Poison Princess - Der Herr der Ewigkeit - Band 2

von: Kresley Cole

cbt Jugendbücher, 2015

ISBN: 9783641101527 , 512 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 8,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Poison Princess - Der Herr der Ewigkeit - Band 2


 

1

Tag 246 n. d. Blitz

Requiem, Tennessee

Vorgebirge der Smoky Mountains

Das hier ist mein wahres Ich …

Jackson taumelte nach hinten und bekreuzigte sich. Genau wie ich es vorausgesagt hatte.

Mit nur einer Geste hatte er mir das Herz gebrochen.

Und doch könnte ich stolzer nicht sein, Herrscherin –, flüsterte die verführerische Stimme des Todes in meinem Kopf.

Ich hörte ihn so deutlich, er musste ganz in der Nähe sein. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, keinen Grund mehr, in Furcht vor ihm zu leben. Gib gut acht, Sensenmann, ich bin auf der Jagd.

Ein heiseres Kichern. – Dein Tod wartet. –

Ich begann zu lachen und konnte nicht aufhören.

Jackson wurde noch bleicher. Ich hoffte, er würde mich verlassen und die anderen drei mitnehmen. Fort von mir.

Andernfalls könnte die Herrscherin sie alle töten.

Etwas Nasses rann mir über die Wange. Eine Träne?

Regen.

Während Jackson und ich uns anblickten, fielen Tropfen zwischen uns hernieder.

Mein Lachen verstummte, als ich sah, wie er mein Haarband umklammerte. Seine zerschundenen Knöchel traten weiß hervor, als versuche er, das nette Mädchen festzuhalten, für das er mich bisher gehalten hatte.

Es war verschwunden, hatte einer Herrscherin Platz gemacht, die kampfbereit in den Überresten des Alchemisten stand. Mein rotes Haar fiel mir über die Wangen, und ich spürte, wie sich mein Gesicht zu einer fremden, drohenden Grimasse verzog.

Eigentlich hätte Jack in diesem Moment auf mich schießen müssen, aber die tödliche Armbrust hing noch immer über seiner Schulter.

Gemeinsam mit dem unheilvollen Nieselregen hatte sich ein Nebel in der Geisterstadt ausgebreitet, der alles verschwimmen ließ. Aus den Augenwinkeln nahm ich dennoch Bewegungen wahr. Ich riss den Blick von Jackson los und sah mich nach dem Rest unserer bunt gemischten Truppe um. Die anderen drei waren Arkana, genau wie ich.

Selena, Matthew und Finn.

Ich konzentrierte mich auf Selena, die ihren Bogen von der Schulter genommen hatte und einen Pfeil aus dem Seitenköcher zog.

Überrascht zog ich die Augenbrauen nach oben. Die Schützin wollte wohl nicht mehr länger damit warten, uns alle zu töten.

Sie spannte den Pfeil in den Bogen, woraufhin sich der wirbelnde Dornentornado über meinem Kopf enger zusammenzog. Die kleine Efeuranke neben meinem Gesicht schlängelte sich in ihre Richtung, bereit zuzuschlagen wie eine Viper.

»So ist das also, Schützin?« Meine Stimme war rau von den vielen qualvollen Schreien. Ich klang wie ein Filmbösewicht. Und fühlte mich auch so. Ich spürte die Hitze des Gefechts, von der Matthew schon früher gesprochen hatte. »Bringen wir es hinter uns?« Mein Körper war dabei, sich zu regenerieren, und ich fühlte mich erschöpft. Obwohl die Säureampullen des Alchemisten einen Teil meiner Kleider und auch meiner Haut zerfressen hatten, war ich noch bereit zu kämpfen.

Aber wie lange noch?

