Die drei !!!, 48, Die Maske der Königin (drei Ausrufezeichen)

von: Mira Sol

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2014

ISBN: 9783440143957 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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Die drei !!!, 48, Die Maske der Königin (drei Ausrufezeichen)


 

Katastrophe!


»Der Tatort sah richtig schlimm aus«, murmelte Franzi. Sie biss in ihren Apfel, kaute langsam und schluckte. Dann fuhr sie mit düsterer Stimme fort: »Das Fenster stand offen, der Wind peitschte die Vorhänge ins Zimmer. Der Fußboden war mit Sand, Wasser und Glasscherben bedeckt. Und mittendrin lagen …«, sie sah ihre Freundinnen auf der Rückbank an, »Leichen. Zwei Stück.«

Kim winkte ab. »Kenn ich schon.« Sie beugte sich vor und grinste. »Aber du erzählst richtig gut. Mach doch auch beim nächsten Poetry-Slam mit!«

Franzi schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist nichts für mich. Ich finde, es reicht, wenn eine von uns Karriere auf diesem Gebiet macht.«

Ihre Freundin Kim hatte vor ein paar Wochen eine Krimi-Geschichte bei einem Wettbewerb im Café Lomo vorgetragen und nicht nur viel Applaus vom Publikum bekommen, sondern sogar einen Sonderpreis als jüngste Teilnehmerin. Seitdem war sie Feuer und Flamme für Poetry-Slams. Sie arbeitete jetzt, wann immer es ging, an neuen Texten.

»Schade«, sagte Kim und zuckte mit den Schultern. »Zu zweit würde es bestimmt noch mehr Spaß machen.«

Franzi schüttelte erneut den Kopf. »Ohne mich, tut mir leid.« Sie nahm einen weiteren Bissen von ihrem Apfel und nuschelte: »Aber was ist jetzt mit der Geschichte? Wollt ihr nicht wissen, welches tragische Geschehen sich zugetragen hat?«

»Wie gesagt«, Kim hob die Hände, »ich kenne die Story schon.«

»Aber ich nicht!«, rief Marie. »Sag nichts. Ich will raten!«

»Dann schieß los.« Franzi lehnte sich ins Polster des Beifahrersitzes zurück. Sie zwinkerte ihrem Bruder zu. »Der Fahrer darf auch mitmachen, wenn er will.«

Stefan grinste. »Das ist nett von dir.« Er schaltete einen Gang hoch und setzte zum Überholen an. »Aber ich glaube, ich kenne wirklich alle deine ›Was ist passiert?‹-Rätsel. Ich hab sie oft genug bei unseren Familienausflügen gehört. In diesem Fall heißen deine Toten Hänsel und Gretel und …«

»NEIN! Nichts sagen!«, unterbrach ihn Marie. Dann stutzte sie. »Warum heißen die Leichen denn Hänsel und Gretel?«

»Du darfst nur Fragen stellen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können«, sagte Franzi und ließ den Apfelstrunk in einer Plastiktüte unter dem Sitz verschwinden.

Marie strich sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr. »Sind Hänsel und Gretel erschossen worden?«

»Nein.«

»Erdolcht?«

»Nein.«

»Es gibt gar kein Blut?«

»Richtig.«

»Also erwürgt!«

»Nein.« Franzi zuckte mit den Schultern. »Aber fast.«

Sie wechselte einen vielsagenden Blick mit Kim.

Marie sah ratlos drein. »Wie geht denn bitte fast erwürgen?«

»Bitte nur Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können.«

Marie verdrehte die Augen. »Na gut. Also …«

Ein Handyklingeln unterbrach sie mitten in ihrem Satz. Marie wühlte in ihrem Matchbeutel. »Entschuldigt, aber ich muss ganz kurz nachsehen. Holger wollte mir simsen, ob er Kinokarten für heute Abend bekommen hat.« Marie zog das Smartphone hervor und tippte darauf herum.

»Mach nur«, sagte Franzi. Normalerweise störte sie es, wenn Marie ein Gespräch einfach abbrach, um ans Handy zu gehen und alles andere um sich herum zu vergessen. Aber heute war alles anders. Heute freute sich Franzi, dass Marie eine SMS von ihrem Freund bekam und sie mit roten Wangen und einem Lächeln auf den Lippen las. Was gab es denn Schöneres als die Vorfreude auf ein Date mit dem Jungen, den man liebte? Franzi lächelte glücklich. Sie strich über das herzförmige Pappschild, das auf ihrem Schoß lag. Willkommen, Felipe!!! hatte sie in dicken roten Buchstaben daraufgeschrieben. Bald würde auch sie sich endlich wieder mit ihrem Freund treffen können, wann immer sie Lust dazu hatte. Sie sah auf ihre Armbanduhr. In genau vierundvierzig Minuten landete das Flugzeug, das Felipe aus Mexiko wieder zu ihr brachte. Endlich, nach vier langen Monaten, kam er nach Deutschland zurück. Genau rechtzeitig zu den Osterferien, die am Montag begannen. Franzi spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Sie hatte solche Sehnsucht, Felipe endlich umarmen zu können. Natürlich hatten sie sich in den vergangenen Monaten jeden Tag beim Skypen gesehen. Aber echte Nähe war eben einfach etwas anderes!

