durften – als freiwillige Helfer der Volkspolizei, als Hausvertrauensleute oder Parteigruppenorganisatoren. Oben die, die planten, unten die, die sich dann darüber Gedanken machen durften, wie man die oft lebensfremden Pläne halbwegs vernünftig in die Praxis umsetzen konnte.

Aus jeder Mark, jeder Stunde Arbeitszeit und jedem Gramm Material einen höheren Nutzeffekt

Mit dieser Losung eröffneten 1978 die Werktätigen des VEB Oberlausitzer Textilbetrieb den sozialistischen Wettbewerb zum 30. Jahrestag der DDR. Zunächst verpflichteten sich die Arbeiter ganz harmlos, »die Produktion hochwertiger, modischer Textilerzeugnisse zur stabilen und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung und für den Export« zu steigern. Dann aber nahm der Wettbewerb unter dieser Losung den Charakter einer typischen Propaganda-Kampagne an.

Bassow-Methode
Kampagne nach sowjetischem Vorbild, in den Siebzigerjahren eingeführt. Sie besagte schlicht, dass Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz die Häufigkeit von Arbeitsunfällen vermindern können. In den Siebzigerjahren arbeitete faktisch jedes Kollektiv, das ein Kollektiv der sozialistischen Arbeit werden (und die entsprechende Prämie abfassen) wollte, nach der Bassow-Methode.Auch der Zwölf-Quadratmeter-Laden namens Flacon in unserer Nachbarschaft. Allerdings wusste keine der beiden Parfümverkäuferinnen, worum es sich dabei handelte. Später kam das Gerücht auf, selbst der sowjetische Genosse Juri Bassow, der angebliche Schöpfer dieser Methode, habe nicht gewusst, worum es sich dabei handelte.

Da Ordnung und Sauberkeit das spontane Überführen von Baumaterial und anderer Bückware aus der sozialistischen Produktion in die private Konsumtion behinderten, war die Methode bei den Werktätigen nicht sonderlich beliebt. Im sächsischen Sprachraum wurde sie entsprechend umgedeutet: »Bass off, dass geener gommt« oder »Bass off, dassdn Feierobnd ni vorbasst«.

Bitterfelder Weg
Parteigesteuerte Kampagne, die angeblich dem besseren gegenseitigen Verständnis von Künstlern und Arbeitern dienen sollte. Den Namen hat die Kampagne von den Bitterfelder Konferenzen (1959, 1964), ursprünglich Autorenkonferenzen des Mitteldeutschen Verlages mit Arbeitern des Chemiekombinats Bitterfeld.