»Hey, Ladys, was geht denn hier ab?«, fragte Finn in seinem südkalifornischen Surfer-Slang. »Selena, warum zum Teufel zielst du auf Evie?«

Matthew murmelte: »Der Mond geht auf. Der Mond geht unter.«

Selena ignorierte sie beide. »Ich will dir nichts tun, Evie«, sagte sie, den Pfeil immer noch auf mich gerichtet. Auf ihrer makellosen Haut lag der rötliche Schimmer eines herbstlichen Vollmonds. Ihre langen silberblonden Haare umrahmten ihr Gesicht wie Mondlicht. »Aber solange du das Grünzeug hier nicht zurückpfeifst, werde ich mich verteidigen.«

»Ich erinnere mich jetzt an unsere Bestimmung, Selena.« Wir mussten uns gegenseitig töten. »Nenn mir einen guten Grund, dich nicht gleich umzubringen.« Ich gab den riesigen Eichen, die ich zuvor zum Leben erweckt hatte, ein Zeichen. Der Boden hinter Selena bebte, als die Wurzeln in ihre Richtung krochen, bereit, sie unter die Erde zu ziehen.

Meine Soldaten warteten nur auf meinen Befehl. Eine qualvolle Art zu sterben.

»Du brauchst mich«, sagte sie. »Du und ich und noch ein paar andere Karten könnten ein Bündnis schließen und den Tod vernichten. Für einen von uns allein ist er zu mächtig. Also kämpfen wir gemeinsam, bis wir ihn getötet haben, dann werden die Karten neu gemischt.«

»Und wenn ich Nein sage?«

Sie spannte ihren Bogen.

Je aggressiver ich wurde, umso heller leuchteten die Hieroglyphen, die sich auf meiner Haut ausgebreitet hatten. »Los, schieß auf mich, Selena! Ich will, dass du es tust. Die Wunde wird sofort heilen, und dann mach ich dich fertig.« Ich nahm den Mund ganz schön voll, dafür, dass ich mit jeder Sekunde schwächer wurde – und meine Soldaten mit mir.

Selena warf einen Blick über ihre Schulter. »Für so was haben wir jetzt keine Zeit. Eine Horde Wiedergänger ist auf dem Weg hierher. Und es sind so viele wie noch nie.« Seit der Apokalypse hatten wir es jede Nacht mit diesen blutrünstigen Zombies zu tun. »J.D. und ich«, sie deutete mit dem Kinn auf Jackson, »haben nur noch wenige Pfeile übrig. Um hierher zu kommen, mussten wir der Miliz einen Jeep stehlen. Freiwillig haben sie den nicht rausgerückt.«

Irgendwo da draußen in der Nacht hörte ich das schaurige Heulen der Wiedergänger. Es hörte sich zwar an, als ob sie noch ein gutes Stück entfernt wären, aber es mussten sehr viele sein.

»Außerdem sind uns seit Tagen andere Karten auf den Fersen«, fuhr Selena fort. »Sie wissen inzwischen, dass du einen Arkana getötet hast. Der Tod des Alchemisten wird sie hierher locken. Schon bald.«

Jacks Blick wanderte zwischen mir und Selena hin und her. Noch vor fünfzehn Minuten hatte er uns für zwei ganz normale Mädchen gehalten – so normal man in diesen Zeiten nach dem Blitz eben sein konnte.

Und nun stritten wir plötzlich darüber, ob wir uns gegenseitig töten oder doch lieber eine Karte umbringen sollten, die sich Der Tod nennt. Außerdem hatte Jack die Überreste des Alchemisten gesehen und wusste daher, dass ich gerade einen anderen Teenager buchstäblich in Stücke gerissen hatte.