»Es hat geklappt! Holger und ich gehen heute ins Kino und danach Pizza essen«, verkündete Marie glücklich. Sie sah Franzi gespannt an. »Freust du dich auch schon auf Felipe?«

»Was für eine Frage!« Franzi begann auf ihrem Sitz auf und ab zu hopsen. »Ich freue mich nicht … ich … platze … ich explodiiere vor Freude!«

Stefan lachte. »Wenn du weiter so herumhampelst, fällt mein armer alter Opel auseinander – und wir kommen nicht zum Flughafen.«

»Das wäre allerdings eine Katastrophe«, murmelte Franzi. Sie setzte sich sofort ruhig hin und zog die Haargummis an ihren kurzen Zöpfen fest.

Marie lachte. »Du quietschst übrigens fast so gut wie mein kleiner Bruder.«

»Ich bin aber bestimmt lauter als so ein kleines, fünf Monate altes Baby«, antwortete Franzi grinsend.

Marie schüttelte den Kopf. »Finn schlägt dich um Längen. Wenn der loslegt, wackeln die Wände. Neulich hat er sich im Supermarkt über irgendetwas aufgeregt und so erbärmlich geschrien, als würde man ihn gerade vierteilen und den Kannibalen servieren.«

Kim lachte. »Das klingt anstrengend.«

»Allerdings, das ist es«, sagte Marie. »Blöderweise stand ich auch noch allein mit dem Kinderwagen an der Kasse, weil Tessa zurück zum Obststand gegangen war. Die Frau hinter mir hat ganz komisch geguckt und einer anderen Frau zugeflüstert: ›So ist das, wenn Kinder Kinder kriegen!‹«

»Echt?« Kim bekam einen Kicheranfall. »Sie hat gedacht, dass du Finns Mama bist?!«

Marie nickte grinsend. »Ich habe ihr dann erklärt, dass ich froh bin, dass der Große schon im Kindergarten ist. Ihr hättet sehen müssen, wie die beiden geguckt haben.«

»Du bist unmöglich!«, rief Franzi und brach zusammen mit Kim in schallendes Gelächter aus.

Stefan schüttelte grinsend den Kopf. Franzi schlug ihm auf den Oberschenkel. »Übrigens, noch mal vielen Dank, dass du uns zum Flughafen fährst!«

»Das bin ich dir einfach schuldig.« Stefans Stimme klang plötzlich sehr ernst. »Ich weiß nicht, was ich im Januar gemacht hätte, wenn ihr mir nicht geholfen hättet.«

»Das war doch selbstverständlich«, antwortete Kim sofort. »Wofür sind wir schließlich Detektivinnen?«

Franzi und Marie nickten heftig. Mit ihrem Club Die drei !!! hatten sie gemeinsam schon viele Verbrechen aufgeklärt und Täter dingfest gemacht. Als Stefan in Schwierigkeiten geriet, waren sie froh gewesen, so viel Übung in der Verbrechensbekämpfung zu haben, dass sie in Rekordtempo seinen Fall lösen konnten.

Plötzlich zerriss ein lauter Knall die Stille. Marie schrie auf. Stefan zuckte zusammen und verriss das Lenkrad. Das Auto geriet in einen leichten Schlingerkurs. Ein Zischen folgte und weißer Dampf quoll seitlich aus der Motorhaube.

Franzi krallte sich am Türgriff fest und starrte mit offenem Mund auf die Straße. Kim strubbelte sich nervös durch die kurzen dunklen Haare.

Stefan brachte das Auto zum Glück schnell wieder unter Kontrolle. Er setzte den Warnblinker und steuerte auf die Standspur.

»Was ist los?«, rief Franzi.

»Hat jemand auf uns geschossen?«, fragte Kim.

Marie schüttelte entsetzt den Kopf und biss sich auf die Lippe.

»Es passieren doch nicht ständig Verbrechen.« Stefan lachte kurz auf. »Ich glaube eher, dass etwas am Kühler defekt ist. Da vorne ist ein Parkplatz, ich fahr raus.«

Kaum hatte Stefan den Opel angehalten, sprangen die drei Detektivinnen heraus. Franzi umrundete das Fahrzeug. Sie hielt dabei das Begrüßungsschild für Felipe fest in den Händen, als fürchtete sie, es könne gestohlen werden. »Kein Einschussloch zu sehen«, stellte sie fest.

Stefan wollte die Motorhaube anheben, zuckte aber bei der ersten Berührung zurück. »Verdammt, die ist total heiß.« Er wedelte mit den Händen durch die Luft und verzog das Gesicht. »Es hat keinen Zweck, ich rufe den Pannendienst.«

Franzi sah auf die Uhr. »Wie lange wird das dauern?« Sie ließ sich auf eine Bank am Rand des Parkplatzes fallen. »Felipes Flieger landet in einer halben Stunde!« Nervös klopfte sie mit dem Pappschild auf ihre Oberschenkel.

»Keine Ahnung.« Stefan holte sein Handy aus der Hosentasche. »Es ist Freitagnachmittag, da sind viele auf der Autobahn unterwegs. Ich nehme an, dass der Pannendienst sich darauf eingestellt hat.«

Franzi sprang auf. »Das will ich schwer hoffen. Wenn wir zu spät kommen, sterbe ich!« Ihre Finger krampften sich um das Pappschild und sie spürte, wie ihre Augen zu brennen anfingen. Jetzt bloß nicht heulen, dachte Franzi, doch da tropfte schon eine Träne auf das Papierherz.

Sofort legte sich ein Arm um ihre Schulter. »Reg dich nicht auf«, hörte Franzi Maries ruhige Stimme. »Der Pannendienst kommt bestimmt bald, und dann wird alles gut!«

Auch Kim legte jetzt ihren Arm um Franzi. »Halt durch, du hast schon viel schlimmere Situationen überstanden.«

»Das sagst du so einfach.« Franzi lächelte schief und wischte sich über die Augen. »Stell dir vor, du hättest ewig...