Selena lockerte die Sehne ihres Bogens. »Wir sollten für heute Nacht einen Nichtangriffspakt schließen und zusehen, dass wir so weit wie möglich von hier wegkommen.«

»Ein Nichtangriffspakt, super Idee!«, rief Finn. »Los, hauen wir ab und sprechen später über alles. Bitte, Evie, sag, dass du meinen Truck noch hast.«

»Ich hab ihn, aber kein Benzin mehr.«

»Mist. Wir auch nicht. Dann müssen wir wohl zu Fuß gehen.«

Jackson reagierte nicht. Er sah völlig durcheinander und erschöpft aus. Auf seinem markanten Gesicht zeigte sich der Schatten eines Barts, seine Augen waren blutunterlaufen.

Die Hitze des Gefechts ließ langsam nach. Ich musste nicht länger gegen den übermächtigen Drang ankämpfen, die anderen Arkana zu vernichten. Vielleicht war mein Verlangen zu töten ja nur deshalb so übermächtig gewesen, weil ich die Herrscherin in mir so lange verleugnet hatte.

Es wäre tatsächlich ziemlich dumm von Selena, mich zu erledigen, solange der Tod noch am Leben war. Konnten wir wirklich ein Bündnis schließen? Ich brauchte Zeit, um meine Möglichkeiten zu überdenken.

»Schließen wir einen Nichtangriffspakt«, stimmte ich zu. »Für diese Nacht.«

Sie nahm den Pfeil aus dem Bogen und ließ ihn mit einer eleganten Bewegung in den Köcher gleiten. Ich verdrehte die Augen. Immer musste sie eine Show abziehen.

Jetzt, wo die Gefahr vorüber war, zog auch ich meine Streitkräfte zurück. Meine Klauen wurden wieder zu normalen Fingernägeln und der Dornentornado fiel zurück auf die Straße. Wie ein Schwarm sterbender Bienen stürzten die Stacheln zu Boden. Eine goldene Hieroglyphe auf meinem linken Unterarm, die drei Dornen zeigte, wurde zunächst grün und verschwand dann ganz.

Ich gab der Efeuranke, die mein Gesicht umspielte, einen Abschiedskuss, und sie kroch zurück unter die Haut meines rechten Arms, als würde sie unter Wasser tauchen. Das Zeichen mit der sich windenden Ranke leuchtete noch einmal kurz auf und verschwand. Mein rotes, mit Blättern geschmücktes Haar färbte sich blond, und auch meine grünen Augen nahmen wieder ihr normales Blau an.

Jackson war auf der Hut und verfolgte jede meiner Bewegungen und Reaktionen, als beobachte er ein wildes Tier. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Bei einem derartigen Anblick würde ich auch durchdrehen.

Schließlich hatte es mich selbst ja auch komplett aus der Bahn geworfen, als ich diese Verwandlung in Matthews Visionen zum ersten Mal gesehen hatte.

In dieser Nacht hatte Jackson erkennen müssen, dass die Welt nicht war, was sie zu sein schien. Und im Moment sah er aus, als wünsche er sich weit weg von hier.

Aber warum war er nicht abgehauen, wenn er Angst vor uns hatte – oder vor mir?

Bevor ich ihn danach fragen konnte, überkam mich ein Anfall von Schüttelfost. Mir wurde schwindelig. Die Regeneration raubte mir die letzten Kräfte. Es fielen nur wenige Regentropfen, aber die reichten aus, um mein Haar und die unbedeckten Stellen meiner Haut zu befeuchten. Ich humpelte los und suchte nach meiner Jacke. Ob mir noch Zeit blieb, das Leben aus den Eichen zu saugen und in mich aufzunehmen?

Sobald ich meine Klauen in ihre Rinde bohrte, konnte ich mich wie eine Spritze mit Energie vollsaugen. Aber dazu würde ich eine Weile brauchen. Es hatte Nachteile, Bäume als Waffen zu benutzen. Seit dem Blitz musste ich sie erst mit meinem eigenen Blut wiederbeleben. Außerdem konnte man solche Waffen nicht mit sich herumtragen.

Die anderen machten einen großen Bogen um die Lache, die einmal der Alchemist gewesen war, und folgten mir ins Haus. Oder was davon...